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Aber nur, wenn alles passt Stephan setzt aufs Halbfinale

Für die deutsche Mannschaft muss bei der Weltmeisterschaft in Kroatien das Halbfinale das Ziel sein. Sagt Daniel Stephan im Interview mit n-tv.de. Er sagt aber auch: Um das zu schaffen, muss es optimal laufen. Er muss es wissen. Schließlich ist er der Welthandballer des Jahres 1998 und als Sportlicher Leiter des Bundesligisten TBV Lemgo immer noch ganz nah dran am Geschehen. Und mit Michael Kraus spielt eine der Schlüsselfiguren beim TBV.

Kraftvoll: Daniel Stephan bei einem Länderspiel im Jahr 2003.

Kraftvoll: Daniel Stephan bei einem Länderspiel im Jahr 2003.

Er hat in 183 Spielen 590 Tore für Deutschland geworfen. 1998 wurde er zum Welthandballer des Jahres gewählt - als erster deutscher Spieler. Seit gut einem Jahr ist Daniel Stephan (35) Sportlicher Leiter des Bundesligisten TBV Lemgo.

Und damit immer noch ganz nah dran an der Nationalmannschaft. Schließlich spielt Michael Kraus, einer der wichtigsten Akteure im deutschen Team, für Lemgo. Wir sprachen mit Daniel Stephan über die Weltmeisterschaft in Kroatien, die für die deutsche Mannschaft am Samstag mit dem ersten Gruppenspiel gegen Russland (17.30 Uhr, live auf RTL) beginnt.

n-tv.de: Die Stimmung in der deutschen Mannschaft ist eher verhalten. Daher zu Beginn gleich die Frage, die sich alle Handballfreunde stellen, die aber auch am schwersten zu beantworten ist: Was kann die Mannschaft in Kroatien schaffen?

Daniel Stephan: Die Mannschaft muss sich Ziele stecken, und zwar auch hohe Ziele. Um es kurz zu machen: Wenn alles optimal läuft, kann sie das Halbfinale erreichen. Vom Endspiel zu sprechen ist vermessen.

Warum das? Immerhin ist Deutschland Titelverteidiger.

Heiner Brand, der Bundestrainer, hat einen Schnitt gemacht. Wir haben nicht mehr so viele erfahrene Spieler dabei. Wir haben eine gute erste Sechs, und wenn die funktioniert, haben wir die Chance, das Halbfinale zu erreichen. Aber realistisch gesehen kann man auch nicht von einer allzu großen Enttäuschung sprechen, wenn die Mannschaft das nicht schafft.

Ist der Druck, als Weltmeister anzutreten, besonders groß?

Das spielt keine Rolle, die Teams von 2007 und von heute sind nicht vergleichbar. Aber wir haben mit Vizeweltmeister Polen einen sicherlich starken Gegner in der Gruppe, in der Hauptrunde wartet wahrscheinlich der amtierende Europameister Dänemark. Wobei wir bei der Auslosung schon ein wenig Glück gehabt haben, das wir Spanien und Kroatien erst einmal aus dem Weg gehen. Die kommen frühestens im Halbfinale.


Abwehrchef Oliver Roggisch wird zitiert: "Wir haben nichts zu verlieren. Keiner rechnet mit uns." Ist das nicht ein wenig tief gestapelt?


In der Tat. Ich glaube, man muss da einen guten Mittelweg wählen. Bei Olympia sprachen alle nur von Gold, Gold, Gold. Das fand ich zu hoch gegriffen. Und jetzt versucht man es mit Understatement. Wir haben eine gute Mannschaft. Sicherlich nicht so gut wie Kroatien und Frankreich. Aber dahinter kommen Teams, mit denen wir auf Augenhöhe sind.

Wie wichtig ist das Auftaktspiel am Samstag gegen Russland?


Das ist so eine von den Mannschaften, die ich meine. Die müssen wir einfach besiegen, wenn wir ins Halbfinale kommen wollen. Auch Russland befindet sich im Umbruch. Linksaußen Kokscharow, der erfahrenste Spieler, ist nicht dabei. Der langjährige Diktator, Wladimir Maximov, der alles bestimmt hat in diesem Verband, ist nicht mehr Trainer. Sie haben talentierte, junge Spieler. Aber die deutsche Mannschaft muss den Anspruch haben, Russland zu schlagen.

Heißt das, es wird schon schwer, die Vorrunde zu überstehen?

