Formel 1 in Brasilien Trio mit zwei Chancen
16.10.2009, 14:41 UhrZwei Rennen noch in der Formel 1, zwei Rennen für Sebastian Vettel, um das Unmögliche möglich zu machen und doch noch Weltmeister zu werden. Die Formel 1 biegt auf die Zielgerade und bietet Spannung pur.
Irgendwie wirkt Sebastian Vettel erleichtert in diesen Tagen. Nicht, dass der junge Formel-1-Pilot irgendwas erreicht hätte. Es ist nur derzeit alles klar und einfach für ihn. Zwei Rennen gewinnen und dann sehen, was die Konkurrenten auf die Beine gestellt haben. Das mag der Heppenheimer wie jeder andere Rennfahrer auch. Kein Taktieren mehr, keine Planspielchen – einfach nur Rennen fahren. Vettel wirkt fast gelöst in Südamerika.

Die drei mit Chancen: Sebastian Vettel (r.), Jenson Button und Rubens Barrichello.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Wenn am Sonntag die Motoren aufheulen zum Start des vorletzten Rennens der Saison, dann geht es nur noch um Sieg oder Niederlage. Alles andere als zwei Siege bedeuten für den jungen Wilden aus Deutschland das Nachsehen im Titelrennen. Der Red-Bull-Pilot muss 17 Punkte aufholen und kann daher nur auf Sieg fahren. Das Wetter scheint ihm hold zu sein, denn die Wahrscheinlichkeit eines Regenrennens in Brasilien ist hoch. Für das freie Training am Freitag liegt sie bei 70, für Samstag und Sonntag bei 50 Prozent.
Dramen in Interlagos
Unwillkürlich kommt die Erinnerung an das dramatische Saisonfinale vor einem Jahr hoch. Unvergessen der Augenblick, als Lewis Hamilton sich an dem mit Trockenreifen bereiften Timo Glock vorbei auf Platz fünf schiebt. Der Sieger Felipe Massa durfte sich für einige Sekunden als Weltmeister wähnen, bevor er in das tiefe Tal der Tränen abglitt. Es gab wohl niemals zuvor mehr Dramatik bei einem Saisonfinale. São Paulo ist immer für viele Emotionen gut.
In der Tat hat Sebastian Vettel den Vorteil, dass für ihn die Sache klar ist. Er muss gewinnen. Für Rubens Barrichello und den Favoriten Jenson Button in ihren Brawn-Autos ist das Ganze ungleich diffiziler. Vor allem, weil beide nicht so recht wissen, wo sie stehen. Der letzte Sieg von Jenson Button datiert aus dem Juni beim Grand Prix in der Türkei. Seitdem hat der Brite zwar nur einmal nicht gepunktet, aber bei den übrigen Rennen waren die Chancen auf einen Sieg kaum vorhanden.
Nervosität oder Abgebrühtheit?
Das liegt auch am Auto, aber nicht nur. Denn zwei Barrichello-Siege in Spanien und Italien haben gezeigt, dass man mit dem Brawn durchaus immer noch Rennen gewinnen kann. Aber Button ist zurückhaltend und taktisch klug gefahren. War es Abgebrühtheit oder Nervosität, die ihn auf Punkte fahren ließen? Diese Frage werden die letzten beiden Rennen beantworten können. Ihm genügen drei Punkte zum Triumph, da er mit sechs Siegen auch bei Punktegleichstand Weltmeister wäre.

Wie stark sind die Brawn-Autos wirklich? In Brasilien müssen sie die Karten auf den Tisch legen.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Rubens Barrichello hingegen, der Dritte im Bunde, der noch Titelchancen hat, fährt um seine wohl allerletzte Chance auf einen WM-Titel. Sein Cockpit geht in der nächsten Saison aller Wahrscheinlichkeit nach an Nico Rosberg. Er selbst wird wohl in einem Williams Platz nehmen, hat dann aber eher kein siegfähiges Auto mehr zur Verfügung. Es wäre die Krönung einer langen und durchaus erfolgreichen Karriere des einstigen Edelhelfers von Michael Schumacher. Daher wird der Brasilianer bei seinem Heim-Grandprix wohl alles daran setzen, möglichst viele der 15 Punkte Rückstand auf Button wettzumachen. In Interlagos, der Rennstrecke von São Paulo, werden die Zuschauer dem sympathischen Piloten wohl alle Daumen drücken.
Zwist zwischen Massa und Alonso
Für die übrigen Teams und Piloten sind die letzten zwei Rennen der längsten Formel-1-Saison aller Zeiten eher eine Gelegenheit zum Schaulaufen. Ferrari widmet sich ganz offiziell vornehmlich der Entwicklung des Boliden für die kommende Saison und würde über das verkorkste Jahr am liebsten den Mantel des Schweigens legen. Dabei bahnt sich schon jetzt ein Streit zwischen Felipe Massa und seinem neuen Kollegen Fernando Alonso an. Massa soll den Spanier des Betruges beim Skandalrennen in Singapur vergangenes Jahr beschuldigt haben. Es ist wohl wirklich wahrscheinlich, dass ihn die Manipulation von Ex-Teamchef Briatore und Nelson Piquet Junior den WM-Titel gekostet hat. Alonso wiegelt ab, aber ganz ungetrübt dürfte das Verhältnis der beiden wohl nicht werden.

Dramatik pur in Interlagos 2008: Felipe Massa gewinnt den Grand Prix, aber Lewis Hamilton die WM.
(Foto: REUTERS)
Für BMW-Sauber geht es hingegen auf Abschiedstour. Das Team will aber unbedingt noch mal punkten und so den Stand in der Teamwertung etwas zu ihren Gunsten verbessern. "Das wäre schon wichtig", sagt Motorsport-Direktor Mario Theissen. Wahrscheinlich wird es für Sauber weiter gehen. Ein immer noch ominöser Sponsor soll einsteigen und die notwendigen finanziellen Mittel für die kommende Saison bereitstellen. Wäre schön für die Schweizer, die durch den abrupten Ausstieg von BMW arg in Bedrängnis gerieten.
Hamilton als Spielverderber?
Auch bei McLaren-Mercedes konzentriert man sich bereits vornehmlich auf die Entwicklung des neuen Autos, auch wenn darum weniger Wirbel gemacht wird. Der Aufwärtstrend von Noch-Weltmeister Lewis Hamilton im letzten Drittel der Saison war unverkennbar und auch Heikki Kovalainen konnte kräftig zulegen. Damit könnten die Mercedes-Piloten am Ende zum Zünglein an der Waage werden. Denn wenn die Silbernen Sebastian Vettel den Sieg wegschnappen, schrumpfen die Chancen des Deutschen auf nahe Null.
Uns Zuschauern ist dagegen ein Sieg von Vettel zu wünschen. Nicht nur aus patriotischen Motiven oder weil der Jungstar so sympathisch ist. Vielmehr würde das erneut für Superspannung beim letzten Rennen in Abu Dhabi sorgen. Und vielleicht auch dafür, dass sich in der arabischen Wüste mehr Zuschauer einfinden als die 90.000, die sich am Rennwochenende in die Sakhir-Wüste von Bahrein verirrten. Drücken wir die Daumen für ein heißes Finale einer außergewöhnlichen Saison.
Quelle: ntv.de