Sport

Radsport "wie ein Selbstmörder" Sponsoren springen ab

Das Feld der potenten Radsport-Sponsoren lichtet sich. Das US-Team Discovery-Channel, Crdit Agricole aus Frankreich und die deutsche Zweitliga-Mannschaft Wiesenhof haben aus der tief greifenden Krise der Branche andere Schlüsse gezogen als T-Mobile. Die Mannschaften verschwinden zum Saisonende von der Bildfläche. Fahrer, Mechaniker, Betreuer stehen auf der Straße - ohne Rad. Gerolsteiner überlegt den Ausstieg 2009, Milram könnte schon 2008 nach nur zwei Jahren im brisanten Business die Segel streichen, Astana steht vor der Auflösung. Die Lage ist verfahren.

Zukunft in der Arbeitslosigkeit

"Schuld sind die weiter dopenden Profis und die Presse, die die Affären wochenlang ausschlachtet, ohne auf andere Sportarten zu schauen. In zwei, drei Jahren gibt es in Deutschland an der Spitze vielleicht nur noch T-Mobile mit vielleicht zehn einheimischen Topfahrern. Dann wird auch der Unterbau der Nachwuchsfahrer verschwinden", sagte Wiesenhof-Manager Jens Heppner und malte ein tristes Bild. Er hat nur noch sehr geringe Hoffnung, die drohende Arbeitslosigkeit für seine rund 35 Angestellten - unter ihnen Jan Ullrichs Bruder Stefan als Mechaniker - abzuwenden: "Ich habe mir schon Gedanken gemacht, in Zukunft außerhalb des Radsports tätig zu sein."

"Lebten jahrelang im Paradies - jetzt nicht mehr"

Nach dem verkündeten Aus für Discovery Channel drängt noch weitaus profilierteres Personal auf den Markt. "Das muss man sich mal vorstellen: Wir haben in den vergangenen neun Jahren acht Mal die Tour de France gewonnen und sind als Team nicht mehr vermittelbar. Wir lebten jahrelang im Paradies - jetzt nicht mehr", erklärte Teamchef Sean Yates bei der Deutschland-Tour. George Hincapie (USA), der Lance Armstrong erst bei US Postal, dann bei Discovery zu seinen Tour-Siegen pilotierte, ist schon seit Wochen bei T-Mobile im Gespräch.

Tour-Sieger kaum vermittelbar

Der frisch gebackene, allerdings wegen angeblicher Verwicklungen in die Fuentes-Affäre unter Umständen schwer an den Mann zu bringende Tour-Sieger Alberto Contador wird laut Yates bei der Jobsuche Mühe haben: "Sein Manager steht da vor einem Haufen Arbeit." Hans-Michael Holczer, Manager des Teams Gerolsteiner, würde Interessenten empfehlen, beim Zugriff auf den Discovery-Nachlass zuerst "die Blutwerte der Fahrer" abzufragen.

Funktionierende Team-Struktur, keine Affären

Sein Sponsor, der Mineralwasser-Hersteller aus der Vulkaneifel, will Anfang September entscheiden, wie es nach 2008 weiter geht. "Ich glaube, die Entscheidung des Konzerns, der einen Jahresumsatz in der Höhe des gesamten Werbetats von T-Mobile hat, steht noch nicht fest. Verantwortlich dafür werden weniger die Doping-Problematik als vielmehr die wirtschaftlichen Faktoren sein", sagte Holczer, der für den Fall der Fälle "noch keine spruchreifen Alternativen in der Schublade" hat. Er habe sicherheitshalber bisher nur "lose Kontakte" geknüpft.

Holczer hätte, wenn sein Sponsor nicht mehr will, ein Qualitäts-Produkt anzubieten: "Fahrer auf höchstem Niveau, eine funktionierende Team-Struktur, keine Affären." Alles für einen Jahresetat von rund acht Millionen Euro zu erstehen. Holczer: Vielleicht ein bisschen mehr, weil erste Liga immer etwas teurer ist." Den Wert aller 20 ProTour-Teams taxierte der ehemalige Mathematik-Lehrer auf 189 Millionen Euro. Der Fall Discovery ist für Holczer nur der beste Beweis seiner These, dass sich der Radsport "benimmt wie ein Selbstmörder, der sich der wirtschaftlichen Plattform beraubt".

Wieder etwas glaubwürdiger

Aber der Manager aus Herrenberg sieht durch die jetzt offensichtlich besser greifenden Doping-Kontrollen auch einen ganz zarten Silberstreif am Horizont: "Die Ereignisse der Tour de France haben unseren Sport wieder etwas glaubwürdiger gemacht."

Von Andreas Zellmer, dpa

Quelle: ntv.de

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