Wladimir stiehlt Vitali die Schau Kleiner Klitschko boxt wieder
21.04.2004, 14:29 UhrWladimir Klitschko macht wieder das, was er glaubt, am besten zu können: boxen. Und damit stahl er seinem Bruder Vitali vor dessen Weltmeisterschaftskampf um den WBC-Titel gegen Corrie Sanders in der Nacht zum Sonntag in Los Angeles die Show. Zehn Tage nach dem "noch immer unerklärlichen" K.o.-Debakel gegen den zweitklassigen Amerikaner Lamon Brewster stand der gedemütigte Verlierer des WM-Duells um den WBO-Gürtel überraschend schon wieder im Boxring.
Über fünf Runden, so lange wie sein Niedergang gegen Brewster dauerte, schlug Wladimir in der "La Brea Boxing Academy" in Los Angeles leidenschaftlich und ohne Atemnot auf die gepolsterten Hände seines Cheftrainers Emanuel Steward ein. Vitali übte zeitgleich mit seinem Coach Fritz Sdunek Schlagvarianten für das Schwergewichts-Duell mit dem Südafrikaner. Die Aufmerksamkeit galt dabei weniger dem möglichen Weltmeister, als dem gepeinigten Ex-Weltmeister.
Immer die gleiche Frage
Vitali störte das nicht. Er sei vielmehr froh, dass sein fünf Jahre jüngerer Bruder den Weg zurück ins Training gefunden hat. "Ich weiß, wie frustriert er ist. Er hat keine Fehler gemacht, er kann nicht von drei Schlägen umfallen. Er hat mysteriös verloren", meinte Vitali. Am Abend zuvor habe er sich entschlossen, wieder in den Ring zu klettern, erzählte Wladimir, der nach der K.o.-Niederlage vor 13 Monaten gegen Corrie Sanders fast ein Vierteljahr pausiert hatte.
Boxtraining sei das Beste, um Stress abzubauen, lautet seine neue Erkenntnis. Was derzeit abläuft "macht mich verrückt. Ich bin völlig durcheinander. Ich komme einfach nicht aus dem verzweifelnden Grübeln heraus". Wladimirs Gedanken drehen sich immer um die Frage: "Warum habe ich verloren." Eine Antwort hat er noch immer nicht gefunden.
Neue Testergebnisse kommende Woche
Auch die inzwischen vorliegenden Blut- und Urin-Untersuchungen aus dem Desert Spring Hospital von Las Vegas haben nichts aufgeklärt. Licht ins Dunkel soll nun Donald Catlin bringen. Der Leiter des Dopings-Labors an der Universität in Los Angeles wird die Blut- und Urinproben noch einmal analysieren. Die Ergebnisse sollen Anfang kommender Woche vorliegen.
Catlin hatte im Vorjahr das anabole Designer-Steroid Tetrahydrogestrinon (THG) entdeckt. Seitdem sind vier US-Leichtathleten und der britische Sprint-Europameister Dwain Chambers der THG-Einnahme überführt worden.
Verschwörungstheorien
Auch Verschwörungstheorien kommen immer wieder auf. Ob Sdunek, Steward oder andere aus dem Klitschko-Zirkel - alle sind sich einig, dass bei Wladimir "irgendetwas manipuliert wurde". Doch was und durch wen, darauf wissen sie keine Antwort. Ein Indiz sei, dass die Wettquoten kurz vor dem Kampf von 11:1 auf 3,5:1 fielen. An Falschspiel glaubt offensichtlich auch das Palms-Hotel in Las Vegas: Es strich deshalb den Kampf von Vitali von der Wettliste.
"Ich möchte mich an den Spekulationen nicht beteiligen und werde niemanden verdächtigen oder beschuldigen. Ich habe verloren und möchte nur wissen warum, damit sich das nicht wiederholt", sagte Wladimir. Der Olympiasieger von 1996 fühlt sich körperlich wieder fit. Er hofft, Ende des Sommers seinen nächsten Kampf bestreiten zu können. Sollten auch die Untersuchungen bei Catlin keinen Grund für seinen dubiosen Schwächeeinbruch liefern, "dann muss ich eben im kommenden Fight beweisen, dass gegen Brewster nicht der wirkliche Wladimir Klitschko im Ring stand."
Gunnar Meinhardt, dpa
Quelle: ntv.de