Spaniens finale Hoffnung Joker Fabregas wird befördert
29.06.2008, 09:58 UhrBei Arsenal London ist er Leistungsträger, bei Spaniens Himmelsstürmern bislang nur "Edelreservist". Wohl dem, der einen hochbegabten Fußballer wie Francesc Fabregas Soler in seinen Reihen hat und es sich sogar leisten kann, ihn bei der EM bisher nur sporadisch einzusetzen.
Doch im mit Spannung erwarteten Finale an diesen Sonntag in Wien gegen Deutschland könnte die große Stunde des 21 Jahre alte Jungstars schlagen: Cesc Fabregas soll in der "Seleccion" den verletzten Toptorjäger David Villa ersetzen.
Villa-Ausfall definitiv
Zwar gab es am Freitag noch wilde Spekulationen, der mit vier Toren bei der EM bisher erfolgreichste Stürmer könne nach einer "Wunderheilung" womöglich doch noch im Endspiel auflaufen. Doch die Meldungen entsprangen eher der Fantasie der spanischen Presse. Nachdem Trainer Luis Aragons nach einer weiteren medizinischen Untersuchung in einem Wiener Hospital Villas Ausfall verkündet hatte, machte Spaniens Teamarzt Jesus Jimenez die letzten Hoffnungen zunichte. Villa habe sich einen "kleinen Riss in der Muskulatur des rechten Oberschenkels" zugezogen und müsse fünf bis 10 Tage pausieren. "Er kann nicht spielen", stellte Jimenez klar.
"Natürlich bin ich ein bisschen traurig, dass ich im Endspiel nicht dabei bin. Aber es ist besser, wenn ein anderer für mich spielt, der total fit ist. Die Verletzung würde mich zu stark behindern", sagte Villa.
Daumen drücken für Ballack
Die Nachricht, dass auf der Gegenseite Michael Ballack womöglich ausfällt, interessierte natürlich auch die Spanier. Abwehrchef Carles Puyol drückte dem deutschen Kapitän sogar die Daumen, dass er rechtzeitig fit wird. "Ich bin Fußballer. Es würde mir sehr leidtun, wenn er bei so einem Spiel nicht dabei wäre." Aragons nannte Ballack einen "ausgezeichneten" Spieler. "Aber derjenige, der ihn ersetzt, wird versuchen, noch mehr zu geben." Besonderen Respekt flößt dem Coach die körperliche Überlegenheit der Deutschen ein. "Sie sind sehr groß. Das könnte uns Probleme bei hohen Bällen machen. Aber eine Leiter mitzunehmen, wird nicht gehen."
Doch selbst sein Ausfall kann die Euphorie der Spanier nicht bremsen, ihre Zuversicht nicht trüben, nach 44 Jahren endlich einen großen Titel zu gewinnen. "Ich glaube nicht, dass es ein großes Problem ist", sagte Xabi Alonso, der wie Fabregas im Halbfinale am Donnerstag gegen Russland (3:0) eingewechselt wurde. "Wer auch immer bei uns von der Bank ins Spiel kommt, macht einen tollen Job. Und das ist genauso wichtig, als wenn du von Anfang an spielst."
Fabregas bislang Top-Joker
Gut möglich, dass auch im Finale der "Bank-Qualität" eine tragende Rolle zukommt. Fabregas jedenfalls spielte seinen Part als "12. Stammspieler" bisher perfekt. Lediglich im unbedeutenden dritten Gruppenspiel gegen Griechenland stand der Offensiv-Künstler in der Startelf, in den übrigen vier EM-Partien durfte er erst später eingreifen.
Aber wie: Im Viertelfinale gegen Italien verwandelte der 21-Jährige nervenstark den entscheidenden Ball im Elfmeterschießen. Gegen Russland, als er Villa bereits nach 35 Minuten ersetzen musste, riss Fabregas die Partie sofort an sich. "Unser Spiel hat sich mit ihm verändert. Wir standen mit fünf Mittelfeldspielern kompakter und konnten besser unser schnelles Kurzpassspiel aufziehen. Dank der Präsenz von Fabregas hatten wir den Gegner unter Kontrolle", lobte Aragons.
In der 73. Minute leitete die Nummer 10 den Ball direkt zum 2:0-Torschützen, dem ebenfalls eingewechselten Daniel Güiza weiter. Und auch den dritten Treffer bereitete Fabregas vor. Er selbst fühlt sich ohnehin nicht als fünftes Rad am Wagen. "Ich sehe mich nicht als Reservisten, sondern als gleichwertigen Teil dieses Teams."
Aragones pokert noch
Es gilt als sicher, dass Aragons dem Supertalent, das 2003 aus der Jugend des FC Barcelona nach London wechselte und in der Vorsaison bei Arsenal den Durchbruch schaffte, auch gegen die DFB-Elf vertraut. Auch wenn er es der Öffentlichkeit noch nicht verriet. "Er ist ein wichtiger Spieler. Aber es gibt auch andere Optionen."
Nachdem Fabregas sich im Vorjahr unglaublich positiv entwickelte, verglich sein Clubcoach Arsne Wenger ihn schon mit Frankreichs früherem Ballvirtuosen Michel Platini. Wie der jetzige UEFA-Präsident agiert Fabregas nicht nur als Denker und Lenker. Auch seine Abschlussschwäche hat er erfolgreich bekämpft. In der abgelaufenen Premier-League-Saison gelangen ihm sieben Tore, in der Champions League traf er sechsmal.
Sollte der Katalane auch im Finale die Akzente setzen und seine Elf auf Europas Thron führen, wäre nicht nur König Juan Carlos, der das Endspiel zusammen mit Königin Sofa im Ernst-Happel-Stadion erleben wird, entzückt. Ein Platz in Spaniens Fußball-Historie wäre Fabregas sicher. Noch denkt der Jungprofi nicht darüber nach. "Wir wollen den Moment genießen, wie die Kinder, die im Park spielen."
Quelle: ntv.de, Ulli Brünger, dpa