Fußballer verrückt nach Captagon Neururer: "Die Hälfte gedopt"
13.06.2007, 11:42 UhrDer frühere Bundesliga-Trainer Peter Neururer hat Doping im Fußball Ende der 80er Jahre als "gang und gäbe" bezeichnet. "Es ist mir bekannt, dass früher Captagon genommen worden ist. Viele Spieler waren verrückt danach", sagte Neururer der Sport Bild: "Das war überall bekannt und wurde praktiziert. Bis zu 50 Prozent haben das konsumiert. Nicht nur in der zweiten Liga."
Neururer bezog sich dabei auf seine Zeit beim damaligen Zweitligisten Schalke 04. "Auf Schalke habe ich das 1989/90 auch mitbekommen. Die damaligen Spieler von Schalke 04 kamen ja fast alle aus der Bundesliga in die zweite Liga." Unter den Dopingsündern seien auch ehemalige Nationalspieler gewesen, Neururer nannte aber keine Namen.
DFB will Namen
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) reagierte umgehend und bat Neururer um Aufklärungshilfe gebeten. "Wir haben Herrn Neururer gebeten, uns Namen und Beispiele zu nennen", sagte DFB-Pressesprecher Harald Stenger am Mittwoch in Frankfurt/Main. Sollten die Informationen Neururers so konkret sein, dass sie juristisch haltbar wären, würde der Verband die Sache weiter prüfen, erklärte Stenger.
Matthias Herget, der nach 39 Länderspielen seine Karriere bei den Königsblauen beendete, bestritt auf sid-Anfrage die Einnahme unerlaubter Mittel. "Ich habe immer aus normaler Kraft meine Leistung gebracht, mal besser, mal schlechter", sagte der 51-Jährige, der für den VfL Bochum und Bayer Uerdingen 237 Bundesligaspiele und für Rot-Weiß Essen, Uerdingen und Schalke 196 Partien in der zweiten Liga absolvierte: "Ich habe nie solche Mittel genommen und auch nicht mitbekommen, dass es andere machten."
Herget: Das ist Quatsch
Der Vizeweltmeister von 1986 hält Doping im Fußball für wenig sinnvoll. "Durch Stimulanzien kann man vielleicht schneller laufen, aber man wird kein besserer Fußballer. Das ist Quatsch", sagte Herget. Neururer will die Wirkung des Aufputschmittels Captagon schnell erkannt haben: "Man sieht den Spielern den Konsum von Captagon an. Die Augen stehen anders. Der Spieler wird nicht mehr müde und neigt auf dem Platz zu Überreaktionen. Das war ein kompletter Wahnsinn, der da gemacht wurde."
Neururer, der im November 1990 als Tabellenzweiter beim damaligen Zweitligisten Schalke entlassen worden war, sprach auch von anderen leistungsfördernden Mitteln. "Es gab auch andere Mittel: alle Ephedrine, die auch von den Radfahrern geschluckt werden. Das sind die Asthmamittel. Plötzlich hatte jeder Asthma, um das nehmen zu dürfen. Auch im Nasenspray sind zu 90 Prozent Ephedrine."
Zur damaligen Zweitliga-Mannschaft der Königsblauen gehörte auch Jens Lehmann. Der heutige Nationaltorwart vom FC Arsenal hatte in der Sport Bild ebenfalls über Doping im Fußball berichtet: "Als ich angefangen habe, mit 17 oder 18 Jahren, da habe ich so etwas gehört. Einige haben wohl, um spielen zu können, Captagon geschluckt."
Stichwort Captagon
Die Stimulans Captagon steht unter dem Wirkstoffnamen "Fenetyllin" auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). Sie hat eine ähnliche Wirkweise wie Amphetamine und unterliegt ebenfalls dem Betäubungsmittelgesetz. Captagon ist jedoch seit Mitte 2003 in Deutschland nicht mehr im Handel.
Durch die Einnahme von Captagon können Leistungen auf hohem Niveau länger aufrechterhalten werden. Die verstärkte Energiebereitstellung und -ausschöpfung sorgen allerdings für zahlreiche Nebenwirkungen. Durch die Ausschaltung von Schutzmechanismen kann der Körper extrem überbelastet werden und überhitzen. Der Anstieg des Blutdrucks kann zum Herzinfarkt und sogar zum Tod führen.
In den Anti-Doping-Laboren der WADA gab es von 2003 bis 2005 weltweit 349 positive Tests auf Amphetamine, darunter sechs auf Fenetyllin. Bereits in den 80er Jahren wurden die Proben auf die Stimulans getestet.
Quelle: ntv.de