Großer Ärger über Netflix Box-Legende Mike Tyson blamiert sich gegen Jake Paul
16.11.2024, 07:00 Uhr
Netflix bittet zum großen Box-Spektakel und erlebt direkt eine Bruchlandung. Die Server knicken unter dem großen Interesse ein und zahlreiche Zuschauer sehen nichts vom Kampf Mike Tyson gegen Jake Paul. Der endet indes mit einer großen Blamage für die Ikone.
Bevor sich Box-Legende Mike Tyson und Jake Paul im polarisierendsten Kampf des Jahres richtig auf die Mütze gaben, feierten die beiden Großmäuler bereits einen ersten Knockout. Die Server des Streaminggiganten Netflix knickten reihenweise ein, sehr zum Ärger der Zuschauer rund um den Globus. "Mehr als 120 Millionen Leute bei Netflix, wir haben die Seite lahmgelegt", jubelte Paul später. Gigantisch war das Interesse an diesem Duell, das die Boxwelt gespalten hatte. Ein alter Mann, der immer wieder Geldsorgen und nicht viel mehr als seinen großen Namen hat, gegen einen jungen Protzkopf, der immer noch mehr Influencer als Boxprofi ist.
Schadet dieser Kampf dem Boxen? Oder verschafft er dem Sport neuen Glanz? Diese Frage wurde seit Wochen diskutiert und fand keine Antwort. Bei "Tyson gegen Paul", so lautete vorab die Kritik, verkommt der Sport zu einem vorgefertigten, inszenierten Streaming-Paket. Der Kampf verschiebt Grenzen im Hinblick auf Fusion von Sport und Unterhaltung und stellt - unbeabsichtigt - infrage, was noch Sport ist und was nicht.
Auch nach diesem Abend gab es keine allumfassende Antwort auf die große Frage. Zu skurril war das, was sich da in Dallas im Ring tat. Paul kam, ganz der schillernde Typ Super-Influencer, in einem offenen Chevrolet zum Ring gefahren. Protz, das ist sein Ding. Anders Tyson, das ehemalige Biest, die Legende. Er begnügte sich mit einem Walk-on, ganz klassisch, voll fokussiert. Er hatte nichts anderes im Kopf, als dem aufmüpfigen 27-jährigen Jüngling richtig eine zu knallen, ihn früh auszuklingeln. 19 Jahre nach Tysons letztem Profikampf, damals verlor er gegen Kevin McBride, hat es der Influencer tatsächlich geschafft, die polarisierende Ikone zu einem offiziellen Schwergewichts-Kampf in den Ring zurückzuholen. Vor vier Jahren war er für einen ebenfalls gehypten Showkampf gegen die andere Legende Roy Jones jr. schon einmal zurückgekehrt.
Tysons Abwehrarbeit ist gut, mehr nicht
Doch es kam anders als von Tyson geplant. Dem alten Mann, vorab in seiner Kabine von den alten Weggefährten Evander Holyfield und Lennox Lewis nochmal angestachelt, ging früh die Puste aus. Er war nicht mehr schnell und insgesamt behäbig. Paul, der in der ersten Runde aufpassen musste, nicht einen harten, verhängnisvollen Punch zu kassieren, konnte fast nach Belieben auf den 58-Jährigen eindreschen, der taumelte, bekam kaum die Deckung hoch und verlor deutlich nach Punkten. 78 von 278 Schlägen, so die offizielle Kampfstatistik, brachte Paul ins Ziel. Tyson schlug nur 97-mal zu, traf kümmerliche 18-mal. Das Urteil der drei Juroren war eindeutig - einmal 80:72 und zweimal 79:73. Immerhin dem drohenden Knockout, der ab der vierten Runde drohte, war der wacker kämpfende Tyson entgangen. Dennoch wurde er von dem jungen Kerl entzaubert, dem er beim Wiegen noch eine amtliche Schelle für dessen Provokationen verpasst hatte.
