Katerstimmung beim HSV "Null-Tore-Fabrik" in Berlin
25.08.2003, 11:29 UhrDie Euphorie war riesengroß: Der Hamburger SV hatte gerade den Liga-Pokal gewonnen – vor allem die Art und Weise, wie man die Trophäe in die Hansestadt holte, war beeindruckend. Zuerst wurde der deutsche Rekordmeister und Double-Gewinner FC Bayern München ausgeschaltet. Im Finale spielten die Nordlichter den Titelaspiranten aus Dortmund an die Wand. Mindestziel: UEFA-Cup, wenn nicht sogar die Qualifikation für die millionenschwere Champions-League tönte es von überall her. Und nun?
Das einzig verbliebene Gründungsmitglied der 40-jährigen Bundesliga findet sich auf dem vorletzten Tabellenplatz wieder. Ein mageres Pünktchen aus vier Partien steht zu Buche. Und erneut ist es vor allem die Art und Weise, wie sich die Hamburger ihrem Schicksal zu fügen scheinen, die den Beobachter stutzig machen muss.
Das man 0:2 gegen den FC Bayern verlieren kann, steht außer Frage. Doch unter den Saisonergebnissen der Hamburger findet sich beispielsweise auch eine 1:5-Schlappe gegen den VfL Wolfsburg - bei allem Respekt für die Truppe von Jürgen Röber, aber eine Übermacht stellen die Wölfe aus Niedersachsen nun wirklich nicht dar.
Da wäre es doch an der Zeit nach den Gründen für die Misere zu suchen. Aber weit gefehlt: Auf der HSV-Homepage findet man lediglich ein kurzes „Nichts zu holen“. Doch mit einer solchen Fehleranalyse ist den Hamburgern nicht geholfen. Es ist an Trainer Kurt Jara, die richtigen Worte zu finden und seine Spieler wieder zu motivieren. Dass sie es können, haben sie allen gezeigt – damals im Liga-Pokal.
Die „Null-Tore-Fabrik“ von der Spree
Auch die Hertha aus Berlin hat sich den Saisonstart sicher anders vorgestellt. Mit drei Punkten aus vier Begegnungen sieht es zwar nicht ganz so düster aus wie in Hamburg - aber die Tordifferenz! Mit einer Trefferbilanz von 0:3 hat sich die Elf von Trainer Huub Stevens bereits den so manchen Spott der Journalisten eingefangen.
Da ist die Rede von Stevens’ berühmten Satz „Die Null muss stehen“ – nur bitte nicht vorne. Auch „Nullingern“ werden die Kicker aus der Hauptstadt in den letzten Tagen gerne genannt. Doch war das abzusehen? Waren die Erwartungen nicht viel höher?
Man schlug extra neue Wege ein, um den Erfolg wieder ins Berliner Olympiastadion zu holen. Die Idee der ständigen Teamverjüngung wurde über Bord geworfen und mit Bobic, Wichniarek und Kovac drei gestandene Profis an die Spree gelockt. Das Ergebnis allerdings ist erschreckend.
Auch Huub Stevens bekommt das zunehmend zu spüren und steht bereits nach vier Spieltagen enorm in der Kritik. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Übungsleiter auf Fragen nach der Trefferausbeute seines Teams mitunter äußerst gereizt reagiert. So fragte er die Journalisten, ob er nun nichts mehr essen oder trinken solle, um die Troflaute seiner Kicker zu beheben. Doch eines ist klar: das ist sicherlich keine Lösung.
Wo liegen die Gründe? Klar ist ein Spieler vom Format eines Marcelinho nur schwer zu ersetzen. Aber kann es allen Ernstes sein, dass sich eine ambitionierte Bundesligamannschaft wie Hertha BSC so sehr in die Anhängigkeit eines einzelnen Spielers begibt? Nein! Denn das wäre mehr als verantwortungslos – von den Offiziellen wie vom Trainer.
Jetzt sind Charaktere wie Dick van Burik gefragt: Spieler, die eine Mannschaft führen und auch andere mit in die Verantwortung ziehen können. Auch Fredi Bobic und Niko Kovac müssen nun Farbe bekennen.
Punkte und vor allem Tore müssen her – egal wie. Treffer müssen nicht schön herausgespielt sein, Hauptsache das Leder überquert die Torlinie. Und genau das ist es, was Hertha braucht. Wie lautet ein bekannter Fußballspruch: Wenn man kein Glück hat, muss man es eben erzwingen. Deshalb der einfache Rat an die Hertha-Spieler: Nicht hinter der Verletzung von Spielmacher Marcelinho verstecken, sondern Ärmel hochkrempeln und es selber richten.
Michael Müller
Quelle: ntv.de