WM-Titel am grünen Tisch Montezemolo fordert Erfolg
11.09.2007, 17:06 UhrIm Ferrari-Land Italien werden die Silberpfeile im Spionage-Skandal schon vor der Verhandlung als die Schuldigen abgestempelt. In der McLaren-Heimat Großbritannien haben dagegen Verschwörungstheorien Hochkonjunktur. Der Automobil-Weltverband FIA stehe Ferrari "historisch gesehen sehr nahe, näher als sonst irgendjemand", sagte der ehemalige Formel-1-Weltmeister Sir Jackie Stewart. "Es scheint mir, dass die mächtigsten Leute sich nach Ferrari richten."
Zetsche bleibt gelassen
DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche sieht jedoch der neuerlichen Anhörung vor dem FIA-Weltrat mit großer Gelassenheit entgegen. Er gehe davon aus, dass auch bei der FIA die Fakten gelten würden, stellte Zetsche am Dienstag am Rande der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA in Frankfurt/Main fest. "Insofern sehen wir dem Donnerstag gelassen entgegen", sagte er.
WM-Ausschluss möglich
McLaren-Mercedes droht im Falle eines Schuldspruchs in Paris eine harte Strafe. Sogar ein WM-Ausschluss ist möglich. Bei der ersten Verhandlung am 26. Juli hatte das FIA-Gremium das Formel-1-Team aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Nachdem zunächst auf Druck von Ferrari eine Berufungsverhandlung anberaumt wurde, kommt es auf Grund angeblich neuer Beweise zu einer neuerlichen Anhörung.
Angemessene Strafe
"Die Weltmeisterschaft am Grünen Tisch zu gewinnen, wäre auf jeden Fall ein verdienter Sieg", sagte Ferrari-Chef Luca di Montezemolo der "Gazzetta dello Sport". Man müsse davon ausgehen, dass derjenige, der gewonnen habe, dies nicht auf korrektem, sondern auf illegalem und unsportlichem Weg getan habe.
"Die FIA muss handeln und Zeichen setzen. Ich hoffe, dass die Strafe im Sinne des Sportes ausgesprochen wird", sagte der frühere Rennfahrer Hans-Joachim Stuck dem Fernsehsender Premiere. Seine Prognose: "Die Aberkennung der McLaren-Konstrukteurspunkte wäre eine angemessene Strafe."
"Erdrückende Beweise: Addio Titel!" Die "La Gazzetta dello Sport" hat den Ferrari-Rivalen schon an den Pranger gestellt. McLaren habe mit der Ferrari-Technik experimentiert, glaubt die Sportzeitung. Das wahrscheinlichste Urteil sei, dass den Silberpfeilen der Konstrukteurstitel 2007 aberkannt werde und damit Ferrari zufalle. Für die Scuderia ist das die einzige Möglichkeit, den prestigeträchtigen Titel doch noch zu gewinnen. Vor den letzten vier Rennen in Belgien, dann in Japan, China und Brasilien liegen die Italiener in der Marken-WM bereits 23 Punkte hinter den Silberpfeilen.
Nicht ob, sondern wie bestraft wird, ist die Frage
In der McLaren-Heimat Großbritannien macht man sich trotz allem auf ein negatives Urteil gegen das Team gefasst: "Ein von den Rechtsanwälten orchestriertes, wundersames Entkommen oder unvorhergesehene Enthüllungen einmal ausgenommen, ist die Frage nicht, ob McLaren bestraft wird, sondern wie die Strafe ausfällt", schrieb die "Times". Hierbei werde Ron Dennis' "alter Widersacher", FIA-Präsident Max Mosley, ein gewichtiges Wort mitzureden haben.
Für viele Formel-1-Insider, berichtete der "Guardian", stehe die Kontroverse um die gestohlenen Ferrari-Daten symbolisch für das zerrüttete persönliche Verhältnis zwischen Dennis, der sich als einfacher Mechaniker hochgearbeitet habe, und dem aus privilegierten Verhältnissen stammenden Aristokraten Mosley.
Ans Licht gekommen war die ominöse Affäre, weil der Mitarbeiter eines Kopierladens stutzig wurde, als die Frau des inzwischen suspendierten ehemaligen Leiters der McLaren-Designabteilung Mike Coughlan 780 Seiten mit Ferrari-Daten vervielfältigt hatte. Er hatte daraufhin das italienische Team informiert. Coughlan soll die höchst brisanten geheimen Informationen im Frühjahr vom ebenfalls freigestellten früheren Ferrari-Chefmechaniker Nigel Stepney erhalten haben.
Von Volker Gundrum und Henning Hoff, dpa
Quelle: ntv.de