Doping-Beobachtungen Neururer: Nicht Schalke
15.06.2007, 11:32 UhrDer ehemalige Bundesliga-Trainer Peter Neururer hat seine Doping-Vorwürfe relativiert. In seiner Zeit beim damaligen Fußball-Zweitligisten Schalke 04 1989/90 habe er keine Einnahme unerlaubter Mittel beobachtet. "Da war die Sache längst vorbei", sagte der 52-Jährige dem sid. Seine Aussage, bis zu 50 Prozent der Spieler hätten das Aufputschmittel Captagon genommen, habe sich auf die Jahre 1987 und 1988 bei Rot-Weiß Essen und Alemannia Aachen bezogen.
"Ich weiß definitiv, dass es damals genommen wurde. Es war gang und gäbe. Das weiß jeder, der nicht die Augen zu hatte. Viele wussten auch, wer was genommen hat", sagte Neururer, der in Essen von Juli 1986 bis September 1987 Co-Trainer von Horst Hrubesch war, dessen Chefposten er von September bis November 1987 übernahm. Von Januar 1988 bis April 1989 war er in Aachen Chefcoach.
Namen will Neururer aber nicht nennen: "Das war vor 20 Jahren, das ist längst verjährt. Die Spieler, die es genommen haben, werden sich schon selber melden, wenn sie genug Mut haben." Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte Neururer aufgefordert, Namen und Fakten zu nennen.
Auch Nico Schäfer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied von Rot-Weiß Essen, forderte den Fußballlehrer auf, konkreter zu werden: "Solange nicht Ross und Reiter genannt werden, besteht aus Vereinssicht kein Handlungsbedarf. Keine der handelnden Personen von damals ist noch im Verein tätig."
Ex-Profi dementiert Dopingeinnahme
Der ehemalige Bundesliga-Profi Günter Schlipper hat die Einnahme verbotener Mittel bestritten. "Ich habe nie Captagon genommen. Das ist völliger Quatsch", sagte der frühere Mittelfeldspieler dem sid. Das Hamburger Abendblatt hatte den Ex-Profi zitiert: "Als Spieler des MSV Duisburg habe ich das ein-oder zweimal ausprobiert."
Er sei falsch verstanden worden, sagte Schlipper, der von 1983 bis 1985 in Duisburg spielte. "Ich habe lediglich gesagt, dass ich in meiner Duisburger Zeit von Captagon gehört habe. Darüber ist offen gesprochen worden."
Als er bei Schalke 04 war, sei die Einnahme unerlaubter Aufputschmittel "nie ein Thema" gewesen. Schlipper spielte in den Jahren 1989 und 1990 unter Trainer Peter Neururer bei den Königsblauen. Der ehemalige Coach hatte von Doping Ende der 80er Jahre berichtet. Schlipper ist heute Trainer beim nordrheinischen Landesligisten SV Adler Osterfeld.
Auf Neururer kommt was zu
Professor Wilfried Kindermann fordert als früherer Chefmediziner des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Konsequenzen gegen Peter Neururer und sieht Probleme für dessen Zukunft als Trainer. "Wenn er mitbekommen hat, dass Spieler Captagon nahmen, hat er sich schuldig gemacht. Er hätte dies melden müssen. Und es ist ein Hammer, wenn er sagt, Ende der 80er Jahre hätten 50 Prozent der Spieler dieses Mittel genommen. Das wird er nicht beweisen können", sagte der langjährige Chefarzt der deutschen Olympiamannschaft dem sid nach Neururers Doping-Vorwürfen.
Kindermann sieht den DFB gefordert, der Neururer bereits schriftlich gebeten hat, Namen und Fakten zu nennen. "Da muss der DFB einschreiten. Und ich sehe noch von anderer Seite was auf Peter Neururer zukommen. Auch Schalke 04 darf sich solche Unterstellungen nicht gefallen lassen." Der Chef des Instituts für Sport-und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes hatte als Nachfolger von Heinz Liesen nach dem deutschen WM-Sieg 1990 die Betreuung des DFB-Teams übernommen. "Zu meiner Zeit wurde ich nie von Spielern nach Dopingmitteln gefragt, und ich hatte nie das Gefühl, dass da was an mir vorbeiläuft", sagte der frühere Europameister mit der deutschen 4x400-m-Staffel.
Kindermann: Kein systematisches Doping
Dass bereits in den 80er Jahren in der Bundesliga auf Captagon kontrolliert wurde, steht für ihn fest. "Amphetamine und Stimulanzien standen als klassische Dopingsubstanzen nach Olympia 1972 in München auf der Liste der verbotenen Substanzen. Egal ob beim damaligen Deutschen Sport-Bund oder beim DFB."
Kindermann sagte: "An systematisches Doping in den 80er Jahren zu glauben, fällt mir schwer." Doch er machte deutlich: "Fußball ist keine dopingfreie Zone. Aber die Chance, erfolgreich zu dopen, ist hier geringer als beispielsweise im Radsport, wo Captagon bei einer Bergetappe eine Reihe von Plätzen bringen kann." Diese Stimulans mache aggressiv und bissig, damit könne ein Fußballer durchaus bis zur Erschöpfung an der Linie entlang laufen. Die Ermüdung werde ohne Zweifel hinausgezögert.
Quelle: ntv.de