Sport

Die Angst kickt mit Mit dem Schleier auf dem Bolzplatz

Wenn sie auf dem Fußballfeld des Militärs in ihrer vom Krieg und Terror zerstörten Heimat kicken, spielt die Angst vor neuen Anschlägen immer mit. Das Trainingslager in der Sportschule Ruit kommt der Frauenfußball-Nationalmannschaft von Afghanistan deswegen wie eine Reise in eine andere Welt vor. Unbefangen können die 18 Spielerinnen für zwölf Tage den Sport genießen und dem Schrecken der Taliban entfliehen.

Ermöglicht wird ihr Aufenthalt bei Stuttgart durch ein Projekt des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), das das Auswärtige Amt finanziert. 2003 begannen Holger Obermann und der frühere afghanische Nationalspieler Ali Askar Lali im Auftrag des DOSB Fußballstrukturen in Afghanistan aufzubauen. Seit dem vergangenen Jahr kümmern sich Lali und der schwäbische Fußball-Lehrer Klaus Stärk, der vor knapp vier Jahren Obermanns Posten übernahm, intensiv um den Frauenfußball und sind stolz, dass es in Kabul inzwischen 22 Mädchenmannschaften gibt. Wie Sportstars wirken die im

Schnitt 19 Jahre alten afghanischen Nationalspielerinnen trotz ihrer nagelneuen Kickstiefel und der modischen Sportkleidung nicht. Doch sie sind gewillt, ihre fußballerischen Fähigkeiten zu verbessern und damit auch ihr Selbstbewusstsein und ihre Persönlichkeit zu stärken. Lange war das für sie ein Tabu: "Unter den Taliban war für die Frauen nicht an Sport zu denken. Das war schon eine Umstellung", erklärt Stärk. Nun hilft der Fußball ihnen, sich von den traumatischen Erfahrungen der vergangenen Jahre zu befreien.

Dabei macht ihre Freiheit zwar Fortschritte, ist aber noch längst nicht Normalität. "Fußball ist kein Frauensport - es gibt noch immer viele Menschen, die so denken", sagt Lali. Der frühere Spielmacher floh 1979 vor den Russen von Afghanistan nach Paderborn. In Kabul, wo den

Fußballerinnen nach Angaben Stärks nur Plätze aus einer Mischung aus Dreck und Gras zur Verfügung stehen, trainieren die Schülerinnen und Studentinnen verhüllt und abgeschirmt von afghanischen Männern. An der Sportschule des Württembergischen Fußballverbandes (WFV) genießen es viele, sich ohne Kopfbedeckung und in kurzärmeligen T-Shirts zu bewegen. Zudem erfahren sie ein ungewohntes Medieninteresse. "Was hier in den letzten Tagen abgeht, das habe ich noch nicht erlebt", sagt Stärk gerührt. "Ich glaube, mir geht es im Moment schlimmer als Jogi Löw."

Nach einer rund 90 Minuten langen Einheit mit Stabilisierungs- und Gleichgewichtsübungen sind die Frauen sichtlich erschöpft. Ohne noch wenigstens für kurze Zeit gegen die Bälle zu treten, können sie die Halle aber nicht verlassen. "Wir wussten überhaupt nicht, wie man Fußball spielt, aber jetzt haben sie uns schon einiges beigebracht", sagt die 16-jährige Razeia Rasoul im fließenden Englisch.

Die kleine und wendige Stürmerin will auch von den weltbesten Stars lernen. "Beckham, Messi und Ronaldinho sind meine Vorbilder", sagt Rasoul keck. Davon, wie ihre Idole in großen Stadien aufzutreten, ist sie jedoch noch weit entfernt: "Im Prinzip sind das Anfänger", sagt Stärk. "Wir können uns nur mit anderen arabischen Mannschaften messen, die auch erst mit dem Frauenfußball beginnen."

Neben dem täglichen Training und einigen Freundschaftsspielen will die Gruppe Stuttgart und das Daimler-Stadion besichtigen. "Die Mädels sind heiß. Sie dürfen in Afghanistan gar nichts", sagt Stärk. "Das ist etwas ganz Außergewöhnliches, was wir hier machen."

Kristina Puck, dpa

Quelle: ntv.de

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