Zuschlag für Olympia 2020 in Tokio Land der geschundenen Seelen feiert
08.09.2013, 14:46 Uhr
Japanischer Gruß an das IOC.
(Foto: REUTERS)
Die Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2020 an Tokio wirkt in Japan wie Balsam auf die Wunden einer durch die Tsunami- und Atom-Katastrophe geschundenen Nation. Die Sehnsucht nach Olympia war gewaltig. Entsprechend enthusiastisch wird gefeiert.
Japanische Freudentänze zweieinhalb Jahre nach der Atom-Katastrophe von Fukushima: Gruppen junger Leute kreischten in Tokio minutenlang vor Freude, als Nippons Metropole zur Olympia-Stadt 2020 ausgerufen wurde. An der Stätte der Spiele von 1964 regnete es goldenes Lametta. Tausende lagen sich am Sonntagmorgen um 5.20 Uhr auch in Tokios Vergnügungsviertel Shibuya in den Armen, als der scheidende IOC-Präsident Jacques Rogge im 18.400 Kilometer entfernten Buenos Aires die mit Sehnsucht erwartete Nachricht verkündete: "Tokio!"
"Ich war am Erdboden zerstört und bin jetzt glücklich, weil es mir wieder Hoffnung gibt", sagte eine Frau aus Kamaishi, nahe der im März 2011 durch den Tsunami und die Atomkatastrophe zerstörten Region um Fukushima. Wohl selten wirkte die Vergabe Olympischer Spiele an eine Stadt so sehr wie Balsam auf die Wunden geschundener Seelen wie dieses Votum für Tokio. Die Freude vieler Menschen zeigte: Diese Wahl schien einem Land wieder Mut zu machen, Mut, der nach den schlimmen Ereignissen 30 Monate zuvor schon bei vielen verloren war.
"Wir wollten die Spiele so sehr"
"Kyodo" (Japan): "Tokio ist die erste asiatische Stadt in der Geschichte der Spiele, die Olympia zum zweiten Mal ausrichten darf. Arrigato - Danke !!"
"Fanatik" (Türkei): "Wieder nicht! Wir haben es gewollt, wir haben daran geglaubt, wir haben hart dafür gearbeitet, aber wir haben es wieder nicht geschafft. Aber das ist nicht das Ende der Welt."
"Marca" (Spanien): "Das IOC beerdigt unseren olympischen Traum. Was müssen wir noch tun, um endlich die Spiele zu bekommen?"
"As" (Spanien): "Madrid hat Verstand, das IOC hat keinen."
"L'Equipe" (Frankreich): "Tokio wird das Olympische Feuer wieder entfachen."
"Gazzetta dello Sport" (Italien): "Tokio siegt mit einer perfekten Kandidatur, die die Illusionen von Madrid und Istanbul vernichtet."
"Ich habe nicht aufgehört zu weinen vor Freude. Wir wollten die Spiele so sehr", sagte Tadashi Okamura, Chef der japanischen Industrie- und Handelskammer, vor der rund 1200 freudentrunkene Menschen feierten. Japans Medien, die teilweise binnen kürzester Zeit Sonderausgaben druckten, betonten den Stellenwert der Spiele für das Land. Die Zeitung "Nikkei" meinte sogar: "Sie haben enormen Einfluss auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung."
Die Sehnsucht nach Olympia war gewaltig. Fast sieben Stunden vor der Entscheidung in Argentinien startete der öffentlich-rechtliche TV-Sender NHK sein Olympia-Wahlprogramm. Tausende machten die Nacht durch, um nichts zu verpassen. Viele andere stellten sich den Wecker, um die Entscheidung am Fernseher mitzuerleben. Dann waren TV-Moderatoren und ihre Gäste vorübergehend sprachlos oder den Tränen nahe.
"Olympia lässt die Kinder träumen"
"Es ist wie ein Traum, dass Tokio die Spiele erhalten hat", sagte der viermalige Schwimm-Olympiasieger Kosuke Kitajima, "ich hoffe, Olympia lässt die Kinder träumen." Die dreimalige Ringer-Olympiasiegerin Saori Yoshida sagte mit tränenerstickter Stimme: "Ich bin wirklich froh, dass Japan in dieser Freude vereint ist".
Barbesitzer spendeten Freibier, Einkaufszentren hissten zur Feier japanische Fahnen. Doch es gab in der heimgesuchten Region Fukushima auch die eine oder andere kritische Stimme. "Ich kämpfe mit den Problemen der Gegenwart, die Dinge in sieben Jahren interessieren mich wenig", meinte ein älterer Mann, dem das Schicksal schwer mitgespielt hatte.
Das Kontrastprogramm zum landesweiten Jubel in Japan stellte die Trauerstimmung in Madrid dar. Die Olympia-Fans ließen ihre Transparente sinken, nachdem für Spaniens Hauptstadt schon in der ersten Runde das Aus gekommen war. In Istanbul, wo viele voller Zuversicht gewesen waren, schlug alles schlagartig in Frust um. Binnen weniger Minuten war der von Hunderten Fans belagerte Platz an der Hagia Sophia menschenleer.
Quelle: ntv.de, Gerd Holzbach, sid