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Die sechs Lehren der Darts-WM "There is only one Phil Taylor ... !"

"Pass auf, mein Junge ...": Phil Taylor wirft in seinem letzten Profimatch fast einen Neun-Darter. Am Ende gewinnt aber Newcomer Rob Cross das Finale.

"Pass auf, mein Junge ...": Phil Taylor wirft in seinem letzten Profimatch fast einen Neun-Darter. Am Ende gewinnt aber Newcomer Rob Cross das Finale.

(Foto: imago/PA Images)

Darts? Das ist kein Sport! Da stehen doch nur dicke Männer in bunten Shirts schwitzend vor einer Scheibe mit Zahlen und werfen Pfeile - sagen die einen. Darts? Das ist Sport! Das ist Spannung. Das ist Erlebnis. Das ist Party. Das ist eine einzige Riesensause, sagen die anderen. Wer hat nun recht? Sechs Dinge, die wir von dieser Darts-WM gelernt haben, sollen bei der Entscheidungsfindung helfen.

1. There is only one Phil Taylor!

Phil Taylor ist der Inbegriff des Darts-Sports. Der Engländer prägte über Jahrzehnte das Spiel. Er gewann 16 Weltmeistertitel und triumphierte bei weit mehr als 200 Turnieren. Taylor, Spielername "The Power", war mit seinem Spiel der Zeit voraus. Er trainierte als einer der Ersten professionell: acht und mehr Stunden am Tag. Dank Taylor gelang es dem Verband PDC auch, das Image des Darts vom reinen Pub-Zeitvertreib mit Alkohol und Zigaretten zum professionell betriebenen Sport zu verändern. Mittlerweile werden bei den jährlich stattfindenden PDC World Darts Championship umgerechnet mehr als zwei Millionen Euro an die Spieler ausgeschüttet - ein Verdienst des Ausnahmespielers Taylors.

Taylor schaffte das Kunststück, den WM-Titel acht Mal in Folge zu gewinnen, blieb dabei 44 WM-Partien ungeschlagen, von 1995 bis 2002. Danach gelang es ihm das Triple von 2004 bis 2006. 21 Mal stand Taylor bei der WM in einem Endspiel. Das sind die nackten Zahlen, die Taylor zur Darts-Legende gemacht haben. Wer es emotionaler will, schaut sich einfach Taylors Einmarsch bei der Darts-WM an. Wer bei diesem an den Boxsport angelehnten Ritual keine Gänsehaut bekommt, dem ist nicht mehr zu helfen.

2. Don't play the guy, play the board!

In der ersten Runde der Darts-WM traf der Deutsche Kevin Münch auf den zweifachen Weltmeister Adrian Lewis. Vom Papier her eine klare Sache: Lewis wird Münch ans Board nageln und problemlos in Runde zwei einziehen. Aber es kam anders: Ein aufs Triple äußerst treffsicherer Münch brachte Lewis in Bedrängnis. Der tat das, was man beim Darts unbedingt vermeiden sollte: Er verlor die Konzentration auf sich und sein Spiel. Im Darts-Deutsch: Er spielte nicht mehr das Dartboard. Er agierte nicht mehr, er reagierte auf das, was Münch ihm vorsetzte. Lewis fand nicht in sein Spiel. Er grübelte über seine Fehler, wurde immer unsicherer und Münch ging als absoluter Überraschungssieger vom Board und zog in die zweite Runde ein.

Lewis, vor der WM die Nummer sechs der Welt, war aber nicht das einzige Opfer hochfliegender Ambitionen. In der ersten Runde erwischte es mit Dave Chisnall, Mark Webster und James Wade drei weitere große, topgesetzte Namen des Darts-Sports. So wurde die WM früh eine Weltmeisterschaft der Überraschungen.

3. Triple is funny, Double makes the money!

Das Dartboard ist in Einfachfelder, Double- und Triple-Bereiche gegliedert. Da das Ziel des Spiels ist, möglichst schnell die Anfangspunktzahl von 501 auf 0 zu bringen, versuchen die Spieler zunächst möglichst viele Triple-Treffer zu erzielen. Bei drei Pfeilen pro Anwurf ist die maximal erreichbare Punktzahl 180. Am Ende muss der Spieler aber über ein Double-Feld die 0 erreichen. Solange ihm das nicht gelungen ist, hat er das Leg, den Satz oder eben auch das gesamte Spiel nicht gewonnen.

Es bringt daher nichts, wenn man als Spieler zwar 180er en Masse spielt, am Ende aber kein Double trifft. Die Trefferquote auf das Double, die möglichst bei über 50 Prozent liegen sollte, ist am Ende entscheidend, nicht, wie oft der Caller am Board "Oooneeehundreeedaaandeeeeeiiiiightyyyyy" gerufen hat. Auch wenn das bei den Fans im Saal des Alexandra "Ally Pally" Palace gefeiert wird, als gebe es kein Morgen.

4. Ohne Holland fahren wir zur WM!

Der Niederländer Michael van Gerwen war vor der WM das Maß der Darts-Dinge. Im Halbfinale war dann überraschend Endstation für den Titelverteidiger - und deutsche Fans im Ally Pally sangen: "Ohne Holland fahren wir zur WM ..."

