Carlsen vor Titel bei Schach-WM Mit 46 Zügen und frittiertem Hirn zum Sieg
06.12.2021, 15:48 Uhr
Carlsen (r.) hat eine gute Ausgangsposition.
(Foto: AP)
Magnus Carlsen steht kurz vor dem Gewinn seines fünften WM-Titels. Auf einen epischen Sieg folgt ein schneller gegen Jan Nepomnjaschtschi. Das erleichtert den Norweger Carlsen. Sein Gehirn war "einfach nur frittiert". Am Dienstag muss "Nepo", sein Herausforderer, alles riskieren.
Als Magnus Carlsen zu seinen Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung bei der Schach-WM gefragt wurde, fiel die Antwort kurz, aber deutlich aus. "Sehr gut", sagte der sichtlich erschöpfte Weltmeister am Sonntagabend. Wenige Minuten zuvor hatte der Norweger seinen Herausforderer Jan Nepomnjaschtschi zum zweiten Mal besiegt und seine Führung auf 5:3 Punkte ausgebaut. Die Chancen auf den fünften WM-Titel sind damit immens. Doch trotz der komfortablen Führung mahnt Carlsen zur Vorsicht. "Ich konzentriere mich immer auf das nächste Spiel. Es ist nie einfach", sagte der Großmeister und gab zu: "Zwei Spiele machen schon einen großen Unterschied zu einem einzigen."
Nepomnjaschtschi müsste Carlsen in den maximal sechs verbleibenden Partien zweimal schlagen, um ein Tiebreak zu erzwingen - das scheint nahezu ausgeschlossen. Denn von seinen bisherigen 53 klassischen WM-Partien verlor der 31-Jährige erst zwei. Außerdem schafften es in der langen Schach-Geschichte bislang nur zwei Herausforderer, einen Zwei-Punkte-Rückstand gegen den amtierenden Weltmeister noch zu drehen: Der Niederländer Max Euwe 1935 und der US-Amerikaner Bobby Fischer 1972.
"Nepo" selbstkritisch
Dass der zweite Sieg nun so schnell folgte, überraschte Carlsen nicht sonderlich. "Um ehrlich zu sein, wäre der zweite Sieg wahrscheinlich nicht möglich gewesen ohne den ersten. Alles ist irgendwie miteinander verbunden", erklärte der Titelverteidiger. Carlsen, Weltmeister seit 2013, war allerdings alles andere als fit. "Mein Hirn war einfach nur frittiert. Ich spürte, dass eine scharfe Partie nicht in meinem Interesse war", sagte er nach seinem Sieg nach 46 Zügen und vier Stunden Spielzeit niedergekämpft. Das war nach der fast achtstündigen Tortur am Freitag verständlich, Carlsen stand bei der Rekord-Partie erst nach 136 Zügen als Gewinner fest.
Vielleicht bot Carlsen deshalb am Sonntag bereits nach zehn Zügen eine versteckte Möglichkeit zum Remis an. Doch "Nepo", wie er in der Schachwelt genannt wird, nahm das Angebot nicht an und sollte bitter dafür bestraft werden. Während Carlsen in der Folge ruhig und durchdacht spielte, unterlief dem Russen im 21. Zug der entscheidende Fehler. "Ich möchte mich für meine Leistung heute entschuldigen. Ich denke, sie war unter dem Niveau eines Großmeisters", sagte Nepomnjaschtschi geschlagen.
Am Dienstag muss der Herausforderer mit den weißen Steinen alles riskieren, um noch eine Chance auf seinen ersten WM-Triumph zu bekommen. Carlsen indes konnte entspannt in den Ruhetag gehen, um sich von den Strapazen zu erholen. Geplant sei nichts, sagte er: "Ich bin einfach glücklich, einen freien Tag zu haben."
Quelle: ntv.de, sue/sid