Heimliche Länderspiel-Sieger Roter Teppich für die Rebellen
20.11.2008, 12:01 UhrDie Verlierer schlichen mit hängenden Köpfen vom Platz, die heimlichen Sieger Michael Ballack und Torsten Frings saßen erhobenen Hauptes auf der Couch: Nachdem die deutsche Fußball-Nationalmannschaft dem Berliner Fluch einmal mehr erlegen war und den Abschluss des EM-Jahres 2008 ordentlich verpatzt hatte, rollte Bundestrainer Jogi Löw seinen reuigen Rebellen Ballack und Frings mit Blick auf die WM 2010 den roten Teppich aus.
"Beide sind nicht erst seit heute wichtige Spieler für uns, das steht außer Frage. Michael Ballack ist Kapitän und schon lange mit dabei. Und auch bei Torsten Frings habe ich immer betont, dass er, wenn er körperlich topfit ist und seine Form erreicht, auf dem Weg zur WM 2010 ein ganz wichtiger Spieler für uns ist", sagte Löw nach der verdienten 1:2 (0:1)-Niederlage beim Länderspiel-Klassiker gegen England am Mittwoch in Berlin.
Ohne die Routiniers
Ohne Ballack und Frings sowie dem beim Jahresausklang gegen England ebenfalls geschonten Phillip Lahm war auch die englische B-Elf zu stark für den Vizeeuropameister. Bei der verdienten Pleite gegen die Three Lions wurde deutlich, dass die drei Führungsspieler sportlich noch nicht zu ersetzen sind.
"Es ist wirklich schwer für uns, wenn wichtige Spieler nicht dabei sind. Zweifellos sind Ballack und Frings wichtige Spieler, sonst hätte Joachim Löw nicht gesagt, dass sie weiter zum Kader gehören", sagte auch Teammanager Oliver Bierhoff nachdem die deutsche Mannschaft auch im achten Aufeinandertreffen gegen das Fußball-Mutterland in Berlin sieglos geblieben war.
Der Stachel der Enttäuschung saß bei der sportlichen Leitung tief, auch wenn Löw mit Blick auf die insgesamt positive Bilanz des Jahres 2008 mit elf Siegen, zwei Unentschieden und drei Niederlagen gute Miene zum bösen Spiel machte.
"Insgesamt bewerte ich das vergangene Jahr äußerst positiv. Wir sind Vizeeuropameister und führen in der WM-Qualifikation unsere Gruppe an. Zudem haben wir wieder einige Spieler an die Mannschaft herangeführt, so dass die Auswahl immer größer wird. Dass so ein Prozess nicht von heute auf morgen, sondern manchmal über Monate oder Jahre geht, ist völlig normal", meinte der 48-Jährige.
Jones kann nicht punkten
In Abwesenheit von Ballack und Frings fehlten Jermaine Jones und Simon Rolfes im zentralen Mittelfeld die zündenden Ideen, das nötige Tempo und vor allem die Passgenauigkeit im Spiel nach vorne. Der Schalker und der Leverkusener bekamen die schnellen Engländer nie unter Kontrolle, auch nach vorne strahlten Jones und Rolfes keinerlei Gefahr aus.
Folgerichtig musste der hochgewettete Jones bereits zur Pause in der Kabine bleiben. "In der Zentrale waren wir gegen die Engländer nicht ganz so präsent, weil wir in dieser Zusammensetzung noch nie gespielt haben", meinte Löw, der in naher Zukunft an Ballack und Frings wohl nicht vorbeikommt.
Denn taktisch, technisch und vor allem in Sachen Schnelligkeit war in der ersten Halbzeit ein Klassenunterschied zwischen den arg dezimierten Engländern und der DFB-Auswahl festzustellen. In der Innenverteidigung patzte zudem Heiko Westermann mehrfach, im Angriff blieben Miroslav Klose und Mario Gomez harmlos und auch Torwart Rene Adler erwischte nicht seinen besten Tag.
Kleine Lichtblicke
Die knapp 75.000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion beschlich wie auch Löw bereits nach dem 0:1 durch Verteidiger Matthew Upson (24.) das Gefühl, dass gegen das Team von Teammanager Fabio Capello am Mittwoch nichts zu holen war. Zwar glich der in der zweiten Halbzeit eingewechselte Patrick Helmes mit seinem ersten Länderspieltor zwischenzeitlich aus (63.), doch Chelsea-Star John Terry sorgte mit seinem Siegtreffer (84.) dafür, dass sein Teamkollege Ballack nach Spielschluss bei der Nationalmannschaft wieder in aller Munde war.
"Wenn uns gegen die Engländer in dieser Formation nichts gelingt, dann ist es klar, dass jetzt wieder nach Ballack und Frings gefragt wird", meinte Piotr Trochowski, der blass geblieben war. Auch der Münchner Bastian Schweinsteiger füllte die Rolle des Anführers im Mittelfeld im zweiten Durchgang nur ungenügend aus.
Für Stirnrunzeln sorgte zudem die umstrittene Maßnahme von Löw, den in Hoffenheim zuletzt nur als Innenverteidiger in Erscheinung getretenen Marvin Compper bei seinem Länderspiel-Debüt auf die linke Verteidiger-Position zu stellen. Der 23-Jährige wirkte über weite Strecken überfordert. Dagegen ließen zumindest der spät eingewechselte Marcel Schäfer und insbesondere Keeper Tim Wiese bei ihren ersten Auftritten in der Nationalmannschaft aufhorchen. Die Leistungen von Schäfer und Wiese blieben am Ende eines verregneten Fußball-Abends aus deutscher Sicht aber die einzigen Lichtblicke. Auf Löw und Co. wartet im kommenden Jahr noch viel Arbeit.
Quelle: ntv.de