Sport

Handball-Europameisterschaft Träumen verboten, siegen erlaubt

Handball-Idol Stefan Kretzschmar ist skeptisch, Bundestrainer Heiner Brand verbietet das Träumen, die Spieler wollen einfach nur spielen: Vor dem EM-Auftakt der deutschen Handballer gegen Polen herrscht im DHB-Team eine angespannte Vorfreude - weil das Team nicht weiß, wo es steht und wie weit es kommen kann.

(Foto: dpa)

Neue Mannschaft, neue Bescheidenheit: Deutschlands Handballer stürzen sich lediglich als Außenseiter ins Abenteuer Europameisterschaft. Das magische Wort Halbfinale haben Bundestrainer Heiner Brand und seine Spieler nahezu aus dem Sprachgebrauch gestrichen, stattdessen vernimmt man Sätze wie diese. "Wir haben eine verdammt schwierige Gruppe. Wir wollen nicht noch einmal das Gleiche erleben wie bei Olympia, als wir uns schon vorher im Halbfinale gesehen haben. Deswegen werden wir von Spiel zu Spiel denken und sehen, was dabei herauskommt", sagte Kapitän Michael Kraus.

Der Lemgoer Spielmacher Spielmacher weiß aber auch, dass die Erwartungen groß sind - und welche Erfolgsmaßstäbe gelten: "Man spricht von einer erfolgreichen EM, wenn wir das Halbfinale erreichen." Doch das wird schwer, schon das Erreichen des Minimalziels Hauptrunde ist keinesfalls gesichert, sagt auch Torhüter Johannes Bitter: "Der Traum ist immer der Titel. Aber so hart wie dieses Jahr hat es uns noch nie getroffen. Wir dürfen nicht spekulieren."

Neben dem WM-Dritten Polen, gegen den die deutsche Mannschaft heute in Gruppe C ab 18.30 Uhr ihr Auftaktspiel bestreitet, muss sich das DHB-Team mit Slowenien (Mittwoch/18.30 Uhr) und Schweden (Freitag/18.15 Uhr) auseinandersetzen. Um die nächste Runde zu erreichen, ist mindestens Platz drei nötig. "Da kann jeder jeden schlagen, deshalb sollten wir nicht zu viel träumen, sondern gleich von Beginn an voll konzentriert zur Sache gehen", fordert Bundestrainer Brand.

Für den Turnierstart hat er zunächst nur 15 von 16 möglichen Nationalspielern benannt. Nicht offiziell nominiert wurde der Lemgoer Torhüter Carsten Lichtlein. "Ich möchte mir die Option offenhalten, im Notfall einen Spieler aus dem 28er-Kader gezielt und Positions-spezifisch nachnominieren zu können", sagte der 57-Jährige. Damit umfasst sein EM-Kader zurzeit 13 Feldspieler sowie die beiden Keeper Johannes Bitter und Silvio Heinevetter.

Leichte Fehler leicht abzustellen?

Nach durchwachsener Vorbereitung mit Erfolgen gegen Österreich (30:29) und Brasilien (34:22) sowie zwei Niederlagen gegen den Olympia-Zweiten Island (28:32, 29:33) und den Absagen der Stammkräfte Pascal Hens (Regeneration) und Sebastian Preiß (Rehabilitation nach Achillessehnen-OP) stehen hinter der Leistungsstärke des EM-Vierten ohnehin Fragezeichen. Das deutsche Spiel war durchzogen von vielen leichten Fehlern, es mangelte an Abstimmung und mitunter an Konzentration in der weitgehend unerfahrenen Mannschaft, die es im Schnitt nur auf 70 Länderspiele bringt.

Bundestrainer Heiner Brand musste vor dem Turnier personell umbauen.

Bundestrainer Heiner Brand musste vor dem Turnier personell umbauen.

(Foto: dpa)

"Die Fehler sind das, was am leichtesten abzustellen geht. Das wird auch bei der EM über Sieg und Niederlage entscheiden. Unsere Gruppengegner sind auf einem ähnlichen Niveau wie Island. Und wenn wir aus unseren Fehlern gelernt haben, haben wir gute Chancen zu gewinnen", urteilte der Bundestrainer. Immerhin blieben ihm vor dem Turnierstart weitere Ausfälle erspart: Torhüter Bitter ist nach seiner Ellenbogen-Operation am 28. Dezember rechtzeitig wieder fit geworden, Rückraum-Ass Holger Glandorf hat seine Oberschenkel-Zerrung schnell auskuriert.

Kretzsche tippt auf Remis

Der Auftakt gegen Polen ist für Brand ein Schlüsselspiel: "Ein Sieg wäre insofern wichtig, als wir dann zwei Punkte hätten. Das könnte uns viel Selbstvertrauen geben." Beim letzten Aufeinandertreffen hatte die deutsche Mannschaft deutlich die Nase vorn. Bei der WM im Vorjahr gewann die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) in der Vorrunde gegen den späteren Bronzemedaillen-Gewinner mit 30:23. Trotzdem rückte Linksaußen Torsten Jansen die Polen in die Favoritenrolle. "Nach den letztjährigen Ergebnissen sind sie mit Sicherheit der Gruppenfavorit", meinte der Hamburger mit Blick auf den dritten Rang der Polen bei der WM in Kroatien.

Auch der ehemalige Nationalspieler Stefan Kretzschmar traut seinen früheren Team-Kollegen keinen Sieg zu. "Ich tippe auf ein Unentschieden. Das wird ein typisches Eröffnungsspiel, wo es richtig zur Sache geht", sagte der einstige Linksaußen und prognostizierte: "Es wird mit viel Nervosität gespielt. Ich glaube nicht, dass die deutsche Mannschaft die Fehler aus den Vorbereitungsspielen schon abstellen kann. Es kommt darauf an, die Polen zu noch mehr Fehlern zu zwingen."

Frankreich der Topfavorit

Doch bei aller Spannung vor dem ersten Spiel der DHB-Auswahl war Brand vor allem bemüht, den Druck von seinen Spielern zu nehmen. "Die Jungs sollten nur an die Freude am Spiel und am Wettkampf denken, nur so können sie erfolgreich sein", sagte der 57-Jährige und betonte an: "Wir können gegen alle Teilnehmer verlieren, aber mit Spaß und Engagement auch gegen 14 der 15 anderen Teams gewinnen." Kaum bezwingbar ist für Brand nur Frankreich: "Die Franzosen sind schwer zu schlagen und auch mein Topfavorit. Die wissen, wie man ein Turnier gewinnt "

Nach den Siegen bei Olympia 2008 und der WM 2009 will das Team um Welthandballer Thierry Omeyer vom THW Kiel bei der Europameisterschaft in Österreich das golden Triple perfekt machen. Zum Kreis der Titelanwärter zählen darüber hinaus der WM-Zweite Kroatien, Titelverteidiger Dänemark sowie Island.

Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen