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Neuer Korruptionsverdacht Radsport kommt nicht zur Ruhe

Der Radsport-Weltverband UCI steht wieder in der Kritik – weil fünf Fahrer mit auffälligen Blut- und Urinwerten nicht gesperrt wurden. Das erhärtet den Verdacht, dass der Verband Doper schützt - oder sich diese freikaufen können, wie es Lance Armstrong getan haben soll.

UCI-Boss Pat McQuaid wird das Dauerthema Doping nicht los, weil sein Verband nicht konsequent dagegen vorgeht.

UCI-Boss Pat McQuaid wird das Dauerthema Doping nicht los, weil sein Verband nicht konsequent dagegen vorgeht.

(Foto: REUTERS)

Der Radsport-Weltverband UCI befindet sich mal wieder in Erklärungsnot: Neben den ominösen Geldspenden des mutmaßlichen Dauerdopers Lance Armstrong sieht sich die UCI nun dem Vorwurf ausgesetzt, fünf Fahrer trotz auffälliger Blutwerte nicht gesperrt zu haben. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" (WSJ) hat die UCI im Dezember 2009 eine Liste mit acht Namen erhalten, deren Biologischer Pass Unregelmäßigkeiten aufwies. Bisher wurden allerdings lediglich der Italiener Franco Pellizotti, der Slowene Tadej Valjavec und der Spanier Jesus Rosendo suspendiert.

Nach Informationen des "WSJ" haben deshalb zwei Mitglieder des neunköpfigen Ärzte-Gremiums, das das Blutpass-Programm der UCI betreut, den Verdacht geäußert, die UCI würde bestimmte Fahrer schützen. Der Freiburger Mediziner Olaf Schumacher, der ebenfalls im Gremium sitzt, hat allerdings keine Bedenken. Er sagte der Zeitung: "Ich hatte nie das Gefühl, dass etwas verschleiert werden sollte."

WADA will Einsicht in den Blutpass

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) will dennoch künftig Einsicht in die mit dem Biologischen Pass gesammelten Daten erhalten. In den vergangenen drei Wochen seien entsprechende Maßnahmen eingeleitet worden. "Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass das System nicht umgangen wird. Wir haben das Recht einzugreifen, wenn wir denken, dass Fälle nicht ordnungsgemäß verfolgt werden", sagte WADA-Direktor David Howman der Zeitung. Laut "WSJ" hat die WADA habe in den letzten Monaten mehrere Beschwerden von anderen Anti-Doping-Organisationen erhalten, dass die UCI das Blutpass-Programm nicht mit der nötigen Konsequenz verfolgt.

Indiz für den laschen Anti-Doping-Kampf ist auch, dass lediglich für Pellizotti von Italiens Olympia-Komitee CONI eine Sperre über zwei Jahre beantragt worden ist. Valjavec wurde von Sloweniens Anti-Doping-Agentur freigesprochen, Rosendo fährt derzeit munter bei der Portugal-Rundfahrt. Die fünf anderen, bislang ungeahndeten Fälle wurden laut McQuaid nicht verworfen, sondern nur noch nicht abgeschlossen. Detaillierte Angaben, etwa zur Art der Auffälligkeiten oder zu den verdächtigten Fahrern, machte der UCI-Boss aus Vertraulichkeitsgründen nicht.

Die Daten des Biologischen Passes seien bisher nicht an die WADA weitergeleitet worden, weil dazu keine Pflicht bestand. "Ich wehre mich gegen Behauptungen, dass wir Betrüger nicht konsequent genug verfolgen", sagte McQuaid. Der Ire verwies darauf, dass auch der Radsport das Recht auf Selbstkontrolle habe.

Zweifelhafte Selbstkontrolle

Allerdings hat eben diese Selbstkontrolle den Verband in der Vergangenheit immer wieder in die Bredouille gebracht. Zuletzt musste McQuaid nach zunehmendem Druck einräumen, dass Armstrong der UCI in den Jahren 2002 und 2005 insgesamt 125.000 Dollar gespendet hatte. Diese Überweisungen an die eigene Kontrollinstanz werden auch Jeff Novitzky interessieren, der gegen Armstrong wegen Betrugs und Verschwörung ermittelt.

Großspender unter Dopingverdacht: Lance Armstrong hat dem Radsport-Weltverband viel Geld gespendet - offen ist, wann und wofür.

Großspender unter Dopingverdacht: Lance Armstrong hat dem Radsport-Weltverband viel Geld gespendet - offen ist, wann und wofür.

(Foto: dpa)

Zumal sich die UCI bislang permanent selbst widerspricht, wann genau die Gelder an den Radsport-Weltverband geflossen sind – 2005, als nach Armstrongs Rücktritt in mehreren nachgetesteten Dopingproben aus dem Jahr 1999 Epo gefunden wurde? Oder doch erst Mitte 2006, als sich die UCI just dazu entschloss, Armstrong mit einer zweifelhaften Begründung vom Epo-Missbrauch freizusprechen? Oder nicht vielleicht doch 2007, wie McQuaid neuerdings behauptet?

Offene Korruptionsvorwürfe

Der frühere Tour-Sieger Greg LeMond gibt nichts auf die Erklärungen, er spricht offen von Korruption im Radsport. In der "Süddeutschen Zeitung" sagte der US-Amerikaner: "Schweigen, zahlen, es ist ja fast wie bei der Mafia." Floyd Landis, der seinen früheren Teamkollegen Armstrong des Dauerdopings beschuldigt, bezeichnet die Spende als "finanzielle Abmachung" mit dem früheren UCI-Boss Hein Verbruggen, um positive Dopingtests zu vertuschen.

Der frühere Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer mutmaßt inzwischen, ob es im Radsport nicht vielleicht doch einen "Inkassoschutz" für Doper gibt: "Ich habe kein gutes Gefühl dabei, wenn ein Athlet der UCI, die ja seine Kontrollinstanz ist, Geld spendet." Martial Saugy, der Chef des Anti-Doping-Labors in Lausanne, stellte in der "Süddeutschen Zeitung" klar: "Etwas anzunehmen von jemanden, der durch uns getestet wird, das würde Korruption bedeuten."

Quelle: ntv.de, cwo/sid

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