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Wer hat Entführung beauftragt? Hubschrauber, Knebel, Todesdrohungen - das gab's bisher im Block-Prozess

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Christina Block (Mitte) mit ihren Anwälten Ingo Bott und Paula Wlodarek im Landgericht Hamburg.

Christina Block (Mitte) mit ihren Anwälten Ingo Bott und Paula Wlodarek im Landgericht Hamburg.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool)

Ein jahrelanger Sorgerechtsstreit eskaliert in der Silvesternacht 2023: Die Steakhaus-Erbin Christina Block soll ihre beiden Kinder entführt haben, aus dem Haus von ihrem Ex-Mann in Dänemark, mithilfe einer israelischen Sicherheitsfirma. Darum geht es in dem Prozess, der am Montag in Hamburg fortgesetzt wird. Was werfen sich Block und ihr Ex-Partner gegenseitig vor? Wie ist die brutale Entführung abgelaufen? Und wer, wenn nicht Christina Block, kann sie in Auftrag gegeben haben? Hier finden Sie einen Überblick.

Wer hat aktuell das Sorgerecht für die vier Kinder von Christina Block und Stefan Hensel?

Die Älteste, Johanna, ist volljährig und wohnt freiwillig bei ihrem Vater. Die Zweitälteste, Greta, wohnt als einziges Kind noch bei der Mutter Christina Block in Hamburg. Gestritten wird um die beiden Jüngsten, Theodor und Klara. Sie wohnten ursprünglich auch bei der Mutter in Hamburg. Seit August 2021 leben sie bei ihrem Vater in Dänemark, der seit Mai das alleinige Sorgerecht für die beiden hat. Seitdem hat Block kein Umgangsrecht mehr. Sie darf ihre beiden Kinder nicht mehr sehen.

Warum streiten sich Christina Block und ihr Ex-Mann um das Sorgerecht der beiden Jüngsten?

Der Ausgangspunkt liegt im Sommer 2021. Damals haben Theodor und Klara wie so oft ihren Vater in Dänemark besucht. Das Paar war schon seit 2014 getrennt. Block und Hensel hatten das Umgangsrecht und das Besuchsrecht vom Vater detailliert mit dem Jugendamt geplant. Nach diesem Urlaub sollten sie eigentlich wie immer zurück zur Mutter und das ist nie geschehen. Der Vater hat die Kinder in Dänemark behalten, nicht zurückgebracht und Block dann wohl nur in einer kurzen Mail darüber informiert. Ab diesem Moment begann die Schlammschlacht auf dem Rücken der Kinder. Block hat vor Gerichten um ihr Sorgerecht und das Umgangsrecht gekämpft.

Was werfen sich Christina Block und Stefan Hensel gegenseitig vor?

Hensel hat seiner Ex-Frau Vernachlässigung der Kinder vorgeworfen. Nach den Besuchen sprach er von dreckiger Wäsche und ungepflegten Zähnen. Ziemlich schnell kamen Gewaltvorwürfe dazu. In seiner Aussage vor Gericht hat er gesagt, die Kinder hätten aus Angst vor der Mutter nicht zurückgewollt. Deshalb habe er die Kinder in Dänemark behalten.

Block hat im Prozess immer wieder abgestritten, die Kinder misshandelt zu haben. Dazu hatte sie sich Gutachten von Lehrern und Psychologen eingeholt. Sie sagt, der Vater habe die Kinder manipuliert, indoktriniert und von ihr entfremdet. Sie als Mutter sei "dämonisiert" worden.

Warum durfte der Vater die Kinder in Dänemark behalten?

Das hat zwei Gründe. Einmal diese Gewaltvorwürfe, zum Zweiten eine juristische Sonderstellung Dänemarks: Als die Kinder nicht zurückkamen, hat Block schnell das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder von einem Hamburger Amtsgericht zugesprochen bekommen, also das Sorgerecht. Nach deutschem Recht hätte Hensel die Kinder zurückbringen müssen.