Nein, das wäre wirklich eine ganz große Enttäuschung. Es ist sicherlich auch unbequem, gegen Mazedonien zu spielen. Aber: Wir müssen da selbstbewusst rangehen und mit möglichst vielen Punkten in die Hauptrunde einziehen.

Der Regisseur: Michael Kraus soll die Mannschaft führen.

Der Regisseur: Michael Kraus soll die Mannschaft führen.

Alle reden von Michael Kraus und davon, dass er wegen einer Zerrung an der Wade die ersten Spiele wohl nicht mitmachen kann. Klar, er spielt als Regisseur in der Mitte des Rückraums auf DER zentralen Position. Aber ist ein einzelner Spieler wirklich so wichtig?

Mimi Kraus hat individuell sehr starke Fähigkeiten. Er bestimmt die Taktik, die Spielzüge, und ist der verlängerte Arm des Trainers. Er muss die Mannschaft führen. Das hat er im letzten Jahr, auch bei uns in Lemgo, gut gelernt. Er hat einen großen Schritt nach vorne gemacht.

Da ist er ja bei Ihnen ganz gut aufgehoben. Schließlich ist Markus Baur, sein Vorgänger auf dieser Position, jetzt sein Trainer in Lemgo.

Im vergangen Jahr, als er von Frisch Auf Göppingen zu uns kam, hatte er ein paar Anpassungsprobleme, er war auch zum ersten Mal von der Familie weg. Das muss man bei einem jungen Spieler, jetzt 25 Jahre alt, auch verstehen. Aber in dieser Saison sind wir voll des Lobes. Er ist ja als Profi angestellt, das spiegelt sich auch in seinen Leistungen wider.

Ist es eigentlich ein Problem für ihn, dass er ständig mit Markus Baur verglichen wird? Schließlich hat der das deutsche Team vor zwei Jahren zum Titel geführt.

Am Anfang hat ihn das ein bisschen gewurmt. Aber man kann die beiden Spieler gar nicht vergleichen. Michael ist sehr explosiv, dynamisch, er macht Tempo. Markus Baur hatte spielerisch mehr Fähigkeiten, die Mannschaft zu führen.

Und wie kann man seinen möglichen Ausfall kompensieren?

An dieser Position im zentralen Rückraum zeigt sich das Problem der deutschen Mannschaft. Wir haben zwar mit Martin Strobel, der auch in Lemgo spielt, einen 22-Jährigen in der Hinterhand. Ein guter Mann. Aber: Er hat noch kein einziges großes internationales Turnier gespielt. Da kann man von ihm keine Wunderdinge erwarten. Deswegen ist es so wichtig, dass Michael Kraus möglichst schnell fit wird.

Womit wir wieder bei dem Problem wären, dass die sieben besten deutschen Spieler eine Mannschaft sein können, aber der zweite Anzug nicht ganz passt. Reicht das?

Man muss da differenzieren. Auf Linksaußen sind wir mit Torsten Jansen und Dominik Klein sehr gut besetzt. Klein hat zuletzt mit Kiel in der Champions League für Furore gesorgt. Die Torhüter Johannes Bitter, Carsten Lichtlein und Silvio Heinevetter sind überragend. Auf Rechtsaußen stehen zwei eher unerfahrene Spieler. Christian Sprenger ist die Erstbesetzung ? und spielt seine erste Weltmeisterschaft. Auch im Rückraum sind wir etwas dünn besiedelt, was die Erfahrung betrifft. Die erste Garnitur mit Pascal Hens, Michael Kraus und Holger Glandorf ist top. Für die zweite Reihe mit Lars Kaufmann, Martin Strobel und Michael Müller ist es das erste große Turnier.

Wie soll das gehen?

Das ist ein Risiko, ganz klar. Wir müssen versuchen, mehr aus dem Mannschaftsspiel zu kommen. Wenn das Gefüge stimmt, kann man einen jungen, unerfahrenen Spieler auch gut einsetzen.

Die Stimmung bei der WM vor zwei Jahren war fantastisch. Da musste der Handball sich nicht hinter dem Fußball verstecken. Was erwarten sie diesmal?

Man muss wirklich sagen, dass RTL als übertragender Sender sehr, sehr viel macht. Sie werden eine kleine neue Dimension im Handball einläuten. Nur: Der Erfolg der Übertragung und die Begeisterung der Zuschauer steht und fällt mit dem Erfolg der deutschen Mannschaft. Deswegen ist es um so wichtiger, dass wir dort weit kommen und packende Spiele zu liefern.

Quelle: ntv.de, Mit Daniel Stephan sprach Stefan Giannakoulis

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