Wichtige Punkte für Schumi Minuspunkte für die Formel 1
13.05.2002, 10:52 UhrVon Henning Troschel
Michael Schumacher gewinnt auf dem A1-Ring den Großen Preis von Österreich. Sein Teamkollege Rubens Barrichello musste den Weltmeister vor der Ziellinie vorbei lassen. Das geht so in Ordnung. Die Stallorder der Ferrari-Teamleitung ist kein Skandal, sondern allein die Konsequenz aus den Möglichkeiten, die das Formel-1-Reglement bietet.
Wer nach Fairplay ruft und über Wettbewerbsverzerrung und Unsportlichkeit schimpft, vergisst dass der Rennsport und besonders die Formel 1 schon immer den sportlichen Grundsatz der größtmöglichen Chancengleichheit ignoriert hat.
Scheinheilig schwatzen professionelle Formel-1-Beobachter von einem Image-Schaden für das Ferrari-Team, ohne auch nur in einem Nebensatz die Doppelmoral der gesamten Veranstaltung zu erwähnen. Offenbar wird alltägliche Vorteilsnahme und der Betrug im Kleinen erst dann verwerflich, wenn er tendenziell verzichtbar erscheint.
Dass die aussichtsreicheren Fahrer von den Leistungen ihrer Wasserträger profitieren, ist nicht nur in der Formel 1 sondern auch im Radsport Normalität. Es ist leider ebenso logisch wie tragisch: Rubens Barrichello wusste bevor er seinen Vertrag als zweiter Fahrer bei Ferrari unterschrieb, dass er die Nummer eins im Team stets vorbeilassen muss.
Eine wettbewerbsverzerrende Stallorder wird also erst dann öffentlich zum Skandal hochstilisiert, wenn der Profit ein Ausmaß überschreitet, das von bigotten Sittenwächtern akzeptiert wird. Die Ankläger aus Österreich sind fast alle ehemalige Täter.
Nur weil so genannte Experten und Fans glauben, die diesjährige Saison sei sowieso entschieden und der alte Weltmeister werde auch sicher der neue sein, gibt es für ein professionell arbeitendes Team wie Ferrari keinen Grund, einen Vorteil leichtfertig aus der Hand zu geben.
Die Fans der „Roten“, die auf dem A1-Ring noch pfiffen, hätten der Teamleitung Dummheit und taktische Fehler vorgehalten, wenn am Ende der Saison eben die Punkte zum Titel gefehlt hätten, die jetzt ganz selbstverständlich und problemlos verbucht wurden.
Wer Fairplay und gegenseitigen Respekt, wer die Anerkennung sportlicher Leistung und ehrenhaften Wettstreit sucht, sollte sich fragen, ob er als Zuschauer bei der Formel 1 richtig ist. 
Quelle: ntv.de