BR Volleys liebäugeln mit Polen Volleyballer haben "Mickey-Maus-TV" satt
28.05.2020, 19:00 Uhr
Konkurrenz dringend erwischt: Die BR Volleys wollen nicht immer einfach siegen.
(Foto: imago images/Andreas Gora)
Die Szene der Volleyballer ist erschüttert. Berlins Manager Kaweh Niroomand denkt laut darüber nach, den Branchenführer aus der Bundesliga abzuziehen und stattdessen in Polen starten zu lassen. Am Pranger stehen Funktionäre, denen Initiativlosigkeit vorgeworfen wird.
Es ist schon erstaunlich, wie sehr es in einer Szene rumoren kann, in der doch eigentlich alles still steht: Bei den Volleyballern ist seit Monaten kein Ball mehr über das Netz geflogen. Bereits Mitte März wurde die Saison abgebrochen und doch fliegen die Fetzen. Zuletzt hat sich sogar Stelian Moculescu zu Wort gemeldet und die Debatten mit unmissverständlichen Worten befeuert, die man - je nach dem Standpunkt - als Klartext oder Polemik auslegen konnte.
Der gebürtige Rumäne, der in diesem Monat seinen 70. Geburtstag feierte, ist hierzulande nicht nur der mit Abstand erfolgreichste Protagonist seiner Sportart, sondern gilt auch als Instanz. Auch wenn sich Moculescu offiziell vor zwei Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat und sich seitdem um sein Golf-Handicap kümmert, hat sein Wort weiterhin Gewicht. Vor allem, wenn der ehemalige Meistermacher so lospoltert wie nun im Gespräch mit der "Berliner Zeitung".
Zielscheibe seiner Tiraden waren die Funktionäre der Volleyball Bundesliga (VBL): "Außer sich zu empören, kann die VBL nichts", lederte der ehemalige Bundestrainer los. Und einmal in Schwung, legte der gleich nach: "Als ich noch Trainer war, habe ich immer gefragt: Wo ist mein Mehrwert? Die Vereine zahlen immer höhere Beiträge, aber ich sehe den Mehrwert nicht. Immer feiert die Liga ihre Pläne und glaubt, in irgendeinem Micky-Maus-TV gezeigt zu werden, ist eine große Errungenschaft. Wir sind die einzige Liga, die keinen Ligasponsor hat."
Deutschlands Volleyball vor dem Untergang?
Rumms, das waren Worte, die saßen wie eine rechte Gerade von Dr. Eisenfaust Vitali Klitschko. Warum in dieser Härte? Warum zu diesem Zeitpunkt? Moculescu reagierte auf den Vorstoß von Kaweh Niroomand, der zuletzt mehrmals laut darüber nachgedacht hatte, der deutschen Bundesliga den Rücken zu kehren, um stattdessen in der polnischen Liga zu starten, wenn die lizenzrechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Wechsel in die Wege geleitet seien. Diese Pläne seien "so konkret wie noch nie", verkündete Niroomand Anfang der Woche im Berliner "Tagesspiegel".
Der Macher des deutschen Serienmeisters BR Volleys ist frustriert, weil er und seine Mitstreiter in den letzten Jahren dafür gesorgt haben, dass sich sein Klub kontinuierlich entwickelt, während die Mitbewerber bestenfalls stagnieren. Zumindest sieht der Geschäftsmann das so: "Wir haben immer wieder Impulse gesetzt, und jetzt müssen wir befürchten, dass es überall sonst bröckelt." Ganz konkret formuliert Niroomand die Gefahr, "dass Volleyball in Deutschland untergeht".
Tatsächlich ist die Entwicklung der zurückliegenden Wochen besorgniserregend. Mit den Alpenvolleys Haching, Eltmann und Rottenburg haben sich drei Erstligisten vom Spielbetrieb abgemeldet, weil sie sich nicht mehr in der Lage sehen, wirtschaftlich mitzuhalten. Eine Teilschuld am alarmierenden Ist-Zustand schreibt Niroomand dabei der VBL zu, die er konkret auffordert, "nicht nur den Ligabetrieb zu verwalten, sondern auch zu gestalten und Dinge anzuschieben".
Aufrütteln in der Krise
Der Vorwurf, bei der Vermarktung der Marke Volleyball nicht auf der Höhe zu sein, ist nicht neu. Vor allem, wenn es um den händeringend gesuchten Ligasponsor geht, dessen Verpflichtung seit Jahren angekündigt wird, ohne Vollzug zu vermelden. Um ermessen zu können, um welche Summen es sich im Volleyball handelt, erscheint ein Seitenblick erhellend: Während im Fußball der Torhüter Manuel Neuer mit seinem Arbeitgeber Bayern München mitten in der Corona-Krise um einen letzten, großen Vertrag mit einem Gehaltsgefüge zwischen 60 und 100 Millionen Euro feilschte, kalkulieren die BR Volleys mit einem Jahresbudget von rund drei Millionen Euro. Damit reüssiert der Hauptstadtklub als Branchenführer, während die Konkurrenz ihre Spielzeit teilweise mit weit weniger als einer Million kalkulieren muss.
"Der Zustand der Männer-Bundesliga", so Niroomand, "ist besorgniserregend." Im Fokus seiner Kritik stehen nicht in erster Linie die Mitbewerber, sondern die Ligavertreter. VBL-Geschäftsführer Klaus-Peter Jung und Ligapräsident Michael Evers wollen das so nicht stehen lassen. Er sei "sehr erstaunt, dass ein Verein in der aktuellen Situation mit dem Gedanken spielt, die Solidargemeinschaft der Bundesliga zu verlassen", gab Evers zu Protokoll. Jung ergänzte, der halte es "für nicht legitim, solche Gedanken in diesem Moment in die Öffentlichkeit zu tragen und damit Unruhe zu verbreiten".
Tatsächlich haben die Volleyballer in Zeiten der Corona-Pandemie, in denen auch in anderen Sportarten der Überlebenskampf tobt, eine zusätzliche Baustelle eröffnet. Die Intention von Niroomand, liegt auf der Hand. Er will aufrütteln - und dafür hat er ein drastisches Mittel gewählt. Die Frage ist, wie konkret sein Vorstoß ist, oder ob es sich lediglich um eine Drohgebärde handelt, um aufzurütteln. Zumindest betont der 67-Jährige, er wolle "die Sportart Volleyball nach wie vor hier in Deutschland anschieben". Aber das funktioniere "nur dann, wenn sich die Liga und die Konkurrenzsituation ändern".
Quelle: ntv.de