Surfer sind 22 Flugstunden weg Olympische Spiele in Paris bedrohen ein Korallenriff vor Tahiti
27.10.2023, 11:50 Uhr
Die Wellen vor Teahupoo gehören zu den besten der Welt.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Wenn die Olympischen Spiele in Paris eröffnet werden, sind die Surfer ganz weit weg. Sie bestreiten ihre Wettbewerbe vor Tahiti. Glücklich ist man dort, an einem der besten Surfspots der Welt, aber nicht darüber. Der Bau eines Turms für Punktrichter sorgt für großen Ärger.
Das Spektakel, die Gefahr und die Gier nach imposanten Bildern surft immer mit. Der Wassersport ist darauf ausgelegt - und das soll bei den Olympischen Spielen 2024 nicht anders sein. Diese finden in Paris statt - die Surfer allerdings sind am anderen Ende der Welt mit ihrem Kampf um Medaillen beschäftigt: auf Tahiti, im Überseegebiet Französisch-Polynesien, 22 Flugstunden von Paris entfernt. Und genau da regt sich der Widerstand. Es geht die Angst um, dass ein Korallenriff zerstört wird.
Der geplante Bau eines Aluminiumturms für Punktrichter sorgt gut neun Monate vor den Wettkämpfen für Ärger. Für eine Petition gegen die Errichtung der 14 Meter hohen Konstruktion im Meer wurden bereits mehr als 70.000 Unterschriften gesammelt. "Sobald sie anfangen, die Korallen zu zerstören, müssen wir einschreiten", wird Milton Parker, Vizepräsident der Atihau Association, einer lokalen Denkmalschutzorganisation, von der Nachrichtenagentur AFP zitiert. Er habe der Regierung mitgeteilt, dass es unmöglich sei, den Turm so zu errichten, dass Schäden ausblieben. "Das wird eine Katastrophe", prophezeit Parker. Korallenriffe seien "empfindliche Ökosysteme, und jedes Bauwerk, das auf ihnen oder in ihrer Nähe errichtet wird, kann das Riff schädigen", erklärte Meeresgeologe Sam Purkis dem "Guardian".
Mehrere Hundert Menschen haben sich daher kürzlich in der Nähe des Dorfes Teahupoo - einem der berühmtesten Surfspots der Welt und dem designierten Olympia-Wettkampfort 2024 - einem friedlichen Protest angeschlossen. "Das Meer und die Lagune sind die wertvollsten Orte, die wir hier haben", schrieb der tahitianische Surfer Matahi Drollet bei Instagram. "Hierher kommt unser Essen, hier spielen wir, hier verbringen wir die meiste Zeit und hier haben wir die perfekteste Welle der Welt."
Bestehender Holzturm reicht nicht aus
Der Präsident von Französisch-Polynesien, Moetai Brotherson, besuchte am vergangenen Samstag das nahe gelegene Dorf Toahutu mit dem Anliegen, Bedenken zu zerstreuen. "Die Bohrungen werden natürlich laut sein und es wird Sand freigesetzt werden, aber all das wird eingedämmt und gesäubert werden", zitierten ihn lokale Medien: "Danach wird sich die Natur wieder erholen."
Vor Teahupoo steht bereits seit 20 Jahren ein Turm aus Holz, der laut "Dive Magazine" auch für Surfwettbewerbe wie die World Surf League genutzt wird. Doch dieser entspreche nicht den Sicherheitsstandards, so Tony Estanguet, der Organisationschef der Olympischen Spiele 2024 in Paris. Daher soll er ersetzt werden, bis zu 40 Menschen sollen auf dem neuen Aluminiumturm Platz finden. Dieser soll rund 4,4 Millionen Euro kosten. Geplant sind drei Stockwerke, ein klimatisierter Technikraum für Internetserver mit Stromversorgung über ein Unterseekabel sowie eine Toilette mit Entwässerungssystem sollen unter anderem enthalten sein. Drollet und andere internationale Surfer halten das für übertrieben. "Lasst das Geld nicht die Natur erobern", kommentierte etwa der aktuelle Weltmeister Filipe Toledo Drollets Instagram-Video.
Estanguet ist derweil bemüht, die wachsende Unruhe zu zerstreuen. "Dieses Projekt kann noch verändert werden, um noch besser auf die Belange der Bevölkerung vor Ort einzugehen. Wir wollen diesen Standort unbedingt erhalten", sagte er bei einer Olympia-Veranstaltung.
Immer mal wieder ausgelagerte Sportarten
Es wird nicht das erste Mal sein, dass einzelne Wettbewerbe abseits der Hauptorte stattfinden. In Paris ist es mit dem Surfen logischerweise mau. Genauso wie bei den Spielen 1972 in München, als die Segler nicht etwa auf die Welle am Eisbach, sondern vielmehr an die Küste nach Kiel geschickt wurden, ist Surfen, das in Tokio erstmals olympisch war, ausgelagert. Auch weitere Sportarten finden nicht in Paris statt - allerdings innerhalb Frankreichs: die Segler in Marseille, die Fußballer ebenfalls dort im Süden sowie in Nizza, St.-Etienne, Lyon, Bordeaux, Nantes und Lille. Im Norden werden auch die Finals der Handballer stattfinden.
1956 gab es bei den Olympischen Spielen in Melbourne so große Streitigkeiten mit den australischen Quarantänebestimmungen, dass die Pferdesportler gar ihre eigenen Reiterspiele in Stockholm veranstalteten. Auch bei den Winterspielen 2026 werden die Bob- und Rodelsportler ausquartiert, da kein Eiskanal in Cortina d'Ampezzo gebaut werden wird. Sie ziehen vermutlich nach Innsbruck auf die altbewährte Eisbahn um. Auch dagegen regt sich lauter Widerstand - umweltschädlich ist es allerdings nicht.
Quelle: ntv.de, ara/sid