"Chance geht mir durch den Kopf" Ballack plagen Gewissensbisse
14.09.2011, 12:28 Uhr
Nicht drin: Michael Ballack scheitert in der 57. Minute freistehend an Chelsea-Keeper Petr Cech.
(Foto: REUTERS)
Michael Ballack zeigt bei seiner Rückkehr nach Chelsea eine gute Leistung. Dennoch ist er beim 0:2 mit Bayer Leverkusen beim Start in die Champions League wieder die tragische Figur. Der wahre Held steht aus Bayer-Sicht im Tor, auch wenn er die unglückliche Niederlage nicht verhindern kann.
Nach seiner emotionalen Rückkehr auf die ganz große Fußball-Bühne plagten Michael Ballack Gewissensbisse. "Die Chance geht mir immer noch durch den Kopf", sagte er kurz nach Mitternacht mit gesenktem Kopf. Trotz einer guten Leistung war der 98-malige Nationalspieler beim 0:2 (0:0) von Bayer Leverkusen zum Auftakt der Champions-League-Gruppenphase bei seinem Ex-Klub FC Chelsea erneut die tragische Figur. Erst vergab er die Riesenchance zur Führung, dann kassierte Bayer 37 Sekunden nach seiner Auswechslung das wegweisende 0:1 durch David Luiz (67.).
"Wenn ich das Tor mache, sieht es richtig gut aus für uns", sagte Ballack: "Leider ist er nicht reingegangen. Und es ist leider nicht mehr zu ändern." In der 57. Minute hätte er zum Helden werden können, als er nach tollem Pass von Andre Schürrle frei vor Petr Cech auftauchte. Im Training hatte es diese Szene über vier Jahre hinweg hundertfach gegeben, nun, als es drauf ankam, gewann der tschechische Nationaltorwart den Zweikampf.
Emotionale Rückkehr

Die vergebene Chance war der einzige Makel an Ballacks ansonsten tadelloser Leistung.
(Foto: REUTERS)
Vergessen waren zu diesem Zeitpunkt all die "sehr emotionalen" Momente, die Ballack an alter Wirkungsstätte an der Stamford Bridge erlebt hatte. Die offizielle Verabschiedung von Chelsea vor dem Anpfiff, "die mich sehr gefreut hat". Die herzlichen Reaktionen der britischen Fans, die ihn freundlich empfingen und sich bei seiner Auswechslung sogar von den Sitzen erhoben und frenetisch applaudierten. Und auch das Lob von Trainer Robin Dutt, der eine "tolle Leistung" und "ein sehr sehr gutes Spiel von Michael" gesehen hatte und somit Hoffnungen schürte, dass Ballack wieder dicht vor einem Stammplatz steht.
Uneinig waren sich der Trainer und sein prominentester Spieler nur über den Grund der Auswechslung. "Er war müde", sagte Dutt. "Nö, ich habe mich gut gefühlt", entgegnete Ballack: "Aber der Trainer hat so entschieden und das ist okay."
"Braucht die Köpfe nicht hängenzulassen"
Okay war auch die gesamte Leistung der Leverkusener im ersten Champions-League-Spiel seit sechseinhalb Jahren. Beim Bankett im Hotel Melia White House ergriff Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser dann auch das Mikrofon und tröstete die junge Mannschaft: "Ihr braucht die Köpfe nicht hängenzulassen, das war eine sehr sehr gute Leistung, und wir haben noch alle Chancen." Das gilt vor allem, weil Gruppenaußenseiter KRC Genk dem FC Valencia zwei Punkte abknöpfte. Sportchef Rudi Völler stellte fest: "Wir sind angekommen in der Champions League. Wir waren nicht über 90 Minuten auf Augenhöhe, aber für sehr lange Zeit.
Das alles war für die Spieler freilich kein Trost. "Wenn man verliert, kann man nicht stolz sein", sagte Kapitän Simon Rolfes, der drei Jahre nach seiner Teilnahme an einem EM-Halbfinale endlich auch seine Champions-League-Premiere erlebte: "Dass wir eine sehr gute Mannschaft sind, wussten wir vorher. Aber es ist ärgerlich, dass wir die Leistung nicht bis zum Ende durchziehen konnten." Gegen den FC Valencia und KRC Genk, die sich zum Auftakt 0:0 trennten, hat Bayer aber noch alle Chancen auf das Erreichen des Achtelfinales.
"Gratulation, der war klasse!"
Vor allem mit einem Torhüter wie Bernd Leno. "Bernd Leno, wer ist das?", hatte Chelsea-Verteidiger David Luiz nach dem Spiel einigermaßen ratlos gefragt. Erst als man ihm erklärte, dass er gegen den 19-jährigen Torwart-Nobody das Führungstor erzielt hatte, ging ihm ein Licht auf: "Gratulation, der war klasse!" Ehe Luiz in der 67. Minute das 1:0 schoss, zeigte Aushilfskeeper Leno Glanzparaden in Serie. "Als Torwart ist man froh, wenn man viel zu tun bekommt. Das hat ihm gefallen", sagte Rudi Völler im Bemühen, die neue Torwart-Rakete etwas vom Himmel zu holen.
Der 19-Jährige, vor wenigen Wochen noch als dritter Torwart des VfB Stuttgart in der 3. Liga aktiv, schien in seinem ersten Spiel in der Königsklasse keine Nervosität zu kennen und zeigte eine Klasseleistung. Dutt machte gar eine Ausstrahlung aus, "die der von Cech nicht nachstand".
Der Teenager sicherte sich nach dem Spiel, für das auch seine Eltern extra nach London gereist waren, erst einmal das Trikot seines Idols und gab ein unerwartetes Bekenntnis für Bayer ab. In die 3. Liga zurückzugehen, könne sich der bis Dezember ausgeliehene Keeper "nicht vorstellen. Leverkusen ist ein Superklub und spielt Champions League, Stuttgart nicht", sagte er: "Ich fühle mich hier wohl, aber es liegt nicht an mir."
Auch zum ersten Gegentor hatte er eine klare Meinung: "Das Tor darf nicht passieren, ob mit oder ohne Ballack", meinte er bestimmt: "Aber ich denke, für Michael war es was Riesiges, wie er hier verabschiedet wurde." Dies war zunächst freilich nur ein schwacher Trost.
Quelle: ntv.de, sid/dpa