"Eine Niederlage für das ganze Land" EM-K.o. trifft Litauen ins Mark
15.09.2011, 15:40 Uhr
Fassungslos auf der litauischen Bank. Der EM-K.o. schmerzte doppelt, weil er ein Lucky Punch des Außenseiters Mazedonien war.
(Foto: dpa)
Basketball kann wunderschön, Basketball kann schrecklich sein: Das erfährt EM-Gastgeber Litauen im Viertelfinale gegen Mazedonien. Tränen fließen, als der Außenseiter der rauschenden EM-Party des basketballverrückten Landes ein jähes Ende bereitet. Das plötzliche Schweigen der 15.000 Fans ist ohrenbetäubend.
Millimeter haben aus Litauens Basketball-Traum einen Albtraum gemacht und verhindert, dass sich Simas Jasaitis in den sportlichen Annalen seines Heimatlandes einen exponierten Platz gesichert hat. Statt durch den mazedonischen Ring fiel der Wurf von Jasaitis Sekunden vor der Schlusssirene nur auf dessen Kante. Statt 67:66 für Litauen hieß es weiter 66:65 für Mazedonien. Statt Litauen als strahlender Held ins Halbfinale zu werfen, wird Jasaitis für immer mit einem anderen Wort in Verbindung gebracht werden: Tragik.
Als der Ball ins Feld zurücksprang, war der Traum von einer Medaille bei der Heim-Europameisterschaft im Viertelfinale geplatzt. Dass Mazedonien noch einen Freiwurf verwandelte, interessierte niemanden mehr. Litauens Fans blieben schockiert zurück.
Tränen in allen Augen
Egal ob die 15.000 ekstatischen Zuschauer in der Halle oder der Rest des baltischen Landes in den Kneipen und daheim vor den Fernsehern - das sensationelle, unerwartete, unmögliche Viertelfinal-Aus ihrer Helden traf die Litauer bis ins Mark. "Das ist nicht nur eine Niederlage für den Basketball, sondern für das ganze Land. Wir haben alle Tag für Tag für diesen Traum gelebt", sagte Kapitän Robertas Javtokas mit Tränen in den Augen.
Das Aus gegen Mazedonien war vergleichbar mit dem WM-Schock der deutschen Fußballfrauen im Viertelfinale gegen Japan bei ihrer Heim-WM, es war der ultimative Stimmungstöter. Wie aus dem Nichts endete am Mittwochabend mit dem 65:67 gegen Mazedonien die riesige Basketball-Party in Litauen, wo dieser Sport eine noch größere Bedeutung hat als der Fußball in Deutschland. "Das Wunder der Mazedonier lässt Litauen weinen", titelte die Zeitung "Lietuvos rytas". "Die Mazedonier bringen die litauische Siegeshymne zum Schweigen", schrieb das Blatt "Kauno diena".
Immerhin zeigten die Litauer wie angekündigt Moral. Im ersten Platzierungsspiel gegen Slowenien zitterten sie sich zu einem 80:77 (44:33)-Erfolg und sicherten sich damit zumindest das Ticket für das olympische Qualifikationsturnier im kommenden Sommer. Auch die Fans standen wieder wie eine Wand hinter ihrem Team, obwohl die Enttäuschung über das verpasste Halbfinals noch greifbar war.
Nervenspiel gegen Litauen
Jahrelang hatten die Litauer der EM im eigenen Land entgegen gefiebert, machten die Spiele ihres Teams stets zu stimmungsvollen, unvergesslichen Basketball-Momenten. Doch ausgerechnet gegen den klaren Außenseiter Mazedonien versagten ihnen die Nerven. "Wenn wir gegen Spanien verloren hätten, wäre das etwas anderes gewesen. Aber gegen Mazedonien?", fragte Javtokas nach dem Krimi von Kaunas ungläubig.
Mit vier Punkten Vorsprung war Litauen in die letzte Minute des Basketball-Krimis gegangen. Doch 11,3 Sekunden vor Schluss schockte der Mazedonier Vlado Ilievski die "grüne Hölle" per Dreier zum 66:65 für den Underdog. Von einer Sekunde auf die nächste war es in der Arena muchsmäuschenstill. Ungläubig starrten die ganz in grün gekleideten Fans auf das Parkett. Keiner konnte fassen, was da soeben geschehen war. Zuvor hatten Litauen im eigenen Angriff und in der Abwehr die Hände gezittert, zwei unnötige Ballverluste waren die Folge. Als im letzten Angriff dann Simas Jasaitas seinen offenen Wurf vergab, flossen die Tränen. Schweigend und mit gesenkten Köpfen schlichen die Litauer nach Hause - die Basketball-Party in den Straßen von Kaunas fiel aus.
"Das ist ein großer Tag für uns"
Bei den Mazedoniern herrschte dagegen Riesenjubel. "Das ist ein großer Tag für uns", sagte Spielmacher Bo McCalebb, mit 23 Punkten erneut überragender Akteur seines Teams. Neben dem eingebürgerten US-Amerikaner und Ilievskis entscheidenden Dreier ragte vor allem aber Vojdan Stojanovski mit fünf verwandelten Dreiern bei fünf Versuchen heraus.
Die wundersame EM-Reise von McCalebb und Teamkollegen soll mit der Sensation gegen Litauen noch nicht vorbei sein. "Wir werden uns auch vor Spanien nicht verstecken", kündigte McCalebb dem Titelverteidiger im Halbfinale am Freitag (16.30 Uhr) erneut einen heißen Tanz an.
Quelle: ntv.de, cwo/dpa