Allerdings hat Dänemark als einziger EU‑Mitgliedstaat die Brüssel-IIb-Verordnung nicht unterzeichnet. Diese besagt im Kern, dass Entscheidungen von Familiengerichten anderer EU-Länder übernommen werden. Dänemark hat den Fall hingegen selbst geprüft und kam zu dem Schluss, dass der Vater die Kinder widerrechtlich zurückbehalten hat. Eine Rückführung widerspreche jedoch dem Kindeswohl. Deswegen durfte er die Kinder nach dänischem Recht bei sich behalten.

An Silvester 2023 wurden die beiden Kinder aus ihrem Heimatort in Dänemark entführt. Wie lief die Entführung ab?

Die war laut Anklage sehr brutal. Hensel hatte sich mit den Kindern an einem kleinen Hafen in der Nähe ihres Hauses das Silvesterfeuerwerk angeschaut. Als sie zurückgehen wollten, seien acht Entführer auf sie zugestürmt. Drei davon hätten Hensel zu Boden gedrückt und brutal zusammengeschlagen. Im Prozess wurden Bilder seiner Schürfwunden und Blutergüsse gezeigt. Hensel hat in seiner Aussage davon gesprochen, die Aktion habe sich für ihn wie eine "Militäroperation" angefühlt. Er habe gehört, wie seine schreienden Kinder in zwei Autos gezerrt wurden. Diese sind laut Anklage bis zur deutschen Grenze durchgefahren. Kurz vor der Grenze wurden die Kinder aus dem Auto gezerrt. Man lief mit ihnen kilometerweit durch einen Wald.

In der Nähe war wohl die Polizei mit Spürhunden zu hören, offenbar ausgelöst durch den jüngsten Sohn, der einen Alarmknopf gedrückt hatte, den er bei sich trug. Die Entführer sollen den Kindern mit dem Tod gedroht haben, sollten sie etwas sagen. Die Kinder sollen auch zeitweise geknebelt und gefesselt worden sein.

Hinter der deutschen Grenze stand ein extra angemietetes Wohnmobil. Damit sind die Entführer nach Süddeutschland gerast. Sie brachten die Kinder auf einen ebenfalls gemieteten, schlecht einsehbaren Hof.

Am nächsten Tag hat Block gemeinsam mit ihrer ältesten Tochter die Kinder abgeholt und auf ihr Anwesen nach Hamburg gebracht. Dort blieben sie nur ein paar Tage. Sie kamen nach einem Gerichtsbeschluss zurück zu Hensel nach Dänemark.

Christina Block sagt, sie habe die Entführung nicht in Auftrag gegeben. Was ist an der Theorie dran, ihre Mutter Christa Block habe damit zu tun?

Momentan spricht wenig für diese Theorie, es gibt keine Indizien. Otmar Kury, der ehemalige Strafverteidiger von Block, hatte sie aufgebracht. Ihm zufolge hat die Großmutter der beiden Kinder so stark unter der Entführung gelitten, dass es ihr größter Wunsch gewesen sei. Allerdings: Christa Block ist noch vor der Entführung verstorben. Die Verteidigung hatte argumentiert, sie hätte wohl schon vorher bezahlt und die Entführer hätten ihr den letzten Wunsch erfüllen wollen.

Es wurden tatsächlich 120.000 Euro von ihrem Konto abgehoben, wie im Prozess zum Vorschein kam. Christina Block hat in ihrer Aussage allerdings bestritten, dass ihre Mutter was damit zu tun hat. Sie hat von einer "katastrophalen Aktion" gesprochen, die ihre Mutter "niemals" beauftragt hätte. Zudem hat sie Kury inzwischen gefeuert.

Die israelische Sicherheitsfirma Cyber Cupula soll die Entführung durchgeführt haben. Warum hat die Block-Gruppe sie ursprünglich engagiert?

Block und die Verteidigung sagen, Cyber Cupula habe die IT-Sicherheit des Hotel Grand Elysée der Block-Familie in Hamburg geprüft. Der Chef der Firma, David B., und weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sicherheitsfirma sollen sich dort von Februar 2023 bis Januar 2024, rund um die Entführung, häufig aufgehalten haben. Es soll laut "Spiegel" über 800 unentgeltliche Übernachtungen gegeben haben.

