Hochspannung in der Formel 1 Vettel verkürzt in São Paulo
07.11.2010, 18:58 UhrFormel-1-Weltmeister Jenson Button ist entthront, doch sein Nachfolger wird erst beim WM-Finale in Abu Dhabi gekürt. Beste Chancen hat trotz des Siegs von Sebastian Vettel in São Paulo weiterhin Ferrari-Pilot Fernando Alonso (Ferrari), auch wenn sein Vorsprung in Brasilien schmilzt. Bereits vergeben ist nach dem Red-Bull-Doppelsieg nur der Konstrukteurs-Titel.

Sebastian Vettel feierte in Interlagos einen Start-Ziel-Sieg - von Platz zwei. WM-Spitzenreiter Fernando Alonso wurde Dritter.
(Foto: dpa)
Auf dem Podium streckte er die Zunge raus und tanzte Samba im Konfettiregen: Mit seinem Sieg beim "Schicksalsrennen" in Sao Paulo hat Sebastian Vettel die Chance auf die persönliche Krönung gewahrt und den Team-Triumph schon perfekt gemacht. "Yes Baby! Das war so großartig. Danke, Jungs", schrie Vettel nach seinem Triumph vor Red-Bull-Rennstallrivale Mark Webber und Formel-1-Spitzenreiter Fernando Alonso im Ferrari.
"Fantastisch. Super gefahren, Seb", lobte Teamchef Christian Horner, der seine Ankündigung wahr machte und seinen beiden Piloten freie Fahrt ließ. "Wir fighten noch um die Fahrerweltmeisterschaft, den Kerl neben mir wollen wir uns noch vom Hals schaffen", sagte Vettel schmunzelnd bei der Pressekonferenz in Richtung Alonso.
Start-Ziel-Sieg ohne Pole
Vettel ließ sich auch von Startplatz zwei neben Sensations-Pole-Mann Nico Hülkenberg nicht bremsen und raste beim Großen Preis von Brasilien zu seinem vierten Saisonerfolg. "Ein unglaublicher Tag", so der 23-Jährige. "Ich glaube, es ist schon ein großer Stein, der da vom Herzen fällt. Es war kein einfaches Jahr für uns."
Allerdings muss der Heppenheimer beim Finale in einer Woche in Abu Dhabi auch auf Schützenhilfe hoffen, wenn der 23-Jährige jüngster Titelträger in der Geschichte der "Königsklasse" werden will. Alonso verteidigte durch seinen dritten Platz am Sonntag hinter Vettel und Webber die Gesamtführung. Alonsos Vorsprung auf Vettel schmolz auf 15 Zähler. "Das wird schwierig", meinte auch der bekennende Vettel-Fan Michael Schumacher. Vettel gab sich cool - und realistisch: "Mein Vater hat mir gesagt, was man nicht in den Händen hält, kann man nicht halten. Mit der Einstellung muss man da rangehen."
Webber hat vor dem letzten Saisonlauf nur noch acht Zähler Rückstand auf den zweimaligen Champion. In der Konstrukteurswertung ist dem ungleichen australisch-deutschen Red-Bull-Duo der Triumph nicht mehr zu nehmen. "Ein stolzer Tag für alle", meinte Horner.
Raus aus dem WM-Rennen der Fahrer ist Titelverteidiger Jenson Button, der im McLaren-Mercedes auch rechnerisch keine Möglichkeiten mehr hat. Teamkollege Lewis Hamilton hat nach seinem vierten Platz beim vorletzten WM-Lauf nur noch theoretische Titelchancen (4./222).
Hülkenberg wird durchgereicht
Hülkenberg landete im Williams nach seinem Coup in der Qualifikation letztlich auf dem achten Rang. Schumacher wurde im Mercedes Siebter, davor landete Teamkollege Nico Rosberg auf dem sechsten Platz. Adrian Sutil kam im Force India auf den zwölften, Nick Heidfeld im Sauber auf den 17. und Timo Glock im Virgin auf den 20 Platz.
Vettel legte auch auf der schmutzigen Seite einen blitzsauberen Start hin. Nachdem er zu gemeinsamen Kartzeiten mal den Kürzeren gegen Hülkenberg hatte ziehen müssen, dauerte es diesmal nur bis zur ersten Kurve, ehe er sich revanchierte. "Das war der Schlüssel zum Erfolg", stellte Vettel geschafft, aber überglücklich fest.
"Wir sind sportlich unterwegs"
Formel-1-Neuling Hülkenberg, der sich am Samstag zum ersten Mal in seiner jungen Karriere die Pole gesichert hatte, musste kurz danach auch Webber vorbeilassen. Alonso tat sich bedeutend schwerer mit dem 23-Jährigen, nachdem der Spanier zuvor einen Fahrfehler von Hamilton ausgenutzt hatte und auf Rang vier vorgerückt war. Sechs Runden lang drängelte Alonso vergebens hinter Hülkenberg, ehe er mit seinem überlegenen Ferrari am Williams des tapfer kämpfenden Deutschen vorbeizog.
An der Spitze fuhren die Red Bulls ein einsames Rennen. Vettels Vorsprung auf den nun drittplatzierten Alonso wuchs kontinuierlich. Allerdings konnte er sich von Stallrivale Webber nicht lösen und Spekulationen, ob Red Bull nicht doch den in der WM-Wertung besser platzierten Australier per Teamdekret in Führung schickt, machten die Runde. "Das hätte bedeutet, dass wir von unserer Linie abgegangen werden. Wir sind sportlich unterwegs", betonte Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko.
In Umlauf 26 auf dem 4,309 Kilometer langen Berg- und Talkurs war es soweit. Nachdem Alonso eine Runde früher die harten Reifen hatte draufziehen lassen, kam Vettel in die Box. 4,1 Sekunden dauerte der Wechsel. Nach insgesamt 21,471 Sekunden reihte sich Vettel wieder ein. Ein weitere Runde später kam Webber. Und er blieb trotz eines etwas schnelleren Stopps (3,5/20,735) hinter Vettel. "Solange jeder Fahrer eine theoretische Chance hat, wird es keinen Platztausch gegeben. Von der Box wäre da nichts gekommen. Etwas anderes ist es, wenn die Fahrer selbst entscheiden", sagte Marko, nachdem sich Webber und Vettel am Morgen vor den Rennen zusammengesetzt haben sollen.
Ungewohnt unspektakuläres Rennen
Nachdem vor drei Jahren Kimi Räikkönen in einem packenden Rennen den Titel geholt hatte und 2008 Hamilton in einem dramatischen Lauf Weltmeister geworden war, entwickelte sich der Grand Prix über die Gesamtdistanz von 305,909 Kilometern diesmal unspektakulär. Nach den Boxenstopps war die Situation wie vorher, die einzig bange Frage: Halten bei den Titelkandidaten die Autos, nachdem vor zwei Wochen ein Motorplatzer Vettel ein paar Runden vor dem Ende gebremst hatte?
Das Triebwerk hielt, aber nach einem heftigen Abflug von Vitantonio Liuzzi musste das Safety Car auf die Strecke. Durch reichlich zu überrundende Fahrer konnte Alonso davon aber nicht entscheidend profitieren. Vettel gewann in 1:33:11,803 Stunden mit 4,243 Sekunden Vorprung auf Webber.
Quelle: ntv.de, dpa