Nackenschlag vor EM-Zwischenrunde Nowitzki und Co. verlieren doppelt
04.09.2011, 22:14 Uhr
Nowitzki allein ist noch keine Garantie auf einen Sieg.
(Foto: dpa)
Die deutschen Basketballer kassieren bei der EM in Litauen ihre zweite Niederlage. Gegen Vize-Europameister Serbien enttäuschen Dirk Nowitzki und Co. die Erwartungen, vor allem aber sich selbst. Die nächste EM-Runde ist zwar erreicht. Der große Olympia-Traum ist aber nur noch mit einem gewaltigen Kraftakt zu verwirklichen.
Basketballspiele können Märchen sein, Achterbahnfahrten, Heldensagen. Das EM-Vorrundenduell zwischen Deutschland und Serbien war eine große Ernüchterung, obwohl phasenweise sogar sechs Deutsche auf dem Feld waren. Doch wenn es den eigenen Trainer nicht in der Coachingzone hält, ist das selten ein gutes Zeichen. Diesmal war es nicht anders. Beim 64:75 (28:38) wurde Dirk Bauermanns Team von einer serbischen Mannschaft entnervt, die defensiv gewohnt erstklassig organisiert war und offensiv ganz einfach besser traf. Dirk Nowitzki war mit 25 Zählern zwar Topscorer der Partie, aber nur einer von sechs deutschen Spielern in den Punkten. Bei Serbien glänzte Spielmacher Milos Teodosic mit zwölf Punkten, neun Assists und neun Rebounds.
Die Niederlage gegen den EM-Mitfavoriten ist für das DBB-Team fataler, als es das Ergebnis aussagt. Durch die zweite Pleite im vierten EM-Spiel stehen Dirk Nowitzki und Co. in der Zwischenrunde vor einer Herkulesaufgabe. Gegen Titelverteidiger Spanien, EM-Gastgeber Litauen und höchstwahrscheinlich Polen brauchen die DBB-Riesen mindestens zwei Siege, um sich für die K.o.-Runde in Kaunas zu qualifizieren. Sonst platzt der Olympia-Traum, für den Platz sechs nötig ist, in Vilnius.
Bundestrainer Bauermann war nach dem Spiel bemüht, das Positive herauszustellen: "Wir hätten die Serben am Ende noch einmal packen können. Darauf muss man schauen." Wichtig sei nun, zum Abschluss der Vorrunde gegen das sieglose Lettland noch ein Erfolgserlebnis zu feiern. Superstar Nowitzki erklärte das Frusterlebnis gegen Serbien mit deutschen Unkonzentriertheiten und gegnerischer Klasse: "Immer wenn wir in der Verteidigung einen kleinen Fehler gemacht haben, haben sie das sofort bestraft." Nach einem dieser Fehler hatte sich Nowitzki kurz vor Schluss Tim Ohlbrecht lautstark zur Brust genommen, direkt auf dem Feld.
Am Drehbuch des Spiels gegen Serbien hatte auch Italien mitgeschrieben. Durch die 84:91-Niederlage gegen Frankreich waren alle Rechenspiele um einen Dreiervergleich zwischen Franzosen, Italien und dem DBB-Team hinfällig geworden. Das war gut, weil Deutschland dank Lettlands 88:91 gegen Israel schon vor dem Spiel für die Zwischenrunde qualifiziert war. Das war schlecht, weil nun klar war: gegen Serbien muss ein Sieg her.
Hilflose Fouls
Die Chancen auf einen Erfolg hatte DBB-Kapitän Steffen Hamann optimistisch auf 50:50 taxiert. Doch die klare Ausgangslage lähmte das deutsche Team. Die bissige Abwehrarbeit, in Siauliai bislang eine Konstante im deutschen Spiel, glänzte im ersten Viertel mit Abwesenheit. Das Timing stimmte nicht, die Ordnung ging gegen die von Milos Teodosic virtuos dirigierte Ballrotation der Serben immer wieder verloren. Zwar beging das DBB-Team mehr Fouls. Aber sie waren Zeichen von Hilflosigkeit, nicht von Cleverness und Aggressivität.
Kombiniert mit Wurfpech und Nervosität im Angriff führte die allgemeine deutsche Verunsicherung zu einer raschen 9:0-Führung der Serben. Bis zum Ende des 1. Viertels schrumpfte sie nur marginal (7:17). Der an der Seitenlinie tobende Bauermann war vor der Halbzeitpause oft der aktivste Deutsche. Wenn wieder einmal ein Serbe frei zum Wurf kam, wütete der Bundestrainer bisweilen direkt hinter ihm auf dem Feld.
Gesteigert wurde seine Erregung durch offensive Kuriositäten wie simple Dribbelfehler, Pässe zum Gegner oder Bälle, die durch zitternde Hände ins Aus flutschten. Serbien spielte nicht grandios, aber viel zu gut für Deutschland. Teodosic verbuchte schon in den ersten beiden Vierteln sieben Assists, sein Team mit 38 Zählern zehn Punkte mehr als der Gegner.
Spätes Comeback
Bauermanns Halbzeitansprache fruchtete kaum, früh im dritten Viertel nahm er erneut eine Auszeit. Dennoch verloren die DBB-Korbjäger nach fünf Minuten wieder den Faden und Serbien vor dem Schlussviertel endgültig aus den Augen. Erst als der 15-Punkte-Rückstand auf 18 Zähler (46:62) angewachsen war und das Spiel verloren schien, wachte Deutschland auf. Nach einem 12:0-Lauf schien ein Comeback plötzlich doch noch möglich. Das fünfte Foul von Center Chris Kaman machte die Hoffnungen auf eine Sensation und damit auf eine komfortablere Ausgangsposition für die Zwischenrunde in Vilnius zunichte.

Der Druck ist jetzt weg. In die Zwischenrunde geht Deutschland als krasser Außenseiter. Ob das beflügelt?
(Foto: dpa)
Das späte Aufholjagd im vierten Viertel stimmte Bauermann dennoch optimistisch für den Kampf um den Viertelfinaleinzug. Dort sieht er sein Team in einer ähnlichen Situation wie beim 18-Punkte-Rückstand gegen Serbien: "Ich glaube, dass wir uns als Mannschaft für die Zwischenrunde steigern werden und der Erwartungsdruck, der den ein oder anderen belastet hat, jetzt weg ist. Nach dem Motto: Ihr sitzt quasi auf gepackten Koffern, das wird ganz, ganz schwer. Das wird uns guttun, da etwas unbelastet aufspielen zu können. Wir freuen uns da alle sehr drauf und glauben, dass wir in jedem Spiel eine Chance haben. Auch wenn das der ein oder andere vielleicht anders sieht."
Quelle: ntv.de