Red-Bull-Gründer ist tot Das rätselhafte Genie Dietrich Mateschitz
25.10.2022, 09:27 Uhr (aktualisiert)
Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz starb im Alter von 78 Jahren.
(Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)
Red Bull ist eine Erfolgsgeschichte. Und ohne den unternehmerischen Mut von Dietrich Mateschitz wäre sie nicht möglich gewesen. Nun ist der 78-Jährige nach schwerer Krankheit gestorben. In der Heimat wird er als Held verehrt. Doch es gibt auch zahlreiche Menschen, die ihn kritisch bewerten.
Dietrich Mateschitz war ein Medienmensch. Ein Mensch für die Medien war er nicht. Vielleicht weil er in seiner Heimat Österreich eine Mediendiktatur witterte. Vielleicht weil er einfach lieber stiller Protagonist war. Beide Geschichten werden über den 78-jährigen Gründer des Red-Bull-Imperiums erzählt, der am heutigen Samstag nach schwerer Krankheit gestorben ist. Aber was bleibt nun? Welche Geschichte über den Milliardär aus Sankt Marein im Mürztal gewinnt die Hoheit? Die des Marketing-Genies? Die des charismatischen Visionärs, der stets so aufmerksam und interessiert war? Oder die eines mächtigen Mannes mit einer fragwürdigen Gesinnung?
Der Mensch Dietrich Mateschitz steht in einem gigantischen Kontrast zum Auftritt seines Imperiums. Wo auch immer Red Bull Aufmerksamkeit wittert, wo Red Bull eine junge, hippe Community erreichen könnte, da schlägt der Konzern aus Fuschl am See zu. Im Mainstream-Sport sind die beiden roten Bullen so omnipräsent wie im Extremsport. Mit dieser Allgegenwart hatte Mateschitz nichts zu tun. Er wollte damit nichts zu tun haben. Und deswegen ist über das Private des Milliardärs auch kaum was bekannt. Die "FAZ" etwa stieß vor sieben Jahren bei Recherchen zu Mateschitz auf Widerstände. Die Würdenträger in Fuschl am See, das liegt bei Salzburg, wollten sich nicht äußern. Auch im Dorf Sankt Marein gibt es nichts zu hören. Von einer Art "kollektivem Schweigegelübde" sprach die "FAZ" damals.
Der Österreicher wurde mit seinem Unternehmen zum Multimilliardär. Er prägte und sponserte mit Red Bull erfolgreiche Sportlergenerationen. Darunter die Wintersport-Legenden Lindsey Vonn, Marcel Hirscher oder auch Gregor Schlierenzauer. Lifestyle, Abenteuer, Risiko, Grenzerfahrungen. Extremsport mit aberwitziger Hochglanzoptik, Hauptdarsteller als Helden. Und er selbst: Der kernige Steirer, immer braun gebrannt, lässiger Drei-Tage-Bart, die Lederjacke gern nur über die breiten Schultern gehängt. Nah aber unnahbar.
Eine thailändische Limo verändert sein Leben
So undurchsichtig die Mauer um den Privatmenschen ist, so bekannt ist seine Erfolgsgeschichte, die 1984 in Thailand begann. Dort trank er die erste Aufputschlimo seines Lebens - und machte sie zu seinem Lebenswerk. Aus dem umtriebigen Marketing-Mitarbeiter von Jacobs Kaffee und Blendax Zahnpasta wurde ein mutiger Visionär und schließlich einer der reichsten Männer der Welt. Mit der thailändischen Unternehmerfamilie Yoovidhya gründete Mateschitz noch im selben Jahr die Red Bull GmbH. Mit einer leicht veränderten Rezeptur des thailändischen Krating Daeng und der Entwicklung eines Marketingkonzepts wurde das Aufputschgetränk 1987 im Markt eingeführt. Er selbst soll bis zu zwölf Dosen pro Tag getrunken haben.
Red Bull wuchsen mächtige Flügel und das Unternehmen flog an allem vorbei, was man im Ausland mit der Alpenrepublik verbindet. Das österreichische Magazin Dossier schwärmte vor ein paar Jahren, Red Bull sei "bekannter als der Donauwalzer, verkauft sich besser als die Sachertorte und kommt mehr in der Welt herum als die Wiener Sängerknaben". Es sei "wertvoller als Swarovski und wagemutiger als Skilegende Hermann Maier". Wer sich mit den Gegebenheiten des Landes auskennt, der weiß: Das ist eine Heiligsprechung. Eine solche hat Mastermind Mateschitz nie erhalten, eine Art Heiligenstatus im Land weisen alte Umfragen allerdings schon aus. Die "Tiroler Zeitung" berichtete Mitte der 2010er-Jahre, dass 59 Prozent eine gute Meinung und nur 9 Prozent eine schlechte über ihn haben.
Sein Reichtum brachte offenbar keine großen Neider auf. Das Magazin "Forbes" listete ihn Ende September unter den Superreichen der Welt mit einem Vermögen von 19 Milliarden US-Dollar auf Rang 75. Soll er doch Schlösser, Flugzeuge und eine Insel in der Südsee besitzen. Sollen ihm Eishockey-Klubs und zwei Formel-1-Teams gehören. Alles egal. Nur beim Fußball, da hörte das Verständnis auf. Nicht in Österreich freilich. Aber in Deutschland. Ab 2009 löste RB Leipzig die TSG Hoffenheim von Mäzen Dietmar Hopp als Hassobjekt Nummer eins ab. Eine Mannschaft, die das Mantra "Geld schießt keine Tore" knallhart widerlegte, brachte die Fußball-Traditionalisten wütend gegen sich auf. Dass dieser Klub, in dem man kein Mitglied werden kann, ein seltsames Gebaren mit seinem Partnerteam aus Salzburg pflegt, sprich Spieler hin und her verkauft, verschärfte die Ablehnung noch.
