Sport

FIFA-Chef ungehalten Türken droht saftige Strafe

Unter Polizeischutz flüchteten die Schweizer mit dem WM-Ticket in der Hand aus der Hölle am Bosporus. Als sich die Fußball-Profis aus der Alpenrepublik nach Schlägereien und Pöbeleien in die Kabine des Sükrü-Saracoglu-Stadions gerettet hatten, zogen sie ein rotes T-Shirt mit der weißen Aufschrift "Weltmeisterlich" über und feierten ihre achte WM-Qualifikation. "Beim Schlusspfiff war die Freude sehr groß, aber nur tief drin. Es ist schlimm, wenn man von der Bank aufsteht und Angst haben muss", beschrieb Nationaltrainer "Köbi" Kuhn den Zwiespalt der Gefühle. Zwei Stunden lang harrten die Eidgenossen in der verschlossenen Kabine aus, ehe sie von den Ordnungshütern ins Hotel gebracht wurden.

"Was passiert ist, ist des Fußballs unwürdig", stellte FIFA-Präsident Joseph Blatter am Tag nach dem Skandal fest. Von der Sperrung eines Spielers bis hin zum Ausschluss des türkischen Verbandes von einem großen Turnier -ich schließe nichts aus", machte der Schweizer Chef des Weltverbandes seinem Ärger Luft -und dachte an die Suspendierung der Türken für die WM-Qualifikation 2010. Bis zum 9. Dezember, dem Tag der WM-Gruppenauslosung, soll das Urteil gefällt sein. Postwendend kritisierte der Türkische Fußball-Verband diese Äußerungen. Das sei "gefährlich und falsch", sagte Verbands-Vizepräsident Sekip Mosturoglu dem Nachrichtensender CNN-Türk. "Ich halte seine völlig einseitigen Erklärungen für unglücklich."

Kommission soll Klarheit bringen

Klarheit über die Ereignisse wird sich die Disziplinarkommission mit Hilfe der vor Ort anwesenden FIFA-Funktionäre, Befragungen sowie TV-Bildern verschaffen. Die Schweizer waren trotz der 2:4-Niederlage im zweiten Relegationsspiel gegen die Türkei im siebten Fußball-Himmel. "Für mich geht ein Traum in Erfüllung", freute sich HSV-Profi Raphael Wicky, ehe er und sein Team von mehreren Polizeiwagen eskortiert zum Istanbuler Flughafen gebracht wurde. "Es war unfassbar. Türkische Spieler und Ordnungskräfte haben auf uns eingeprügelt", beschrieb Wicky die Jagdszenen vom Mittwochabend.

Der Hamburger bedankte sich sogar öffentlich auf hsv.de bei den ebenfalls in der Bundesliga spielenden Altintop-Brüdern, die ihn "in die Mitte genommen", gegen eigene Mitspieler verteidigt und in die Kabine gebracht hatten. Ein anderer Schweizer hatte nicht so viel Glück: Ersatzspieler Stephane Grichting musste nach einem Tritt in den Genitalbereich ins Krankenhaus gebracht werden. "Auch einer unserer Ordnungskräfte ist krankenhausreif. Gewiss werden ihn nicht die eigenen Spieler geschlagen haben", sagte Mosturoglu.

Tritte auch von Schweizern

Die Türken versuchten, dem Gegner die Schuld in die Schuhe zu schieben. Zeitungen berichteten, der Schweizer Benjamin Huggel habe den Streit vom Zaun gebrochen. TV-Bilder zeigten den Mann mit der Nummer 14, wie er vor dem Tunneleingang dem türkischen Assistenten Mehmet Özdilek von hinten einen Tritt gegen das Bein versetzte. Der habe es Huggel daraufhin mit gleicher Münze heimgezahlt. Die Gäste hätten die Auseinandersetzung provoziert. "Unsere Spieler sind in die Falle gegangen", schrieb die Sportzeitung "Fanatik". Blatter schloss auch Sanktionen gegen seine Landsleute nicht aus.

Türkeis Nationaltrainer Fatih Terim spuckte wie schon nach dem 0:2 im Hinspiel in Bern Gift und Galle gegen die Referees, die er als "Diebe" und "ehrenlose Kerle" beschimpfte. "Die beiden Schiedsrichter haben die Türkei zu Grunde gerichtet." Trotz des Scheiterns des WM-Dritten muss Terim einen Rauswurf wohl nicht befürchten: "Wir werden uns zusammensetzen", kündigte Verbandspräsident Levent Bicakci an.

Nach dem geplatzten Traum war der WM-Dritte fassungslos: "Die Welt ist über uns zusammengestürzt", schrieb das Massenblatt "Sabah". "Wir haben dran geglaubt und gut gespielt. Aber der Fußball kennt keine Gerechtigkeit." Den Herzschmerz einer ganzen Nation brachte ein Kommentator der Zeitung in großen Lettern zum Ausdruck: "In meinen Augen sind Tränen, in meinem Herzen Stiche." Andere Blätter wählten als Überschrift: "Selbst Gebete halfen nichts."

In der Schweiz wurde der Trainer bejubelt: "Er und seine Spieler haben die Schweiz in diesen Tagen zu einem Fußball-Land gemacht", schrieb der "Tages-Anzeiger". Und die "Berner Zeitung" wagte sogar schon einen optimistischen Blick in die Zukunft: "Im Hinblick auf die Euro 2008 im eigenen Land setzt Kühn konsequent auf die Jugend. Dieses talentierte Team kann bei der WM 2006 eine prägende Rolle spielen - und wird bei der EURO 2008 im Zenit seines Könnens stehen."

Von Heinz-Peter Dietrich und Ingo Bierschwale, dpa

Quelle: ntv.de

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