Euphorie! Pathos! Glaube! BVB redet sich stark für "noch einen scheiß Sieg"
22.05.2023, 10:35 Uhr
Beim BVB sind sie zuversichtlich.
(Foto: picture alliance/dpa)
Borussia Dortmund wird Deutscher Meister, davon ist der Verein überzeugt. Am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga hat man das Glück in den eigenen Händen und will diesmal beherzt zupacken. 90 Minuten und drei Punkte fehlen noch zum großen Triumph. Aufs Spiel stimmt man sich mit Euphorie und Pathos ein.
Borussia Dortmund steht kurz vor dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Ganz kurz, fast unmittelbar. Neunzig Minuten müssen sie nach einer langen Saison noch erfolgreich rumbringen, dann ist die gewaltige Aufholjagd perfekt: Mit neun Punkten Rückstand auf den FC Bayern München ging der BVB im November in die WM-Pause, als Sechster. Nun, nach dem 3:0 beim FC Augsburg am 33. Spieltag, sind sie Tabellenführer, mit zwei Punkten Vorsprung vor dem Rekordmeister. Drei Punkte gegen den 1. FSV Mainz 05 und der BVB ist zum neunten Mal deutscher Meister. Und sie reden sich lautstark Mut zu, dass am Samstagabend um kurz vor halb sechs die Zeit der gnadenlosen Dominanz des FC Bayern endlich gebrochen sein wird.
"Ein verdammter Sieg noch, ein scheiß Sieg noch", schrie Sportdirektor Sebastian Kehl durch die Interviewzone, als er an den wartenden Journalisten vorbei Richtung Mannschaftskabine ging. Wenig später sagte er bei DAZN dann ausführlicher: "Wir haben heute einen Riesenschritt gemacht, da brauchen wir nicht drumherumreden". Kehl, der mit dem BVB dreimal die Schale in den Ruhrpott geholt hatte, weiß, dass "die Euphorie jetzt riesig sein wird. Wir werden sie aufsaugen, mitnehmen. Wir brauchen noch einmal 90 Minuten in unserem Stadion, mit der Power der letzten Wochen - jetzt dürfen wir uns das nicht mehr nehmen lassen."
"Diesen Moment kann man nicht kaufen"
Am ersten Meistertitel seit 2012 zweifelt bei Borussia Dortmund nach dem souveränen 3:0 in Augsburg niemand mehr. "Wir werden es. Wir werden es, Männer!", brüllte Nationalspieler Nico Schlotterbeck, als die BVB-Profis als neuer Tabellenführer am Sonntag in die Umkleidekabine gingen. Zwei Punkte beträgt der Vorsprung auf den FC Bayern vor dem letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga. Ein Heimsieg gegen Mainz 05 und Schwarz-Gelb durchbricht die zehnjährige Bayern-Dominanz.
Trainer Edin Terzic griff, das kann er, der dem Klub in seiner ersten kurzen Amtszeit schon den Pokalsieg beschert hatte, in die Pathoskiste: "In sieben Tagen ist die Saison vorbei, dann können sich die Jungs wieder alles kaufen, was sie wollen - das nächste Auto, das nächste Haus, den nächsten Urlaub. Aber diesen Moment kann man nicht kaufen", sagte der Trainer, der einst auf der mächtigen Südtribüne stand. "Den haben wir uns hart erarbeitet, dafür haben wir gelitten und sehr viel Schweiß liegenlassen. Jetzt geht es darum, den letzten Schritt zu gehen, mit unseren Fans in unserem Stadion in unserer Stadt zu gehen, um endlich die Meisterschale zurück nach Dortmund zu bringen."
81.000 Menschen werden im Stadion sein, der SignalIduna-Park, den sie natürlich alle weiter Westfalenstadion nennen, ist selbstverständlich restlos ausverkauft. Und Terzic fordert auch von den Glücklichen, die ein Ticket ergattern konnten, vollen Einsatz: "An die Fans kann ich sagen: Nächste Woche ist eine unglaubliche Situation, um einen neuen Rekord zu schaffen. Und wir müssen nächste Woche so laut sein, wie wir es noch nie waren."
Der BVB, der noch vor dem Saisonstart von der Krebserkrankung des Königstransfer Sebastien Haller geschockt wurde und der in der Folge eine vergleichsweise schwache Hinserie gespielt hatte, hat jetzt eine Hand an der Schale. In dieselbe Lage hatte man sich schon einmal gekämpft: Nach dem 29. Spieltag - der FC Bayern hatte in Mainz verloren, der BVB wenige Stunden später Eintracht Frankfurt mit einem 4:0 überrollt - hatte Borussia Dortmund die Tabellenspitze erobert - und sie eine Woche später durch ein 1:1 beim Abstiegskandidaten VfL Bochum wieder hergeschenkt.
"Wie oft bist du bereit, wieder aufzustehen?"
Es war nach dem absurden 3:3 gegen den seinerzeit Tabellenvorletzten VfB Stuttgart am 27. Spieltag, als der BVB in Überzahl erst ein 2:0 aus der Hand gab und das Kellerkind dann auch noch tief in der Nachspielzeit das 2:3 konterte, der nächste schwere Nackenschlag im Titelrennen. Über die Mannschaft wurde in der Folge Häme ausgekippt, dass der so nahe Titel einfach weggeworfen werde. Mal wieder. Auch ein hart gegen die innere Eskalation kämpfender, sichtbar schwer enttäuschter Terzic stimmte ein: "Wir sind heute die, über die ganz Deutschland lacht", fällte er ein knallhartes Fazit. "Ich bin einfach nur super enttäuscht und sauer über das, was hier heute passiert ist", sagte er nach dem Stuttgart-Spiel.
Wenige Wochen später ist alles vergessen. "Wir haben entschieden, dass es irgendwann nicht mehr die Saison der verpassten Chancen ist, sondern die Saison der Rückschläge", erklärte Terzic nun. "Dann geht es darum: Wie oft bist du bereit, wieder aufzustehen, wenn alle sagen, dass es vorbei ist?"
Sebastien Haller, der in Augsburg mit seinen beiden Toren einen nervösen BVB beruhigte, assistierte: "Jeder wusste, dass es eine große Chance war und jeder wusste, dass wir in der Vergangenheit ein paar Chancen verschwendet haben", sagte der von seiner Krebserkrankung genesene Franzose. "Wir haben viel miteinander geredet, wollten unseren Prinzipien treu bleiben, positiv und geduldig sein." Die Truppe müsse nun "unseren Weg beizubehalten - dann wird es kommen. Da gibt es keine Magie, es ist nur viel Einsatz, Laufen und Positivität."
Durch die Niederlage des FC Bayern gegen RB Leipzig (1:3) hat der BVB noch einmal die Chance erhalten, das Glück doch noch in den eigenen Händen zu halten. "Wir haben nur eine Chance, wenn alle fest daran glauben und alle positiv sind und in die gleiche Richtung arbeiten", mahnte Terzic nur verhalten. "Dieses Jahr sind wir so nah dran, wie schon lange nicht mehr. Wir müssen noch sechsmal schlafen, einmal wach werden, Vollgas geben - und dann können wir hoffentlich endlich die Meisterschale in der Hand halten."
Quelle: ntv.de, ter