Lahme Nachfrage Keine Rabatte für WM-Tickets
18.08.2009, 17:55 UhrLeere Tribünen, lahmer Ticketverkauf - trotzdem gibt es zur 12. Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin keine Chance für einen "Sommerschlussverkauf".

Die Ränge im Olympiastadion sind derzeit noch halb leer.
(Foto: AP)
Die Forderung von Politikern, für die Rest-WM die Karten im Olympiastadion mit Rabatt anzubieten, stößt bei den Organisatoren auf erbitterten Widerstand. Weder der oberste WM-Vermarkter Michael Mronz noch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit als Präsident des Organisationskomitees wollen eine Schnäppchen-Meisterschaft. Auch Helmut Digel, Council-Mitglied des Weltverbandes IAAF und dort für Marketing zuständig, lehnt Schleuderpreise ab. "Das wäre ungerecht gegenüber den Menschen, die den vollen Preis bezahlt haben", sagt Digel. "Es ist kaum hilfreich, wenn wir von Medien oder Politikern wenig realistische Ratschläge bekommen."
Die Preise sollen runter, fordern Politiker und wollen sogar unbesetzte VIP-Plätze für Leichtathletik-Fans gegen Geld freigeben. Der Präsident des Berliner Landessportbundes, Klaus Böger, schlägt vor, Resttickets an den Abendkassen zum halben Preis anzubieten.
Gepfefferte Ticketpreise
Bei Tageskartenpreisen von bis zu 153 Euro sei die WM vor allem für Familien eindeutig zu hoch, kritisiert der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Peter Danckert. Der SPD-Politiker vermisst eine flexible Preisgestaltung für Familien oder Senioren, wie das bei Sportveranstaltungen etwa in den USA üblich sei. "Da muss man abwägen, ob man ein volles Stadion will oder eventuell andere Zuschauer ärgert."
Gerade einmal 45 Prozent der Karten wurden bisher durchschnittlich für die WM verkauft - Tendenz steigend, wie Mronz erklärte. Die WM-Preise sind zum Teil gepfeffert. Zwar kostete am Dienstag eine Karte relativ weit weg vom Geschehen und hoch oben neben dem Marathontor 13 Euro. Doch bereits für den Mittwoch lag der Preis hier mit 30 Euro doppelt so hoch. Wer die Wettbewerbe von den Mitteltribünen aus sehen will, muss bis zu 75 Euro hinblättern. Die attraktiven Plätze am Zieleinlauf liegen bei bis zu 153 Euro.
Der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Clemens Prokop, lässt die Kritik nicht gelten. "An den Ticketpreisen kann es nicht liegen. Die teuersten Karten sind verkauft", sagt Prokop. "Für die zweite WM-Hälfte haben wir sehr gute Verkaufszahlen." Vermarkter Mronz sieht das auch so: Von Donnerstag an werde das Olympiastadion wieder richtig gut besucht sein. Die Stadionauslastung werde bei knapp 80 Prozent der verfügbaren Karten liegen, für den letzten Sonntag seien bereits mehr als 75 Prozent vergriffen. Ausverkauft ist bislang nur der Samstag.
Gute Stimmung trotz leerer Ränge
Von den 76.000 Sitzen wurden 56.000 Plätze für den Tickethandel freigegeben - so viele wie bei keiner anderen WM. "Das Problem haben wir schon früh erkannt", sagt Digel. Es sei schwer, ein so großes Stadion zu füllen, "mit einem Programm, das nicht jeden Tag attraktiv ist." Der Sportsoziologe drängt auf eine WM-Reform mit einem vorgeschalteten Qualifikationstag, einen strafferen Ablauf und täglich bis zu fünf Finalentscheidungen. "Es ist schwer, junge Menschen fünf Stunden lang im Stadion zu halten."
Für das Fernsehen sind die leeren Ränge kein größeres Problem. "Die Zuschauerzahlen sind in Ordnung, bei anderen Weltmeisterschaften waren es auch nicht mehr", sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Für die Kameraleute gebe es keinerlei Anweisungen, die leeren Ränge gezielt auszublenden oder sie gezielt zu zeigen.
Zuschauerzahlen hin oder her - für die Athleten zählt allein die Stimmung im Stadion. "Das Publikum hier ist Wahnsinn, ich habe so etwas noch nicht erlebt", begeistert sich Sprinterin Verena Sailer. Und es waren wohl auch die Zuschauer, die mit ihrer Anfeuerung der stolpernden Siebenkämpferin Jennifer Oeser wieder auf die Beine halfen und damit die Silbermedaille möglich machten. Und Kugelstoßerin Nadine Kleinert jubelte nach Silber: "Die Stimmung kann ich hier nur mit einem Wort beschreiben: geil."
Quelle: ntv.de, Esteban Engel, dpa