
Ein Fan des 1. FC Saarbrücken wurde 1988 totgeprügelt.
(Foto: imago sportfotodienst)
Vor 35 Jahren sagte der DFB erstmals in seiner Geschichte ein Pflichtspiel aus Angst vor Zuschauer-Krawallen ab. Der Grund für die Entscheidung war ein dramatischer: Kurz zuvor hatten Schalker einen Saarbrücker Fan zu Tode geprügelt. Die Fußballwelt stand unter Schock. Leider viel zu kurz!
Nach dem tragischen Tod des Anhängers des SV Werder Bremen, Adrian Maleika, im Oktober 1982 hatten die Fans in Deutschland gehofft, dass es nie wieder soweit kommen würde. Doch nur knapp sechs Jahre später passierte es erneut. Die Fußballwelt hielt damals im September 1988 inne. Wieder einmal. Doch es sollte weitere zehn Jahre dauern, bis nach der "Schande von Lens", als der französische Polizist Daniel Nivel von deutschen Hooligans fast zu Tode geprügelt worden war, endlich eine furchtbare Zeit der Angst und des Schreckens im Fußball zu Ende ging.
Für Frank Bayer kam diese Entwicklung zu spät. Erst 20 Jahre jung war der Fan des 1. FC Saarbrücken, als er nach einem Spiel seines Klubs von einem Schalker mit einer Holzlatte niedergestreckt wurde. Mit einer klaffenden Wunde am Kopf kam der junge Mann aus dem Dörfchen Quierschied anschließend ins Krankenhaus. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, wie schwer seine Verletzung tatsächlich war. Wenige Tage später war Frank Bayer tot.
An einem spätsommerlichen Mittwochabend war der gelernte Tischler damals zusammen mit seinen Freunden in den Ludwigspark gegangen. Nur knapp 5.000 Besucher hatten sich zu diesem Zweitligaspiel gegen den FC Schalke 04 eingefunden. Die Stimmung im Stadion war dennoch gut. Besonders, als Wenanty Fuhl in der neunzigsten Minute den 2:1-Siegtreffer für die Heimmannschaft erzielte. Jubelnd liefen Frank Bayer und seine Freunde nach dem Spiel zu ihren Autos.
Nur 124 Stunden später war Frank Bayer tot
Doch unterwegs, zwischen zwei Bussen, lauerten schon einige Schalker auf die Saarbrücker Fans. Frank Bayer hatte keine Chance. Die Holzlatte traf ihn direkt auf den Kopf. Während seine Begleiter unverletzt fliehen konnten, sackte der junge Anhänger blutüberströmt zusammen. Noch bei vollem Bewusstsein wurde er mit einem Notarztwagen abtransportiert. Seine Freunde fuhren noch in der Nacht zu den Eltern von Frank Bayer - und beruhigten sie. Die Ärzte hätten eine Platzwunde und Gehirnerschütterung diagnostiziert, sagten sie ihnen. Doch schon bald verschlechterte sich der Zustand des jungen Fans. 124 Stunden später war Frank Bayer tot. Die Blutungen im Gehirn konnten nicht mehr gestoppt werden.
Die Nachricht vom Tod des Saarbrücker Anhängers versetzte die Fußballwelt in einen Schockzustand. Und erstmals sagte der DFB in seiner Geschichte ein geplantes Pflichtspiel aus Sorge vor Zuschauer-Ausschreitungen ab. Die DFB-Pokal-Partie zwischen Saar 05 und dem FC Schalke 04 wurde erst im November nachgeholt. Am Abend der eigentlichen Begegnung verabredeten sich Saar 05 und der 1. FC Saarbrücken zu einem Benefizspiel für die Hinterbliebenen von Frank Bayer im Ludwigspark.
"Wussten keinen anderen Ausweg mehr"
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Zwei Jahre später ereilte die deutsche Fußballwelt die nächste Schocknachricht. Am 3. November 1990 wurde der Berliner Mike Polley in Leipzig von einer Polizeikugel tödlich getroffen. Zuvor war es rund um das Spiel FC Sachsen Leipzig und dem FC Berlin zu schweren Ausschreitungen gekommen. Die Polizei, die hoffnungslos unterbesetzt war, bekam damals die Lage zu keiner Zeit unter Kontrolle. Als sich die Beamten schließlich am Leutzscher Bahnhof selbst in einer Notlage sahen, kam es zu einer folgenschweren Reaktion des Polizeieinsatzleiters Karl-Heinz Krompholz: "Da wir dann relativ eingeklemmt waren und uns keinen anderen Ausweg mehr wussten, habe ich den Befehl gegeben von der Schusswaffe Gebrauch zu machen." Eine dieser Kugeln traf den erst 18jährigen Mike Polley, der noch am Tatort verstarb. Bis heute ist der genaue Tathergang unbekannt. Niemand wurde zur Rechenschaft gezogen. Die Ermittlungen sind damals ergebnislos eingestellt worden.
Erst acht Jahre später sollte dann der hinterhältige Angriff auf den französischen Polizisten Daniel Nivel in Lens einen Wende- und Endpunkt der Gewalt rund um den Fußball bilden. Der Journalist Christoph Ruf hat einmal gesagt: "Die stillschweigende Sympathie zwischen normalen Fußballfans und Hooligans, die es ohnehin nur sporadisch gegeben hat, war mit Lens völlig erloschen." Doch für Frank Bayer kam diese Entwicklung zehn Jahre zu spät. Nur kurz hatte die Fußballwelt damals innegehalten. Im September vor 35 Jahren.
Quelle: ntv.de