Tyson startete extrem forsch und aggressiv. Er war offenbar auf eine Blitzentscheidung aus, wohl wissend um die ungleiche Physis. Er setzte in den beiden ersten Runden mehr Treffer. Danach übernahm der deutlich fittere Paul und setzte der Legende mehrfach massiv zu. Der Influencer, der seit 2020 professionell kämpft, übernahm die Kontrolle und hatte alles weitgehend im Griff. Das maximale Risiko eines Knockoutversuchs scheute er allerdings. Vielleicht auch in der Angst, sich doch noch einen fatalen Konter des Altmeisters zu fangen. Dessen verheerende Schlagkraft in den Ringen und Arenen dieser Welt einst so gefürchtet war. In den Schlusssekunden stellten beide das Boxen ein und der klar überlegene und plötzlich ehrfürchtig wirkende Paul verbeugte sich vor Tyson.
Hernach fanden beide aber versöhnliche Worte. Sieger Paul war voll des Dankes für diesen Kampf: "Mike Tyson ist der GOAT. Es war eine Ehre, dass ich gegen ihn kämpfen durfte." Und Tyson befand, trotz der überdeutlichen Niederlage: "Ich kam, um zu kämpfen. Ich bin sehr zufrieden. Ich bin nicht überrascht. Ich muss niemanden etwas beweisen." Für Paul ist der Sieg ein riesiger Erfolg, nicht nur für sein Image. Die von Netflix extrem gehypte und gigantisch inszenierte Veranstaltung, mit der sich der Streamingriese auf den international hart umkämpften Sportmarkt vortasten will, war nämlich auch als offizieller Kampf anerkannt. Er verbuchte damit seinen elften Sieg im zwölften Kampf. 72.300 Zuschauer sahen das Duell im Football-Stadion des NFL-Riesen Dallas Cowboys.
Immer wieder Geldsorgen bei Tyson
Der Kampf nun ist das bittere Ende einer Legende, die im Ring ein unverwüstlicher König war und am Leben immer und immer wieder scheiterte. Er hatte es der Welt nochmal zeigen wollen. Er, der seine Gegner zwischen 1985 und 2005 verwüstete wie eine nicht zu bändigende Naturgewalt. Mit seinem legendären Pendeln im Oberkörper, mit der maximalen Beweglichkeit im Rumpf, mit den schnellen, donnernden, aggressiven Schlagkombinationen. Doch von dieser Klasse war Tyson weit entfernt. Meilenweit entfernt. Auch Paul brillierte nicht mit großem Boxen, er konnte diesen Kampf über die Physis gewinnen. Ausgerechnet gegen das Biest. Nun hat die Boxwelt einen neuen Bösewicht: "Ich habe mir meine Karriere aufgebaut, indem ich der Schurke bin. Selbstredend sind die Leute gegen mich – für den Boxsport ist das großartig."
Tyson hatte einst geschworen, nie wieder in den Ring steigen zu wollen. Aber er musste wiederholt mit diesem Wort brechen. Vermutlich lockte ihn erneut die große Börse, die er mit diesem Kampf machte. Angeblich bis zu 40 Millionen Dollar soll jeder Kämpfer bekommen haben. Wie lange Tyson dieses Geld reicht? Man weiß es nicht. Denn der Umgang mit den Dollar, der ist seit jeher das Lindenblatt des Boxers. Der Sport hatte Tyson zwar aus der Gosse geholt, ihn aber auch vernichtet. Bei mehreren Kämpfen stand er völlig unter Drogen.
Und nun? War's das für Tyson? Nein, offenbar nicht. Obwohl er körperlich klar unterlegen war, für sein Alter aber dennoch in einem guten Zustand, spürt er noch reichlich Energie in sich. "Ich glaube nicht, dass es mein letzter Kampf war", sagte er. Jake Pauls Bruder Logan, ebenfalls boxender Youtuber, stünde wohl für ein Duell bereit. Für das Boxen in den USA wäre das ein Statement. Vor allem gegenüber Saudi-Arabien, das sich im Zuge des groß angelegten Sportswashing zahlreiche, groß inszenierte Mega-Kämpfe, wie das zuletzt in Riad ausgetragene Schwergewichts-Spektakel Tyson Fury gegen Oleksandr Usyk gesichert hatte. Ob das alles aber wirklich noch Sport oder nur reines Kampfentertainment ist? Nun, es gibt nach diesem Abend zumindest klare Indizien.
Quelle: ntv.de, mit David Bedürftig