Block hat im Prozess gesagt, sie habe sich mit einer Mitarbeiterin der IT-Firma, Olga, angefreundet. Sie sei zu einer Vertrauensperson geworden. Bei ihr konnte sie sich ausheulen. Irgendwann habe diese Olga schalten und walten können, wie sie wollte. Auch bei den Buchungen. Die IT-Firma habe sich in dem Luxushotel eingenistet. Block habe das geschehen lassen, weil sie in einem "permanenten Ausnahmezustand" gewesen war. Die vielen Übernachtungen begründet sie also mit einer Art Kontrollverlust.

Eine weitere Auffälligkeit ist: Block hat sich mit Olga und David B. zunehmend über familiäre Angelegenheiten unterhalten. Mit Olga soll sie über die Silvesterpläne der Kinder in Dänemark gesprochen haben. David B. soll sie die Schule der Kinder verraten haben. Block hatte ihnen ihr Interesse und Mitgefühl abgenommen, wie sie im Prozess sagte. Im Rückblick habe die Firma mit ihrer Angst Geschäfte machen wollen.

Was spricht dafür, dass Cyber Cupula die Entführung eigenmächtig geplant hat?

Das sagt Ingo Bott, der neue Verteidiger von Block. Der pocht stark darauf, dass die Sicherheitsfirma die Entführung nicht nur durchgeführt hat, wie es die Anklage sagt, sondern auch eigenmächtig organisiert hat. In der Erwartung, dafür auch entlohnt zu werden.

Auf der Anklagebank sitzt auch ein Mitarbeiter von Cyber Cupula, Tal S. Was hat er in seiner Aussage über die Entführung gesagt?

In erster Linie hat er die Tat gestanden. Er hat eingeräumt, die Kinder gewaltsam entführt zu haben. Er war laut Aussage dafür zuständig, Hensel zu "neutralisieren". Das Erste, was er getan hätte,sei gewesen, "auf den Vater zu springen". Er bestätigte auch die Wanderung durch den Wald und den Fahrzeugwechsel. Er habe dem Mädchen den Mund zugeklebt und das Klebeband sogar um den Kopf gebunden, als sie sich gewehrt hatte.

Das Motiv hat er allerdings nicht bestätigt. Er habe nicht aus Geldgründen gehandelt. Ihm seien sogar 10.000 Euro für die Tat angeboten worden. Die hätte er nicht angenommen. Ihm sei es darum gegangen, die Kinder zu retten. David B habe ihm von einer verzweifelten Mutter und einem ganz "bösen" Vater erzählt. Deswegen habe er gedacht, er tut etwas Legales, wenn er die Kinder von dem Vater wieder zur Mutter bringt.

Viele Fragen hat er in seiner Aussage allerdings nicht beantwortet: Warum hat er sich nicht gefragt, wo Polizei und Behörden sind? Warum diese Nacht-und-Nebel-Aktion? Und wieso diese Brutalität? Auffällig war auch: Er hat Block in keiner Weise belastet. Bei der Frage nach dem Auftraggeber oder der Auftraggeberin hat er abgeblockt. Das geht in die Richtung von Blocks Aussage.

Was hat Christina Block bisher vor Gericht ausgesagt?

Ihre vierstündige Aussage war hochemotional. Ihre Verzweiflung darüber, dass sie ihre beiden Kinder nicht mehr sehen konnte, war zu spüren. Aus dieser Verzweiflung heraus seien abstruse Ideen entstanden, wie sie die Kinder hätte zurückholen wollen.

Mit mehreren Sicherheitsfirmen hatte sie unterschiedliche Pläne ausgeheckt. Mit Booten oder einem Helikopter sollten die Kinder aus Dänemark geholt werden. Es gab auch die Idee, eine falsche Lehrerin in die Schule der Kinder einzuschleusen. Wichtig war ihr, dass alle Aktionen gewaltfrei und legal bleiben.

Block ging davon aus, dass sie das Recht hatte, die Kinder zurückzuholen. Das zeigt ihr etwas schwieriges Rechtsverständnis. Denn sie konnte sich nicht mehr auf das ihr zugesprochene Sorgerecht berufen. Dafür gibt es eine Art Verfallsdatum. Denn die Kinder hatten ihren Lebensmittelpunkt längst in Dänemark.

Mit dem früheren BND-Chef August Hanning ist nun ein neuer Verdächtiger aufgetaucht, was wird ihm vorgeworfen?

