Ullrich streitet alles ab "Niemals. Ganz klipp und klar"
26.02.2007, 10:47 UhrKurz nach seinem Rücktritt vom Leistungssport hat Jan Ullrich erstmals alle Doping-Vorwürfe zurückgewiesen. "Niemals. Ganz klipp und klar", beantwortete das frühere Radsportidol in einem Interview der "Bild"-Zeitung die Frage, ob er jemals gedopt habe.
Zuvor hatte der 33-Jährige auf der Pressekonferenz bei der Bekanntgabe seines Abschieds als Profi nicht konkret Stellung zu den seit dem vergangenen Sommer im Raum stehenden Vorwürfen und Indizien genommen. Auch in dem Interview äußerte sich Ullrich nicht zu Kontakten zu dem als Schlüsselfigur des spanischen Dopingskandals geltenden Arztes Eufemniano Fuentes.
Die Pressekonferenz inszenierte Ullrich stattdessen als Generalabrechnung mit Verbänden, Funktionären und Medien. Vor acht Monate war der Olympiasieger von 2000 unmittelbar vor der Tour de France suspendiert worden. "Ich habe in meiner Karriere nicht betrogen und niemanden geschädigt", betonte der 33-Jährige.
"Ich beende heute meine aktive Karriere. Ich habe auf meine innere Stimme gehört", sagte der Wahl-Schweizer, der nach seinem Sieg bei der Tour de France 1997 zum deutschen Sport-Idol der Qualität von Boris Becker oder Michael Schumacher aufgestiegen war.
Ullrich ahnungslos
"Wie es zum Tour-Ausschluss kam, weiß ich bis heute nicht", sagte Ullrich während seines 45-minütigen Auftritts. "Es war der schwärzeste Tag meiner Karriere. Es gab eine beispiellose Vorverurteilung durch einen Teil der Presse und der Verbände". Die Suspendierung und spätere Kündigung durch T-Mobile nannte er "überzogen".
Scharf attackierte er Verbands-Präsident Rudolf Scharping, den gegen ihn prozessierenden Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke ("zerstreuter Professor"), "einige schwarze Schafe" der Presse sowie die UCI. "Der große Weltverband hat die Verantwortung, die Drecksarbeit auf die Landesverbände abgeschoben", sagte Ullrich.
Die Attackierten zeigten sich gelassen. "Man konnte kein anderes Verhalten von Jan Ullrich erwarten wie jenes, das er heute bei seinem Auftritt gezeigt hat. Das ist Schadensbegrenzung", sagte Franke. "Mit der Erklärung von heute hat er wohl auch die letzte Chance verpasst, für Aufklärung zu sorgen", sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach.
Auch Scharping kritisierte den Auftritt, würdigte aber zugleich Ullrichs Verdienste: "Ein großes Talent, so große Möglichkeiten und Erfolge - das alles könnte ohne Schatten strahlen, wären da nicht mindestens das letzte Jahr, die schwerwiegenden Indizien und eine verwirrende Verzögerungstaktik. Das ist ein Schlusspunkt hinter einer sportlichen Karriere, der alle ein besseres Ende gewünscht hätten."
"Personen wie Scharping sind nicht gut für den Radsport"
Zuvor hatte Ullrich mit dem früheren Verteidigungsminister abgerechnet: "Er war einer der größten Schulterklopfer. Es ist wahnsinnig schlecht für den deutschen Radsport, wenn solche Leute ohne Leidenschaft und Liebe für den Sport bestimmen können, was läuft." Scharping hatte von "dem großen Schaden" gesprochen, den Ullrich der Sportart zugefügt habe.
Fragen beantwortete Ullrich bei der Pressekonferenz nicht. Er wurde im Anschluss von seinem langjährigen Manager Wolfgang Strohband an 150 Journalisten und Kameraleuten vorbei hinaus eskortiert. Auf seine Zukunft freue er sich: "Für mich fängt das Leben erst richtig an. Ich bin ein glücklicher, gesunder und hoffentlich auch junger Mann, der weiß, was er will."
Zukunft als "Werbeträger und Repräsentant"
Ullrich wird sich künftig als "Berater, Werbeträger und Repräsentant" des österreichischen Zweitliga-Teams Volksbank verdingen. Dazu promotet er zwei Sportartikel-Firmen und kümmert sich um seine eigene Fahrrad-Produktion.
Dem einzigen deutschen Gewinner der Tour de France war wegen Doping-Verdachts von seinem T-Mobile-Team am 21. Juli 2006, zwei Tage vor Beginn der Tour, die er nicht mehr fahren durfte, fristlos gekündigt worden. Die Indizien waren erdrückend. Ullrich soll sich über Jahre bei dem spanischen Arzt Eufemiano Fuentes mit manipulierten Blutkonserven und diversen Doping-Mitteln eingedeckt haben. Durch die Abgabe einer Speichelprobe, die einen DNA-Abgleich mit dem Ullrich zugerechneten Blut aus dem Fuentes-Labor in Madrid ermöglicht, schien zuletzt Bewegung in die festgefahrenen Ermittlungen gegen den zweifachen Zeitfahr-Weltmeister gekommen zu sein, der 1995 seine Profilaufbahn bei Telekom begann.
Quelle: ntv.de