Champions League Klinsmann blickt nach vorne
08.04.2009, 09:56 UhrDie Reise zur Herkules-Aufgabe begann mit Hindernissen, doch trotz Franz Beckenbauers Störfeuer will Bayern München den Charaktertest bei den scheinbar unbesiegbaren Ball-Zauberern des FC Barcelona heute Abend bestehen. Ungeachtet der Defensivprobleme mit den Ausfällen von Lucio und Daniel van Buyten gegen die Offensiv-Übermacht um Lionel Messi tritt ein kampfeslustiger Jürgen Klinsmann vor dem Champions-League-Duell sogar die Flucht nach vorne an.
"Wir werden uns nicht verstecken, sondern ein Spiel liefern, das nach vorne gerichtet ist", versprach der Bayern-Trainer vor dem Viertelfinal-Hinspiel an diesem Mittwoch ab 20.45 Uhr im Fußball-Tempel "Camp Nou", in dem der FC Bayern vor zehn Jahren eine der bittersten Europapokal-Stunden erlebte.
Einen der unschönsten Liga-Momente gab es für Klinsmann und seine Mannschaft zuletzt in Wolfsburg. "Wir haben durch das 1:5 am Samstag in der Öffentlichkeit an Reputation verloren. Aber das heißt nicht, dass die Mannschaft in Barcelona nicht ganz anders spielen kann. Wir sollten uns nicht wie ein Kaninchen vor der Schlange verhalten", forderte Bayern-Manager Uli Hoeneß.
Trainerdebatte sorgt für Unmut
Angespannt stieg Hoeneß in den Sonderflug LH 5018, der wegen Hydraulikproblemen eine knappe Stunde später als geplant zum Start nach Spanien abheben konnte. Erstmals seit Jahren war auch Präsident Beckenbauer mit an Bord des Mannschaftscharters. Keinesfalls mit "Bauchweh", wenngleich der "Kaiser" mit gemischten Gefühlen anreiste. "Wenn man Messi & Co. sieht, dann kann einem Angst und Bange werden. Aber die Hoffnung ist da, dass die Leistung besser wird. Barcelona ist klarer Favorit, aber auch Favoriten haben schon verloren", beteuerte Beckenbauer, der allerdings auch für störende Momente in der Reisegruppe sorgte.
Während Klinsmann laut Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge selbst im Fall einer weiteren Pleite fest im Sattel sitzt, stellte Beckenbauer dem Trainer keine Jobgarantie aus: "Man wird bis zum Ende dieser Saison alles so machen wie bisher und sich dann nach der Saison zusammensetzen, alles analysieren und dann möglicherweise reagieren". Für Rummenigge, der dem Coach nach dessen Kabinenpredigt vor der Mannschaft den Rücken gestärkt hatte, kein Thema. "Wir werden jetzt nicht nach jeder Niederlage eine Positionsbestimmung über den Trainer abgeben. Das ist nicht notwendig", stellte er klar.
Manager Hoeneß zeigte sich verstimmt über die von Beckenbauer vor dem Champions-League-Hit angezettelte Trainerdebatte. "Ich weiß nicht, ob es klug ist, vor so einem wichtigen Spiel die Zukunft des Trainers auch nur anzudeuten oder zu diskutieren. Ich frage mich, ob der Franz noch nahe genug dran ist, um das zu beurteilen", kritisierte Hoeneß den Klubchef.
Team ist in der Pflicht
Klar ist aber: Die Mannschaft muss jetzt nicht nur für sich selbst, sondern auch für Klinsmann spielen, denn der war nach einer klaren Ansprache vom "Wir" abgerückt und hatte das Team in die Pflicht genommen. Nun müssen die Profis zeigen, ob sie der Trainerforderung Folge leisten. "Am Mittwoch ist die Chance da, in die richtige Zukunft zu gehen mit einem guten Ergebnis", sagte Bastian Schweinsteiger. "In München träumt man davon, die Champions League zu gewinnen."
Noch hat das Team alles in der Hand. In der Liga ist noch alles drin und in der Champions League ist der Traum vom Finale am 27. Mai in Rom noch nicht ausgeträumt. Zumindest nicht vor dem Auftritt im Kicker-Tempel Camp Nou, in dem die Münchner im Mai 1999 ihre tränenreiche 1:2-Finalschmach gegen Manchester United ertragen mussten.
Nach der 1:5-Lektion in Wolfsburg, wo sich die Mannschaft laut Beckenbauer teilweise der Lächerlichkeit preisgegeben hätte, erwartet die Bayern Schwerstarbeit. Doch Rummenigge freut sich, "dass wir nach dieser schweren Niederlage ein solches Spiel vor der Brust haben, in dem wir alles sind, nur nicht Favorit. Jeder erwartet, dass wir eine weitere klare Niederlage kassieren", sagte der Vorstandschef eine Woche vor dem Rückspiel. Hinten soll die Ersatz-Abwehr, die bei Mark van Bommel "keine Panik" hervorruft, dicht machen, vorne soll das Geburtstagskind vom Dienstag, Franck Ribéry, für Geniestreiche sorgen. Ribéry und Messi könnten "sich messen, um zu zeigen, wer in diesem Moment der bessere ist."
Pfeifen im Walde
Ein wenig klingt es wie das Pfeifen im Walde, dass die Bayern gegen die Offensiv-Übermacht aus Spanien, die 125 Tore in 46 Pflichtspielen erzielte, nicht mehr Furcht vor einer weiteren Klatsche äußern. Dem Gegner ist die Situation des angeschlagenen, aber in Europa immer noch von einem großen Namen begleiteten FC Bayern gar nicht recht.
"Die Bayern haben vier oder fünfmal die Champions League gewonnen sowie zigmal die Meisterschaft. Und ich bin sicher, dass sie nun mit noch mehr Wut zu uns kommen", warnte Barcelonas Trainer Josep Guardiola seine Stars. Der Coach fürchtet vor allem die Kopfballstärke von Luca Toni. "Gegen den Italiener werdet Ihr nicht ein Kopfballduell gewinnen", warnte er seine Abwehrspieler und fügte an: "Wenn wir uns da nicht etwas einfallen lassen, werden wir dafür zahlen müssen."
Guardiola kennt den 1,96 Meter großen Stürmer aus der gemeinsamen Zeit beim italienischen Club Brescia Calcio. Luca Tonis voraussichtlicher Gegenspieler Gerard Piqué misst gerade 1,85 Meter, der andere Innenverteidiger Rafael Márquez nur 1,82 Meter. Der Barça-Coach will die Bayern daran hindern, Flanken in den Strafraum der Katalanen zu schlagen. Wie die Zeitung "El País" berichtete, wies er die Außenverteidiger an, nach Möglichkeit keine Fouls zu begehen, damit die Bayern keine Freistöße zugesprochen bekommen.
Linksverteidiger Sylvinho kam in den letzten neun Liga-Spielen ohne ein einziges Foulspiel aus. "Man hat es uns verboten, und ich bin sehr gehorsam", witzelte der Brasilianer, der gegen die Bayern seinen Platz wahrscheinlich an den genesenen Kapitän Carles Puyol abtreten muss.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
FC Barcelona: Víctor Valdés - Alves, Márquez, Piqué, Puyol - Xavi, Yaya Touré, Iniesta - Messi, Eto'o, Henry
FC Bayern München: Rensing - Lell, Breno, Demichelis, Lahm - Altintop, van Bommel, Zè Roberto - Schweinsteiger, Ribéry - Toni
Schiedsrichter: Webb (England)
Quelle: ntv.de