Hochgejubelt und tief gefallen Sport-Idole auf Abwegen
13.05.2008, 12:35 UhrSex-Skandal um Ronaldo, wilde Party-Nächte bei Ronaldinho, Prügel-Affäre von Dennis Rodman und Heroin-Vorwürfe gegen Ex-100-Meter-Weltrekordler Tim Montgomery - die Eskapaden gestrauchelter Sportstars häufen sich. Die jüngsten Exzesse der "großen Vier" sind für den Sportpsychologen Henning Haase von der Frankfurter Johann-Wolfgang-Goethe-Universität alarmierend. "Es ist zu einem ernsthaften Gesellschaftsproblem geworden, dass berühmte Persönlichkeiten mit den Folgen ihres schnellen Aufstiegs nicht zurecht kommen", bestätigt Haase, "die einen flüchten in den Alkohol, andere nehmen Drogen oder werden gewalttätig. Das dahinter stehende Muster ist aber dasselbe".
Junge Sportler seien schlichtweg überfordert, wenn sie so früh von der Öffentlichkeit in den Status eines "Superstars" gehoben werden. "Sie sind zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht auf das normale Leben eingestellt und werden durch ihre Prominenz verführt. Sie benehmen sich dann wie kleine Götter", erklärt Haase. Schon die ehemaligen Fußball-Nationalspieler Diego Maradonna (Drogenkonsum) und Paul Gascoigne sowie Ex-Skispringer Matti Nykänen (beide Alkoholprobleme) waren vom richtigen Weg abgedriftet.
Beispiel Ronaldinho: Der brasilianische Ballzauberer des FC Barcelona spielte zuletzt am 9.März. Seitdem ging es für ihn nur noch bergab: Formkrise, Stammplatzverlust, Übergewicht, dauerhafte Medienschelte, rätselhafte Verletzungen. Der ehemalige Weltfußballer des Jahres hat seine "Spielwiese" in die Discotheken verlegt. Statt Kunststücken auf dem Rasen tanzte er mit nacktem Oberkörper bis halb sechs Uhr morgens in einem Nachtclub. "Er wurde mehrfach beim Feiern erwischt", berichtet die Sportzeitung "Marca". Ein heftiger Karriereknick für den 28-Jährigen, der bei den Katalanen vor dem Aus steht.
Sein Weltmeister-Kollege Ronaldo geriet wegen eines Sexskandals mit Transvestiten in die Negativschlagzeilen. Der Stürmer des AC Mailand verlor daraufhin einen Millionen-Werbevertrag und seine Freundin. "Sein Verhalten entspricht nicht dem eines Rollenmodels, es ist einfach unmoralisch", schreibt die New York Times. Ronaldo selbst sieht sich als Opfer eines Erpressungsversuchs. Nach seiner Knieoperation droht ihm sogar das Karriereende.
"Bei Ronaldo ist es der Übermut, der ihn zu solchen Aktionen verleitet. Er ist nicht in der Lage zu reflektieren, wem er seinen Erfolg zu verdanken hat", sagt Haase. "In solchen Fällen fehlt es an der Gesamtpalette der sozialen Entwicklung und den nötigen Korrektiven", so Haase.
Im illustren Kreis der Sorgenkinder, die mit dem Gesetz schon mehrfach in Konflikt geraten sind, hat sich auch Basketball-Legende Dennis Rodman längst einen Stammplatz gesichert. Der 46-Jährige genießt sein "Bad-Boy"-Image in vollen Zügen. "Es ist ein Wunder, dass ich bei meinem Drogenkonsum das vergangene Jahrzehnt überlebt habe", sagt Rodman. Mehrfach geriet "the menace" (die Gefahr) ins Visier der Fahnder. Wegen Körperverletzung und Vergewaltigung stand er bereits vor Gericht. Erst vor wenigen Tagen soll er seine Frau im betrunkenen Zustand verprügelt haben. Seitdem hat er sich in ein Therapiezentrum begeben, um seine Alkoholsucht behandeln zu lassen.
Eine Haftstrafe von bis zu 46 Monaten droht sogar dem ehemaligen Sprintstar Tim Montgomery. Der zurückgetretene US-Amerikaner muss sich vor Gericht wegen Heroinhandel und Scheckbetrug verantworten. "Diese Sportler haben nicht gelernt, dass in der Gesellschaft andere Regeln als auf dem Sportplatz gelten", sagt Haase, der die Athleten aber auch in der Opfer-Rolle sieht. Vieles hänge von der richtigen Betreuung und Beratung ab, meint der Sportpsychologe.
"Die Fremdbestimmung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen", so Haase. Zudem sei der Druck auf die Sportler im Vergleich zu früheren Jahren enorm gestiegen. "Als 'Global-Player' in einem internationalen System tragen sie eine große Verantwortung, schielen aber häufig nur nach den süßen Früchten."
Von Jörn Polzin, dpa
Quelle: ntv.de