Der fragwürdige TV-Sender
Mateschitz störte das nicht. Denn hätte es ihn gestört, dann hätte er sich eingemischt. Er ließ die Dinge nur in seinem Sinne laufen. So wie 2016 bei ServusTV. Die Mitarbeiter des umstrittenen Senders wollten damals einen Betriebsrat gründen. Der Milliardär war außer sich und drohte, den Sender vom Netz nehmen zu wollen und alle Mitarbeiter zu kündigen. Am Ende soll es sich um ein Missverständnis gehalten haben. Ein Betriebsrat sollte nie gegründet werden. Mehr als 200 Mitarbeiter unterschrieben einen Brief, in dem sie sich gegen die Gründung der Arbeitnehmervertretung aussprechen. Das absurde Ende einer absurden Posse. Dieses devote Gebaren hatte dem Patriarchen offenbar gut gefallen. ServusTV sendet bis heute.
ServusTV, das war der Kanal, den Mateschitz gegen das angebliche Meinungsdiktat platzierte. Und wenn ihm missfallen hätte, wie sich der Sender entwickelt hat, dann hätte er eingegriffen. Dass Coronaleugner und Verschwörungstheoretiker dort ihre Weltsichten verbreiten und Intendant Ferdinand Wegscheider offen mit Querdenker-Ansichten sympathisiert. Das hat den 78-Jährigen augenscheinlich nicht gestört. Anders als die Flüchtlingspolitik des Landes. 2017 gab er zwei Journalisten ein Interview, in dem er mächtig lospolterte. Er rückte sich damit nah an den Rechtspopulismus. Passend dazu: Sein Medienprojekt Addendum wurde wiederholt aufgrund der rechtspopulistischen Ausrichtung der Medienorganisationen kritisiert. Im September des vergangenen Jahres startete ein weiteres Projekt: Der Pragmaticus war geboren. Die Eigendefinition: "Experten publizieren abseits von tagespolitischen Debatten in einem großzügigen Umfang ihre Inhalte unverfälscht." Eine Pressemitteilung dazu versprach: "Pragmatismus statt Ideologie, unaufgeregter Tonfall statt Alarmismus wird das Motto sein. Und das mit optimistischer Grundhaltung, die auf einem humanistischen Weltbild basiert."
Doch so kritisch er von manchen Seiten betrachtet wurde, so sehr wurde er für sein Wirken bewundert. Mateschitz sei für ihn der beeindruckendste Unternehmer, "den wir in Österreich je hatten, wenn nicht weltweit", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff: "Er hat eine Marke kreiert und einen Bereich, den es vorher nicht gab. Was er für den Sport gemacht hat und wie viel er dem Sport gegeben hat, hat es davor nicht gegeben." 2005 feierte Red Bull Racing seine Formel-1-Premiere, zunächst noch als Party-Truppe belächelt, fünf Jahre später als Weltmeister geachtet. Mit Sebastian Vettel holte das Team viermal nacheinander den Titel in der Fahrer- und in der Konstrukteurswertung. Die Formel 1 kehrte zudem auch nach Österreich zurück - auf den Red Bull Ring, versteht sich. Aus diesem Anlass ließ der Milliardär 2014 rund 5000 Häuser mit seiner Finanzhilfe frisch anstreichen, neue Gartenzäune erstellen oder frische Pflanzen setzen.
Kritik am Extremsport-Wahnsinn
Das spektakuläre Red-Bull-Investment in den Extremsport wurde weltweit ebenfalls nicht nur wohlwollend betrachtet - Sportarten wie Wingsuit-Fliegen garantierten extreme Aufmerksamkeit, aber auch extreme Gefahr. Die ARD-Dokumentation "Die dunkle Seite von Red Bull" berichtete schon im April 2013 von sechs Sportlern, die mit Unterstützung von Red Bull ihrem gefährlichen Sport nachgegangen waren und starben. Weltberühmt wurde indes Stratossphärenspringer Felix Baumgartner, der im Oktober 2012 aus einer Höhe von 38.969 Meter aus einem Heliumballon sprang und mit einem Fallschirm zur Erde zurückkehrte. Auch er ist ein Mensch mit höchst fragwürdiger politischer Gesinnung. Ein Mensch, der auf ServusTV eine Plattform bekam und bekommt.
"Wir wussten, dass er in einem schwierigen gesundheitlichen Zustand war", sagte Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko, ein guter Freund von Mateschitz, nun bei Sky: "Nachdem es jetzt eingetreten ist, ist es trotzdem unfassbar, dass eine so große Persönlichkeit abtreten musste." Mateschitz sei "einmalig" gewesen. "Sein Verdienst und seine Visionen", so Marko, "das spiegelt eine einmalige Persönlichkeit wider". Mateschitz hielt 49 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, die Familie seines thailändischen Geschäftspartners die anderen 51 Prozent. Wer nun die Führung des Unternehmens antritt, ist offen. Seit ein paar Jahren wird sein Sohn, den Mateschitz mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin hat, als potenzieller Nachfolger aufgebaut.
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 23. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, tno mit dpa/sid