Spionage-Affäre Nur zwei frustrierte Mitarbeiter?
06.07.2007, 10:09 UhrIn den Spionagefall um die Titelrivalen Ferrari und McLaren-Mercedes soll auch Honda verwickelt sein. Medienberichten zufolge, sollen sich der von Ferrari bereits entlassene Ex-Chefmechaniker Nigel Stepney und der ebenfalls involvierte frühere McLaren-Chefdesigner Mike Coughlan mit Vertretern des japanischen Formel-1-Rennstalls in London getroffen haben. Dabei sollen sie geheimes Material angeboten haben, berichtet das Fachmagazin "auto, motor und sport" auf seiner Homepage. Die beiden Briten hofften auf eine leitende Position bei Honda. Das im britischen Brackley angesiedelte Team lehnte aber eine Zusammenarbeit ab.
Nach den Angaben ist McLaren-Mercedes vom Vorwurf entlastet worden, das Team habe von den geheimen Ferrari- Informationen profitiert, die Stepney an Coughlan übergeben hatte. Zudem soll Jonathan Neale, der Technische Direktor von McLaren, Coughlan aufgefordert haben, die Dokumente umgehend zu vernichten, nachdem sein Mitarbeiter ihn über den Besitz informiert hatte.
So erscheint die Affäre mehr und mehr ein Fall zweier frustrierter Mitarbeiter zu sein, die gemeinsame Sache machen wollten. Stepney hatte bei Ferrari gehofft, die Nachfolge des in diesem Jahr pausierenden Technischen Direktors Ross Brawn antreten zu können. Coughlan soll immer noch eine leitende Position bei McLaren gehabt haben, war aber nicht mehr maßgeblich für das Design zuständig.
Stepney stundenlang verhört
Der 48-jährige Stepney wurde am Donnerstagabend in Modena etwa drei Stunden lang von der Polizei verhört. Die italienischen Justizbehörden hätten ihm mitgeteilt, dass ein Verfahren gegen ihn eröffnet worden sei, berichtete die Turiner Zeitung "La Stampa". Die Anwälte beteuerten die Unschuld ihres Mandanten: "Herr Stepney hat auf die Fragen (der Justiz) geantwortet und sein Erstaunen über die Vorwürfe geäußert. Er wird seine Unschuld beweisen."
Zuvor war die Villa des Mechanikers zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage durchsucht worden. Die Behörden hätten Ordner sowie Computerdaten sichergestellt. Stepney sei am Donnerstag aus den Ferien auf den Philippinen nach Italien zurückgekehrt, hieß es.
700 Seiten Dokumente
Ferrari wirft Stepney neben der versuchten Sabotage der Rennautos kurz vor dem Grand Prix in Monte Carlo vor, Ende April geheime Unterlagen weitergeleitet zu haben. Im Haus seines alten Bekannten Coughlan, mit dem er bei Lotus, Benetton und Ferrari zusammengearbeitet hatte, sollen rund 700 Seiten Dokumente gefunden worden sein. Stepney wurde von Ferrari entlassen, Coughlan von McLaren suspendiert.
Auch wenn McLaren-Mercedes bei der Eröffnung seines neuen Motorhomes im Fahrerlager am Donnerstag unbeabsichtigt ironischerweise einen Wein mit dem Namen "Spy Valley" ("Tal der Spione") servierte, ist bei den Silbernen wegen der Affäre niemandem zum Lachen zumute. "Es ist absolut ausgeschlossen, dass bei uns etwas Unkorrektes passiert", sagte Teamchef Ron Dennis mit stockender Stimme. "Persönliche Integrität ist für mich wichtig, aber noch wichtiger ist die Integrität meiner Firma."
Die technischen Kommissare des Internationalen Automobilverbandes FIA haben unterdessen von Ferrari eine Liste von technischen Zeichnungen erhalten. FIA-Rennleiter Charlie Whiting und McLaren- Chefingenieur Paddy Lowe verglichen, ob am McLaren MP4-22 irgendein Detail vom Ferrari F2007 kopiert worden ist. Ein Zusammenhang zwischen der Übergabe der Unterlagen von Stepney an Coughlan und der Siegesserie der Silberpfeile im Mai und Juni kann ohnehin nicht hergestellt werden. Eine Umsetzung von Ideen ist in der Kürze der Zeit nicht möglich.
von Claas Hennig, dpa
Quelle: ntv.de