NFL-Auftaktkrimi im Schnellcheck "Touchdown Deutschland": St. Brown bringt Sensation auf den Weg
08.09.2023, 06:26 Uhr
Achterbahnfahrt, Thriller, erste dicke Überraschung: Der NFL-Auftakt sorgt für eine kleine Sensation, weil die Detroit Lions hauchdünn beim Meister Kansas City Chiefs gewinnen. Ein Garant für den Erfolg: der Deutsche Amon-Ra St. Brown. Doch es sind haarsträubende Fehler, die die Chiefs zu Fall bringen.
Wie stehen die Vorzeichen:
Da ist er wieder. Der Football. Das geliebte Ei. Seit Februar warten NFL-Fans auf dem ganzen Planeten auf diesen Tag. Auf den Moment, wenn die menschlichen Kühlschränke auf dem Grün wieder ineinander krachen. Wenn die Quarterbacks zwei wildgewordenen Lokomotiven ausweichen, um im selben Moment unglaubliche Würfe loszulassen. Wenn die Wide Receiver diese Bälle spektakulär - im Springen, Fallen oder gar einhändig - aus der Luft fischen. Alle Welt wartet auf den Auftakt der besten American-Football-Liga, der größten Sport-Liga der Welt.
Nun hat das Warten ein Ende, traditionell darf der Meister zum NFL-Start ran. Die Kansas City Chiefs besiegten im wilden Super Bowl LVII die Philadelphia Eagles und gelten auch diese Saison wieder als Favorit Nummer eins auf den begehrten Titel. Quarterback Patrick Mahomes ist nicht nur der Superstar der Liga, er ist auch der derzeit beste Football-Profi und auf dem Weg mit seinen Chiefs eine Dynastie aufzubauen (drei Super-Bowl-Auftritte in den vergangenen vier Jahren, zwei Siege).
Gegner sind die Detroit Lions mit Amon-Ra St. Brown. Dem deutschen Star in der NFL. Der Wide Receiver geht in sein drittes Jahr und mausert sich mehr und mehr hinein in die Elite der Passempfänger. Frisch zu einem der Lions-Kapitäne ernannt, will der 23-Jährige mit Wurzeln in Leverkusen nach jüngst überstandener Knöchelverletzung mit seinem Team erstmals die Playoffs erreichen, die es in der vergangenen Saison noch knapp verpasst hatten. Dass die Liga die Lions für den Auftakt auswählte, zeigt die Wertschätzung für die Mannschaft um St. Brown, die in der NFC North in diesem Jahr als Mitfavorit gelten, nachdem Superstar-Quarterback Aaron Rodgers die Green Bay Packers Richtung New York Jets verlassen hat.
Was ist passiert:
Mission Titelverteidigung. Vor dem Kick-Off wird im Arrowhead, das die stolzen Chiefs-Fans als lautestes Stadion der Welt bezeichnen, ein Meister-Banner gehisst. Es gibt nur ein Ziel, nur einen Weg: Super Bowl 58. Natürlich darf in der Spektakel-Liga NFL das Brimborium drumherum nicht fehlen. Und nachdem die christliche Popmusikerin Natalie Grant die US-Hymne vor einer Pyro-Show hingeschmettert hat und Militärflugzeuge einen sogenanntes Fly-Over über dem Stadion geflogen haben, ist endlich der Ball im Spiel.
Doch in einem sehr fehlerhaften Spiel überraschen die Detroit Lions den Champions und gewinnen 21:20 (7:14) bei den Chiefs. Es ist ein Krimi bis zum Schluss. Ein Thriller. Eine Achterbahnfahrt, ein Nail-Biter (so nennen sie das in den USA). Zum Fingernagel abkauen. Aber weil die Offensive um Quarterback Mahomes stottert, stolpert der Meister zum NFL-Auftakt. Eine kleine Sensation.
Nach einem verhaltenen Beginn von beiden Offensiven, ist es - natürlich - St. Brown, der den ersten Touchdown der Saison auf den Rasen bringt. Nach einer tollen Route quer über das Feld läuft, um Abstand zu gewinnen, nimmt der Deutsche im Vollsprint einen kurzen Pass mit und tankt sich durch in die Endzone für den zwölften Touchdown seiner Karriere. Drei Pässe für 27 Yards fängt der 23-Jährige in diesem Drive, den Quarterback Jared Goff in 14 Spielzügen und 91 Yards über das Feld führt. "Touchdown Deutschland", analysiert Experte und Football-Coach Patrick Esume bei RTL.
Zwar geht im Anschluss nicht mehr viel bei Detroit und Mahomes übernimmt die Partie, doch wegen groben Schnitzern auf beiden Seiten schwingt das Momentum immer wieder hin und her. Typisch für einen Saisonstart, dass die Offensivreihen noch nicht hundertprozentig eingespielt sind. Am Ende wird es dramatisch, weil der Meister doch noch eine große Chance erhält. Aber Mahomes' Mitspieler lassen die Bälle reihenweise fallen und die Lions gewinnen mit einer knackigen Defensive und lediglich einer Handvoll gelungener Offensiv-Aktionen. "Wir wussten, dass es ein großes Spiel werden würde", sagte St. Brown im Gespräch mit RTL-Experte Markus Kuhn. "Sie sind die beste Mannschaft der NFL, der Titelverteidiger." Und doch hat man das Ensemble um Superstar Mahomes geknackt.
Szene des Spiels:
Zwar gewinnt Detroit den Auftakt, doch die Szene des Spiels gehört den Chiefs. Aber in diesem Fehler-Festival ist es natürlich keine positive Situation, die die Partie entscheidet, sondern gleich eine Anhäufung von Fauxpas.