Hanning soll gemeinsam mit einem ehemaligen Beamten des LKA Hamburg an einem früheren Entführungsversuch im Jahr 2022 beteiligt gewesen sein, der aber gescheitert war. Das sagt die Hamburger Staatsanwaltschaft. Christina Block soll seiner Sicherheitsfirma einen Auftrag zur Kindesentziehung erteilt haben, dafür soll sie über 100.000 Euro bezahlt haben. Hannings Anwalt weist die Vorwürfe zurück. Und auch Block hatte in ihrer Aussage seinen Namen nicht genannt. Hanning und der LKA-Beamte gehören nicht zu den Angeklagten.

Es gab plötzlich Pädophilie-Vorwürfe gegen Stefan Hensel. Ist da was dran?

Stand jetzt mit ziemlicher Sicherheit nicht. Begründet werden können diese Vorwürfe auch nicht. Die Ermittler gehen davon aus, dass Block und Cyber Cupula diese Pädophilievorwürfe gezielt eingesetzt und Hensel und seinem Anwalt unterschieben wollten.

In einer Mail von Cyber Cupula an Block vom Oktober 2023 war von sexuellen Aktivitäten mit Minderjährigen im Zusammenhang mit Hensel und seinem Anwalt die Rede. Hensel soll sein Haus auf Sylt, was er auch wirklich hat, Pädophilen zur Verfügung gestellt haben. Mit dieser angeblichen Recherche ist Block zur Polizei gegangen - aus großer Sorge um ihre Kinder.

Die Ermittler haben laut einem "Spiegel"-Bericht schnell festgestellt, dass die Beweise stümperhaft waren. Es gab nicht mal ein Ermittlungsverfahren gegen Hensel. Stattdessen gab es einen Anfangsverdacht gegen Block. Gegen sie wird wegen falscher Verdächtigung ermittelt.

Wo leben die beiden entführten Block-Kinder, Klara und Theodor, inzwischen und wie geht es ihnen?

Der Streit und die gegenseitigen Vorwürfe wurden nicht vor ihnen verborgen, ebenso wie der Medienrummel selbst. Im Januar hat die damals 13-jährige Klara sogar im Interview über ihre Entführung geredet. Auch die Tatnacht selbst wird wohl ein Trauma bei den Kindern ausgelöst haben.

Inzwischen leben sie in einem Opferschutzprogramm. Sie leben zusammen mit ihrem Vater unter falschem Namen an einem unbekannten Ort in Dänemark, und man kann nur hoffen, dass sie da vielleicht ein bisschen zur Ruhe kommen.

Warum hat Klara nicht wie ursprünglich geplant vor Gericht ausgesagt?

Das lag an einem juristischen Hickhack. Sie wollte aussagen. Das Gericht konnte aber einen Interessenskonflikt nicht ausschließen, weil Hensel selbst Geschädigter ist. Zudem ist er der rechtliche Vertreter seiner minderjährigen Kinder. Deswegen hat er ihre Anwälte ausgesucht. Man konnte nicht ausschließen, dass er darüber Einfluss auf die möglichen Aussagen der minderjährigen Kinder Klara und Theodor nehmen könnte.

Am Montag ist der nächste Prozesstag. Was wird passieren?

Eine psychologische Gutachterin soll zum Zustand der beiden Kinder Theodor und Klara aussagen. Zudem wird Hensel weiter aussagen. Er wird vielleicht noch Fragen beantworten. Das hat Block erst einmal ausgeschlossen.

Angeklagt sind unter anderem noch ein ehemaliger Anwalt der Familie, die Cousine von Block und ihr Ehemann, und Blocks Lebensgefährte Gerhard Delling. Sie haben das Recht, ihre Aussage zu verweigern. Es wird sich zeigen, ob sie von diesem Recht Gebrauch machen. Es ist ungewöhnlich für einen so großen Strafprozess, dass so viele Angeklagte so ausführliche Einlassungen machen.

Geplant ist der Prozess bis 31. März 2026. Vermutlich wird er aber länger dauern.

Über den Block-Prozess hat Sarah Platz mit Caroline Amme gesprochen. Das Gespräch wurde für diesen Text zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Vollständig können Sie es im ntv-Podcast "Wieder was gelernt" anhören.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

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Quelle: ntv.de

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