Sport

Ratlosigkeit nach Fall Rafinha Olympia-Streit eskaliert

Der erste Bundesligaprofi hat die Hilflosigkeit seines Arbeitgebers im Konflikt um die Abstellungen für das olympische Fußball-Turnier eiskalt ausgenutzt. Verteidiger Rafinha missachtete das Peking-Verbot seines Klubs Schalke 04 und erschien am Morgen einfach nicht zur Abreise der Königsblauen zum Trainingslager im österreichischen Stegersbach. Stattdessen wird er am Dienstag zum Treffpunkt der brasilianischen Olympiamannschaft in Paris reisen.

Möglicherweise trat der Brasilianer damit eine Lawine los: Denn auch beim Hamburger SV (Vincent Kompany), Hertha BSC Berlin (u. a. Marko Pantelic) und Werder Bremen (Diego) gibt es Fußballer, die gegen den Willen ihrer Klubs gern das Olympische Turnier bestreiten möchten.

Rechtsfreier Raum für Klubs

"Ich habe mit Rafinha am Sonntagabend noch einmal telefoniert und ihm eindringlich gesagt, dass sich an unserer Haltung in dieser Sache nichts geändert hat und wir ihn am Montag zur Abfahrt erwarten. Er hat mir da schon mitgeteilt, dass er nicht zum Treffpunkt erscheinen und mit ins Trainingslager fahren wird", sagte Schalkes Manager Andreas Müller zum Verhalten des 22 Jahre alten Abwehrspielers.

Müller gestand offen ein, dass der Klub sich in dieser Frage wie auch die anderen betroffenen Vereine in einem quasi rechtsfreien Raum befindet. "Wir hätten uns dabei von der FIFA eine einheitliche Sprachregelung gewünscht, damit die Diskussion um Abstellungspflicht gar nicht erst aufkommt", sagte Müller.

Fristlose Kündigung möglich

Fest steht: Arbeitsrechtlich hat sich der Schalke-Profi auf dünnes Eis begeben. "Der Spieler muss an seinem Arbeitsplatz erscheinen. Wenn nicht, kann er fristlos gekündigt werden. Vielleicht wird er zuvor noch eine Abmahnung erhalten, damit ihm auch der Ernst der Lage deutlich wird", sagte der renommierte Bundesliga-Anwalt Christoph Schickhardt zu dem brisanten Fall. Für die Olympia-Teilnahme hätte sich Rafinha Urlaub nehmen müssen, den er aber in der wichtigen Phase der Vorbereitung nicht bekommen hätte.

Der Streit über diese Frage ist nach Äußerungen des Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, am Wochenende erst richtig entbrannt. Rogge hatte mit Bezug auf die FIFA-Regularien erklärt, dass Spieler unter 23 Jahren, denen der Klub die Freigabe für Olympia verweigert, während der Spiele in Peking für die Liga gesperrt werden.

Dem widersprechen jedoch die nationalen Fachverbände und auch der Fußball-Weltverband. FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke sorgte am Sonntagabend in einem Telefonat mit dem Generalsekretär des Deutschen Fußball- Bundes (DFB), Wolfgang Niersbach, angeblich für Klarheit. "Es besteht keine Verpflichtung, Spieler abzustellen, egal ob unter oder über 23 Jahre", teilte Niersbach der "Sport-Bild" mit.

DFB und DFL sollen helfen

Hilfe durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) erhofft sich auch Andreas Müller. "Wir werden auch den DFB und die DFL einschalten und fragen, welche Unterstützung man uns in dem Fall geben kann", sagte Müller. DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus will prüfen lassen, ob man Spieler, die ohne Zustimmung ihrer Vereine nach Peking reisen, für das olympische Turnier sperren lassen kann.

Bislang weiß man bei Schalke noch nicht so recht, wie man mit Rafinhas beispiellosem Verhalten umgehen soll. "Er ist unser Spieler und hat noch einen langfristigen Vertrag. Und es ist zum ersten Mal vorgekommen, dass ein Spieler eigenmächtig eine Entscheidung gegen die Forderung des Klubs fällt. Das hat auch eine andere Qualität als wenn einer zwei Tage zu spät zum Training kommt", sagte Müller. Rafinha steht bei den Königsblauen noch bis 2010 unter Vertrag.

Djakba verzichtet auf Teilnahme

Eine Geldstrafe wird der Brasilianer wohl in jedem Fall in Kauf nehmen müssen. Ob es auch so etwas wie eine Abmahnung gibt, ist nicht klar. Schließlich ist Rafinha auf seiner Position im rechten Abwehrbereich derzeit nahezu konkurrenzlos. Müller: "Das Thema ist sehr sensibel. Ich werde mich mit meinen Vorstandskollegen Josef Schnusenberg und Peter Peters absprechen, wie es weiter geht."

Möglicherweise werden auf Bremen im Fall Diego, Berlin im Fall Pantelic oder Hamburg im Fall Kompany ähnliche Alleingänge zukommen. Bislang pocht Hertha-Manager Dieter Hoeneß jedoch darauf, dass es keine Abstellungspflicht gibt: "Es bleibt dabei, er fährt nicht."

Dass es auch anders geht, zeigte das Beispiel Bayer Leverkusen und Constant Djakpa. Der 21-Jährige verzichtete angesichts der personellen Lage beim Werksklub freiwillig auf eine Olympiateilnahme mit der Elfenbeinküste.

Quelle: ntv.de

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