Der Niederländer Michael van Gerwen war vor der WM das Maß der Darts-Dinge. Im Halbfinale war dann überraschend Endstation für den Titelverteidiger - und deutsche Fans im Ally Pally sangen: "Ohne Holland fahren wir zur WM ..."

(Foto: picture alliance / Steven Paston)

Apropos: Ally Pally. Der Austragungsort der PDC World Championship genießt mittlerweile einen ebensolchen Kultcharakter wie die TV-Übertragungen hierzulande bei Sport 1 mit den Kommentatoren Elmar Paulke und Tomas "Shorty" Seyler. Das Geplänkel der beiden erinnert an die beiden alten Herren Statler und Waldorf auf dem Balkon in der Muppet Show. Fachwissen, gepaart mit Humor und sich selbst dabei nicht zu ernst nehmen: Das zeichnet die beiden aus und auch die Fans im Ally Pally.

In diesem Jahr ging rund ein Viertel aller Karten an Deutsche. Und das, obwohl mit Kevin Münch und Martin Schindler nur zwei Deutsche am Start waren. Und das, obwohl Schindler in Runde eins und Münch in Runde zwei bereits die Segel streichen mussten. Und das, obwohl noch nie ein Deutscher über die zweite Runde hinausgekommen ist. Die Darts-WM war jahrzehntelang fest in englischer Hand, dann auch mal in schottischer und niederländischer.

Und wo Niederländer und Deutsche in einem Wettbewerb aufeinandertreffen, wird gefrotzelt. Dass Holland, oder besser die Niederlande, es in diesem Jahr nicht zur Fußball-WM geschafft hat, konnte man an den deutschen Gesängen im Ally Pally vernehmen. Ein Tabubruch übrigens, denn das Thema Fußball hat beim Darts-Sport nichts verloren. Bei Turnieren der PDC dürfen in Fußballtrikots gekleidete Fans nicht in die Halle.

5. Die Darts-Welt ist bunt!

Jahrzehntelang beherrschten die Engländer die Darts-WM: Das Gros der Teilnehmer kam aus England. Die topgesetzten Spieler waren Engländer. Am Ende gewann meist ein Engländer (und der hieß dann oft Phil Taylor). Auch das diesjährige Finale war ein rein englisches mit Taylor und dem Newcomer Rob Cross. Davor allerdings fand das letzte rein englische Finalduell im Jahr 2012 statt: Adrian Lewis holte sich damals gegen Andy Hamilton seinen zweiten Weltmeistertitel.

2013 sicherte sich mit Taylor zwar noch einmal ein Engländer die WM-Krone (gegen den Niederländer Michael van Gerwen), in den anschließenden Jahren ging der Weltmeistertitel aber zwei Mal nach Schottland (Gary Anderson; 2015, 2016) und zwei Mal in die Niederlande (van Gerwen; 2014, 2017).

Im Teilnehmerfeld dieser WM standen neben Engländern, Niederländern, Schotten, Walisern, Deutschen auch Spieler aus Österreich, Polen, Russland, Singapur, Brasilien, Belgien, Kanada, Kroatien, Finnland, Südafrika, Neuseeland, Australien, Frankreich, Japan, USA, Spanien und China.

6. Darts ist geil! Oder: Fertig wie 1000 Brote!

Phil Taylors letzte WM. Viele Überraschungen und Favoritenstürze. Ein sogenannter White-Wash-Sieg durch van Gerwen in der zweiten Runde, als er den Engländer James Wilson mit 4:0 nach Hause schickte und dabei alle 12 Legs gewann. Ein 63-jähriger Paul Lim, der zum Publikumsliebling avancierte und fast einen Neun-Darter warf. Das unglaublich hohe Niveau bei dieser WM. Das Sudden-Death-Leg im Halbfinale zwischen van Gerwen und Rob Cross, das der Engländer nach eigenen Patzern noch für sich entscheiden konnte. Die Wahnsinnsstimmung im Ally Pally. Die unglaublich geerdeten Stars der Darts-Szene, hautnah. Die jungen Wilden, die etwa mit Cross oder dem Waliser Jamie Lewis (Halbfinale gegen Taylor) auf sich aufmerksam machten. Und und und ...

Das alles war die Darts-WM 2018! Dass sich Phil "The Power" Taylor am Ende nicht mit WM-Titel Nummer 17 in den Darts-Ruhestand verabschiedet hat, macht den Darts-Sport im Allgemeinen und diese WM im Besonderen irgendwie menschlich. In diese Kategorie fällt auch der Topspruch dieser Titelkämpfe. Er fiel bereits in der ersten Runde: Er sei "fertig wie 1000 Brote", sagte der Bochumer Kevin Münch nach seinem Erstrunden-Überraschungscoup gegen Adrian Lewis. "Fertig wie 1000 Brote" - die nächste Darts-WM kann kommen. Sie wird wieder spannungsgeladen, stimmungsvoll und sicher ein Erlebnis werden. Party pur, denn: Darts ist geil!

Quelle: ntv.de

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