Nachdem die Lions in der ersten Hälfte sich mehrere Schnitzer leisten - vermasselter Snap und Fumble - ist der Champion in Halbzeit zwei dran. Nach einem eigentlich starken Pass von Mahomes genau in die Hände von Kadarius Toney tief in der eigenen Hälfte im dritten Viertel, muss der Wide Receiver den Ball fangen. Aber das Ei flutscht aus seinen Fingern und Rookie Brian Branch von den Lions schnappt zu. In seinem ersten NFL-Spiel läuft der 21-Jährige anschließend locker zum Touchdown. Ausgleich. Das Momentum schwingt wieder auf die Seite von Detroit.
Nach zwei Field Goals der Chiefs (auch, weil Toney einen weiteren Pass fallen lässt) und einem weiteren Lions-Touchdown, erhält Mahomes jedoch wenige Minuten vor Spielende den Ball noch einmal an der Mittellinie. Jubel bei den Fans im Arrowhead, Frust bei Detroit. Alles und jeder rechnet nun mit der nächsten magischen Aktion des Spielmachers, die dem Champion den späten Sieg bringt.
Aber nichts da. Die Offensive von Kansas City kollabiert. So etwas kennen NFL-Beobachter kaum noch. Allein: An Mahomes liegt es nicht. Sondern an seinen Passempfänger. Besonders für Toney wird der Abend immer schrecklicher. Der 24-Jährige lässt erneut weit offenen einen präzisen Pass fallen. Damit nicht genug: Im nächsten Spielzug wird zwar ein Pass gefangen, aber eine Holding-Strafe macht das First Down zunichte. Dritter Versuch und 20 Yards, heißt es nun.
Dieser alles entscheidende Drive mutiert immer mehr zum Chaos für die Chiefs, ein Fehlstart wirft sie weitere fünf Yards zurück. Mahomes' Wurf kann anschließend wieder nicht gefangen werden, der Superstar wird von seinen Mitspielern im Stich gelassen und das später Wunder für Kansas City bleibt aus. Doch das der Lions ist wahrgeworden. Sie spielen nach dem missratenen Drive der Chiefs die Uhr hinunter und schnappen sich den Sieg beim Meister. Wow.
Spieler des Spiels:
In der ersten Halbzeit sieht es danach aus, als würde mal wieder Patrick Mahomes zum alles entscheidenden Mann, auch weil Amon-Ra St. Brown nach seinem Touchdown nichts Weltbewegendes mehr gelingt. Denn er tanzt wieder durch die Defensiven wie einst Rudolf Nurejew. Er brilliert wieder. Er wirft wieder diese unglaublichen Dinger, die sonst niemand werfen kann. Er zeigt der NFL im Jahr eins nach Tom Brady, dass sie in guten Händen ist.
50 Sekunden vor dem Pausentee feuert die Nummer 15 eine unglaubliche Wurfserie ab. Die Chiefs werden an die eigene 36-Yard-Linie zurückgeworfen und müssen beim dritten Versuch 17 Yards überbrücken für das nächste First Down. Nach einem Pass, den der Quarterback gerade noch so loswird und der beinahe abgefangen wird, gelingt Marquez Valdes-Scantling ein toller Catch für 34 Yards. Justin Watson fängt im nächsten Spielzug den nächsten Pass über 26 Yards und bringt die Chiefs an die Fünf-Yard-Linie. Doch dann folgt die Krönung: Mit einem von ihm patentierten Sidearm-Wurf, wie beim Baseball, rechts um einen Verteidiger herum, findet Mahomes Blake Bell für den Touchdown zur 14:7-Führung - 34 Sekunden vor der Halbzeit. Sechs Plays, 82 Yards in anderthalb Minuten. Weltklasse.
Bis zu dieser Serie haben der Spielmacher und seine Kollegen noch nicht viel aufs Feld gezaubert. Die Energie scheint zu fehlen. Doch genau für diese Momente hat der Meister den besten Footballer der Welt in den Reihen. Typisch für die Chiefs: Nach ein paar schlechten Minuten glaubt der Gegner, sie an diesem Abend in Schach halten zu können. Doch plötzlich vollbringt die Nummer 15 wieder Wunder. Mit nur drei Spielzügen schnappt sich Kansas City das Momentum zum psychologisch wichtigen Zeitpunkt vor der Pause.
Aber an diesem Abend ist nicht alles wie immer und der Superstar bringt es zu keinem weiteren Touchdown in Halbzeit zwei. Und so ist der Spieler des Spies einer, der nur an der Seitenlinie mitfiebert. Einer, mit dem die Chiefs die Partie wohl gewonnen hätten. Aber Travis Kelce, der beste Tight End der Liga und die erste Anspielstation für Mahomes, fällt mit einer Knieverletzung aus. Dass er nicht eins zu eins, aber auch als Team nicht zu ersetzen ist, macht die Pleite gegen Detroit überaus deutlich. Kelce fehlt dem Meister in fast jeder Offensiv-Aktion. Im letzten, entscheidenden Drive hätte er wohl einen Mahomes-Pass sicher in Empfang genommen.
Doch ohne ihn stottert die Offensive der Chiefs zum NFL-Auftakt arg, auch das Laufspiel funktioniert überhaupt nicht. Das hat ebenfalls mit Kelce zu tun: Weil die Chiefs die Bälle nicht fangen, können die Lions sich verstärkt darauf konzentrieren, die Läufe zu verteidigen. Mahomes kann mit seiner unglaublichen seine Mobilität, die an diesem Abend ein zentraler Bestandteil der Chiefs-Offensive ist, nur so viel wettmachen.
Quelle: ntv.de