Saison-Hammer Commanders Ein Anti-Trump sorgt für "märchenhafte Story" in Washington
25.01.2025, 10:45 Uhr
Jayden Daniels hat aus den Commanders ein völlig anderes Team gemacht.
(Foto: AP)
Aus dem Tabellenkeller ins Playoff-Halbfinale - und nur noch einen Sieg vom Super Bowl entfernt: das sind die Washington Commanders. Der Hauptgrund für den Aufschwung: Rookie-Quarterback Jayden Daniels, der von einem Berliner Bodyguard bewacht wird.
Die Washington Commanders sind nur noch einen Sieg entfernt vom Super Bowl. Ja, richtig gelesen. Und, nein, es ist nicht der 1. April. Nochmal: die Washington Commanders sind nur noch einen Sieg entfernt vom Super Bowl! Jener Verein, der in der Vorsaison zusammen mit den New England Patriots und den Arizona Cardinals noch die zweitschlechteste Bilanz (jeweils 4:13-Siege) hatte.
Jener Verein, der deshalb in der vergangenen Saisonpause alle wichtigen Positionen neu besetzt hatte, um so den Dauer-Sinkflug der vorherigen Jahre endlich zu stoppen. Um so endlich mal wieder etwas aufzubauen. Etwas Vorzeigbares. Etwas, worauf die so leidenschaftlichen, vor allem aber Leid geprüften Fans wieder stolz sein können - in einigen Jahren, wohlgemerkt.
Denn allen war natürlich klar, dass ein neuer Trainer (Dan Quinn), ein neuer Manager (Adam Peters), ein neuer Offensive Coordinator (Kliff Kingsbury) und ein neuer Defensive Coordinator (Joe Whitt Jr.) etwas Zeit brauchen würden, um ihre Philosophie vermitteln zu können. Zeit, um ein Team zu formen, das eine Siegermentalität entwickelt, das Rückschläge schnell wegsteckt. Das konstant gute Leistungen bringt, von den Gegnern endlich wieder respektiert oder sogar gefürchtet wird. Und letztlich, so die Optimal-Vorstellung: ein Team, das um Titel mitspielen kann.
Nicht mehr wiederzuerkennen
Nach dem Australian-Open-Finale von Alexander Zverev am Vormittag (ab 9 Uhr) rundet am Abend die NFL den Super-Sport-Sonntag bei RTL ab. Ab 20:55 Uhr zeigt RTL den Championship Sunday live im Free-TV.
Doch vieles von dem ist bereits gelungen - innerhalb von nur wenigen Monaten. Washington hat sich gegenüber der Vorsaison so sehr verbessert wie kein anderes Team. Ja, Washington ist gegenüber der Vorsaison schlichtweg nicht mehr wiederzuerkennen. Die Commanders haben in der Punktrunde acht Spiele (4:13 in 2023/12:5 in 2024/Anm. d. Red.) mehr gewonnen. Eine derartige Steigerung hatte es in der Vereinsgeschichte noch nie gegeben. Die Offensive hat im Schnitt pro Partie 9,1 Punkte (19,4 in 2023/28,5 in 2024) mehr erzielt - kein anderes NFL-Team hat im Angriff derartig zugelegt. Und die Defensive erlaubte im Schnitt 7,5 Zähler/Partie weniger (30,5 in 2023/23,0 in 2024). Auch dies ist der Topwert der Liga.
Und morgen könnten diese Commanders, die bereits das Überraschungsteam der Saison sind, ihre Erfolgsstory noch um ein Sensations-Kapitel ergänzen. Mit einem Sieg im NFC Championship Game bei den Philadelphia Eagles stünde Washington erstmals seit 1992 wieder im Super Bowl. In diesen, politisch eher unruhigen Tagen, gibt es also zumindest sportlich noch etwas Positives aus der US-Hauptstadt.
Und es gibt einen Anführer, der, im Gegensatz zum am Montag ins Weiße Haus zurückgekehrten Präsidenten Donald Trump, alle in Washington vereint. Der sie begeistert, fasziniert, mitreist: Jayden Daniels. Der 24-jährige Commanders-Quarterback sei "wahrscheinlich die Story der gesamten Saison", schreibt Yahoo Sports. Denn dieser Daniels, den Washington bei der Draft im Frühjahr an zweiter Stelle auswählte, hat in seiner bislang so kurzen NFL-Karriere bereits mehr Eindruck und Bestmarken hinterlassen, als andere in ihrer gesamten Laufbahn.
