Angstattacke bei Paralympicsstar Semechin "quält" sich durch "Hölle" für WM-Titel
30.07.2023, 07:18 Uhr
Elena Semechin erreichte trotz laufender Chemotherapie den 2. Platz der Para-Schwimm-WM 2022.
(Foto: Marcus Brandt/dpa)
Schwimmerin Elena Semechin will bei der Para-WM in Manchester den Titel - trotz aller Schmerzen und Widrigkeiten nach abgeschlossener Chemotherapie. Jeder Tag sei eine Qual, zuletzt bringt sie eine Angstattacke aus der Fassung. Doch "das Feuer" in ihr siegt.
Elena Semechin weinte bitterlich. Eine plötzliche Angstattacke beim Training in Spanien brachte die Paralympicssiegerin völlig aus der Fassung. "Da ging nichts mehr. Ich war in einem labilen Zustand. Da kam zum ersten Mal die Sorge, die Angst, ich könnte wieder Krebs haben. Es ist ein Auf und Ab", erzählt Semechin und fügt mit einem Lächeln an: "Aber jetzt geht es mir wieder besser als letzte Woche."
Nachdem der sehbehinderten Schwimmerin im November 2021 ein Gehirntumor entfernt worden war, schloss sie im Februar den 13. und letzten Zyklus einer Chemotherapie ab. Semechin weiß, dass der Tumor trotzdem zurückkommen wird. Das sei "Fakt", sagt sie tapfer, ändert aber nichts an ihren hohen Zielen, auch bei den anstehenden Para-Weltmeisterschaften in Manchester (31. Juli bis 6. August): "Ich möchte immer die Beste sein, das war vor dem Krebs so und ist jetzt immer noch so."
Dafür stehe sie "jeden Tag auf und quäle mich", sagt Semechin. Es ist ein Kampf gegen das Schicksal und die Schmerzen, wie auch im Höhentrainingslager in der Sierra Nevada. Im April beim ersten Versuch auf 2300 Meter habe das "gut geklappt", sagt Semechin, aber diesmal sei es "die Hölle" gewesen, "mental und körperlich".
"Körper nicht mehr wie früher"
Sie merke einfach, dass durch die Chemo "der Körper nicht mehr so funktioniert wie früher. Als Sportler musst du immer über die Grenzen hinaus, aber gerade mit dem Hintergedanken, ich habe Krebs, ist das nicht so einfach", betont die Athletin aus Berlin, die im vergangenen Jahr Vizeweltmeisterin wurde - zwischen zwei Chemophasen.
Jammern ist nicht das Ding der Paralympicssiegerin von Tokio und zweimaligen Weltmeisterin. Sie genieße jetzt ihr Leben "noch mehr als vor dem Krebs. Ich bin total dankbar und schätze, was ich erleben darf. Ich nehme Dinge intensiver wahr", sagt Elena Semechin, geborene Krawzow. Zuletzt wagte sie einen Fallschirmsprung. "Das war toll und möchte ich noch mal machen." Nach der WM ist zudem der Besuch eines Festivals geplant.
Sportlich sind bei Semechin nach den Titelkämpfen in Manchester, wo sie am Donnerstag auf ihrer Paradestrecke über 100 Meter Brust auf Goldjagd geht, die Paralympics 2024 in Paris "das klare Ziel". Sie spricht angesichts ihrer dramatischen Krankheitsgeschichte von einer "krassen Ausgangsposition", aber sie freue sich "unfassbar. Das ist auch wieder eine Challenge mit dem Krebs und nach dem Krebs".
Sie frage sich jetzt schon, so Semechin: "Wie wird das sein? Was kann ich in diesem Zustand erreichen? Aber das kitzelt mich. Ich habe das Feuer in mir, dass ich sage, ich möchte dafür kämpfen." Selbst kurzzeitige Angstattacken können Elena Semechin auf ihrem beeindruckenden Weg nicht aufhalten.
Quelle: ntv.de, dbe/sid