Formel1

"Alonso war der rote Hai im Regentanz" Formel 1 leidet mit Vettel

Nach dem Debakel in Südkorea ist der Titel für Sebastian Vettel praktisch verloren. Zu allem Überfluss muss er nun wohl für seinen Red-Bull-Teamkollegen Mark Webber fahren, und auch noch etwas Spott und viel Mitleid der Presse ertragen.

Sebastian Vettel hat in Südkorea viel mehr als den Sieg verloren.

Sebastian Vettel hat in Südkorea viel mehr als den Sieg verloren.

(Foto: REUTERS)

Sympathien gewonnen, den Titel aber fast sicher verloren: Die Formel 1 fühlt mit Sebastian Vettel. Fans, Medien und sogar Konkurrenten haben Mitleid mit dem jungen Deutschen, der schon eine Hand am WM-Pokal hatte und nach dem unverschuldeten Ausfall in Südkorea nun nahezu chancenlos ist. "Vettel wird von seinem Motor, Webber von seinen Nerven verraten", schrieb "Corriere dello Sport" nicht ohne Schadenfreude und huldigte voller Respekt dem lachenden Dritten im Bruderkampf der Roten Bullen: "Ferrari an der Spitze der Welt. Fernando Alonso war der rote Hai im Regentanz".

Die italienischen Medien ließen kein gutes Haar an Vettel und dem gesamten Team. "Red Bulls Zusammenbruch! Vettel hat sich als Chaot erwiesen, mehr, als es sein jugendliches Alter zulassen sollte", schrieb "La Stampa" und bescheinigte Vettel und dem nach einem selbst verschuldeten Dreher früh ausgeschiedenen Mark Webber "Unerfahrenheit, Angst vor dem Sieg".

"Okkulte Hand" im Spiel?

Happy: Fernando Alonso siegte im Ferrari und liegt jetzt auch im Kampf um die WM-Krone auf der Pole Position.

Happy: Fernando Alonso siegte im Ferrari und liegt jetzt auch im Kampf um die WM-Krone auf der Pole Position.

(Foto: AP)

Die "Gazzetta dello Sport" brachte noch ganz andere Mächte ins Spiel: "Eine okkulte Hand hat zuerst Webber und dann Vettel den K.o. versetzt." Allerdings fordert die "Gazzetta" nun auch unmissverständlich den Titel von Ferrari: "Das Glück macht nicht umsonst Geschenke und erträgt keinen Verrat."

Derweil litt vor allem der Rekord-Weltmeister mit seinem jungen Landsmann. "Ich bin mit ihm traurig", sagte Michael Schumacher, der für seine Leistung in widrigsten äußeren Verhältnissen ausnahmsweise sogar von den britischen Zeitungen gelobt wurde: "Während die meisten Fahrer im Regen das Gesicht verzogen, setzte Michael Schumacher ein Lächeln auf und machte sich an die Arbeit. Der alte Regenmeister war zurück", schrieb die "Times".

"Manchmal muss man auch Drecksau sein"

Schumacher war nicht der einzige, der mit Vettel fühlte. Ausgerechnet mit seinem Ausscheiden im chaotischen Premieren-Rennen in Südkorea gewann der beileibe nicht unumstrittene Heppenheimer zum ersten Mal in diesem Jahr viele Sympathien. Auch deshalb, weil er nicht die Chance nutzte, nach seinem Motorschaden eine Safety-Car-Phase zu erzwingen, um den Sieg des neuen WM-Spitzenreiters Fernando Alonso noch zu gefährden. "Ich habe sofort daran gedacht", gab Vettel anschließend zu: "Aber was bringt das? Da muss man auch Sportsmann sein. Manchmal muss man natürlich auch Drecksau sein, aber nicht so sehr."

"Manchmal muss man natürlich auch Drecksau sein, aber nicht so sehr."

"Manchmal muss man natürlich auch Drecksau sein, aber nicht so sehr."

(Foto: REUTERS)

Eine honorige Einstellung angesichts der Tatsache, wie bitter das unverschuldete Ausscheiden des 23-Jährigen nach einem fantastischen Rennen war. Hätte Vettel gewonnen, hätten ihm ein Sieg und ein vierter Platz in den letzten beiden Rennen sicher zum Titel gereicht. Nun wäre die Chance schon vor dem Finale in Abu Dhabi rechnerisch dahin, wenn er in Brasilien hinter Alonso landet. Spätestens dann würden bei Red Bull die hierarchischen Strukturen greifen, Vettel müsste sich wohl in den Dienst Webbers stellen.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner schloss sogar schon für den nächsten Lauf in Sao Paulo eine Stallregie nicht mehr aus: "Ich hatte noch keine Zeit, alle Szenarien durchzurechnen, aber das werden wir bis Brasilien tun."

Motorenlotterie könnte entscheiden

Schumacher wirft Red Bull vor, die Teamorder nicht frühzeitig eingesetzt zu haben - und zwar zugunsten Vettels. "Ich darf gerne zurückerinnern: Vor fast zehn Jahren hat man uns für verrückt erklärt, ganz früh Richtung Meisterschaft zu denken", sagte er mit Blick auf seinen dritten Ferrari-Titel 2002 und Jean Todts legendäre Botschaft an Rubens Barrichello ("Let Michael pass for the championship"). Red Bull, so Schumacher, habe sich zu lange einer solchen klaren Vorgabe verweigert: "Hätte man das schon früher getan, wären die Sorgenfalten etwas kleiner. Jetzt muss man damit klarkommen."

Dass Red Bull aus marketingtechnischen Gründen lieber einen Weltmeister Vettel als einen Champion Webber gebrauchen könnte, scheint klar. "Die Logik sagt, dass Red Bull alle Karten auf Webber platziert. Doch in diesem Team schlägt das Herz für Vettel", sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. Doch Webber ist nun mal mit 220 Punkten Zweiter der WM-Wertung hinter Alonso (231), Vettel mit 206 Zählern noch hinter Lewis Hamilton (210) Vierter.

Für die Konkurrenz wird es in Brasilien und Abu Dhabi nun sehr schwer, denn Alonso (231) hat einen Lauf. Aus den letzten sieben Rennen holte der Spanier vier Siege und 133 von 175 möglichen Punkten. Das Problem des zweimaligen Weltmeisters könnte der Motorenmangel sein. Benötigt er in Brasilien einen weiteren, würde ihn das für Abu Dhabi zehn Startplätze kosten - und die Titel-Lotterie würde von Neuem beginnen.

Quelle: ntv.de, Holger Schmidt, sid

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