Der perfekte Profi fürs "mentale Chaos"
"In den letzten zwei Minuten, wenn mentales Chaos herrscht und die Partie auf der Kippe steht, dann spielt er erfahrener als ein Neuling. Und deshalb sind wir so weit gekommen", sagt Coach Quinn über Daniels. Der stellte diverse Ligarekorde für Rookie-Quarterbacks auf - unter anderem 891 Yards im Laufspiel, 69 Prozent angekommener Pässe, zwölf Touchdown-Pässe im vierten Viertel oder der Verlängerung.
Und nun könnte der gebürtige Kalifornier gar etwas schaffen, was bislang noch keinem Playmaker in der ersten Saison gelungen ist. Keinem Joe Montana, keinem Tom Brady und auch keinem Patrick Mahomes: Der Starting Quarterback in einem Super Bowl zu sein. "Es ist ein Segen, so weit gekommen zu sein", betonte Daniels. Viele Teams, so der Spielmacher weiter, wären gerne "in unserer Position." Zum Beispiel die Detroit Lions.
Mit Sieg in Detroit "die Welt geschockt"
Die hatten eine Saison gespielt wie noch nie in ihrer 95-jährigen Franchise-Geschichte. 15 Siege (Vereinsrekord), erstmals die Nummer eins der NFC nach der Punktrunde, erstmals seit Jahrzehnten wieder ernsthafter Titelanwärter. Doch dann kamen Daniels und Co nach Detroit, spielten so selbstbewusst und abgezockt wie es in den vergangenen Jahren nur die Kansas City Chiefs in wichtigen Playoff-Partien taten - und sorgten so im Viertelfinale durch einen ebenso überraschenden wie verdienten 45:31-Sieg für einen kolossalen Crash der Gastgeber aus der Autostadt. Sie hätten "die Welt geschockt", stand anschließend in der "New York Times".
Bereits eine Woche zuvor war ihnen im Wild Card Game bei den Tampa Buccaneers ein 23:20-Sieg gelungen, den außerhalb des Commanders-Kosmos niemand erwartet hätte. Der Playoff-Run von Dan Quinns Team komme längst einer "märchenhaften Story" gleich, findet Yahoo Sports. Und diese Washingtoner Wohlfühl-Geschichte hat durch Brandon Coleman auch ein deutsches Kapitel.
Berliner Bodyguard für Daniels
In den USA geboren - Vater Ronald Amerikaner, Mutter Sabine Deutsche - zog er im Alter von fünf Monaten nach Berlin. Dort spielte er Basketball und galt als Talent. Coleman träumte ein bisschen von der NBA und ging, um diesem Traum näherzukommen, 2016, als 15-Jähriger, zurück in die USA. An einer Highschool in Texas erhielt er ein Basketball-Stipendium - und kam dort erst mit American Football in Kontakt.
Seit dieser Saison ist der 1,98 Meter große und 145 Kilogramm schwere Rookie der Left Tackle der Commanders - und somit von Jayden Daniels' fünf Bodyguards in der Offensive Line der Wichtigste. Denn ein Left Tackle ist "das linke Auge des Quarterbacks". Wenn Rechtshänder Daniels zum Wurf ausholt, geht er in einen Ausfallschritt. Sein linkes Bein ist vorne, das rechte hinten - und der Rücken zur linken Seite gedreht. Somit kann er nicht mehr, beziehungsweise nicht schnell genug sehen, ob von da ein gegnerischer Verteidiger auf ihn zukommt. Deshalb hat Coleman die Aufgabe, auf Daniels' sogenannter "blind side", alles vom Spielmacher fernzuhalten.
Und das ist ihm bislang gut gelungen. Coleman war in 18 der 19 Saisonspielen dabei - 14-mal von Beginn an. Auch am Sonntag wird er wieder gesetzt sein. "Ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance bekomme, in einem solch großen Spiel zu spielen", sagte Coleman am Freitag im Rahmen eines Zoom Calls mit deutschen Medien.
In Philadelphia gelten er und die Commanders als Außenseiter. Sie haben generell von den vier verbliebenen Teams (Kansas City und Buffalo spielen im AFC Championship Game) den schwächsten Kader. Aber sie haben eben Daniels. Dass er und Dan Quinn am Donnerstag als jeweils einer von fünf Finalisten für die Auszeichnungen zum "Offensive Rookie des Jahres" und "Trainer des Jahres" nominiert wurden, ist nur folgerichtig - und eine wunderbare Reflexion der Saison dieser Washington Commanders. Sie haben den Neuaufbau gewollt, sie haben den Neuaufbau gewagt. Und dieser Neuaufbau könnte sie nun nach New Orleans führen - zum Super Bowl LIX.
Quelle: ntv.de