Fußball

Titellose Saison, Trainer in der Kritik Bayern wanken, van Gaal wackelt

Der FC Bayern diskutiert nicht über Trainer Louis van Gaal. Zumindest nicht öffentlich. Dabei ist die Situation alles andere als rosig. Aus im Pokal, Platz vier in der Bundesliga, und am Samstag geht's zum Tabellendritten nach Hannover zum "vielleicht wichtigsten Spiel der ganzen Saison".

"Das weiß ich auch, dass dann Fragen gestellt werden, wenn man zweimal hintereinander so wichtige Spiele verliert": Louis van Gaal.

"Das weiß ich auch, dass dann Fragen gestellt werden, wenn man zweimal hintereinander so wichtige Spiele verliert": Louis van Gaal.

(Foto: dapd)

Die Wochen der Wahrheit haben für den FC Bayern die bittere Erkenntnis bereitgehalten, dass die laufende Saison sehr wahrscheinlich titellos enden wird. In der Bundesliga ist Borussia Dortmund die beste Mannschaft und weit enteilt. Im Pokal waren vermeintlich mittelmäßige Schalker gut genug, um die Bayern im eigenen Stadion aus dem Wettbewerb zu werfen. Selbst das Erreichen des Champions-League-Viertelfinals steht plötzlich in Frage. Für bayerische Verhältnisse ist das eine Katastrophe, die Krise lässt sich nicht mehr wegreden.

Geredet wird natürlich trotzdem und was Christian Nerlinger zu sagen hat, klingt wie aus dem großen Buch der Fußballphrasen kopiert. "Gerade in schwierigen Situationen muss man die Kräfte bündeln, Geschlossenheit zeigen und gemeinsam durch die Krise gehen", appellierte der Sportdirektor tapfer. Ein "Weltuntergangs-Szenario" sei beim deutschen Rekordmeister "nicht existent".

"Es ist sicher noch keine Krisensituation"

Mit seiner gehobenen Wortwahl wollte Nerlinger ganz schlicht klarmachen, dass es keinerlei Planspiele über die etwaige Beurlaubung von Louis van Gaal gebe. Die Trainerdiskussion, beteuert Nerlinger, werde nur "in der Öffentlichkeit geführt und nicht von uns". Bayern-Präsident Uli Hoeneß sekundierte: "Verlieren gehört zum Sport dazu. Es ist sicher noch keine Krisensituation." Das allerdings ist so glaubwürdig wie ein Guttenberg-Dementi in der Plagiatsaffäre:

  • Erstens hat Hoeneß höchstselbst im Januar "ein schönes Pokalfinale in Berlin" gefordert und mit Konsequenzen gedroht, "wenn ich spüre, dass die Qualifikation für die Champions League in Gefahr ist". "Das war ja auch bei Klinsmann so", nannte er den 2009 vorzeitig gefeuerten Ex-Bayern-Coach als warnendes Beispiel.
  • Zweitens steht am Samstag das Topspiel beim aktuellen Dritten Hannover 96 an. "Die Partie in Hannover ist vielleicht das wichtigste Spiel der ganzen Saison. Da geht es um alles, nämlich um Platz zwei", sagt Kapitän Philipp Lahm. Verlieren die Bayern erneut, könnte der Abstand zu Platz zwei schlimmstenfalls auf sieben Punkte wachsen.
  • Drittens scheint es immer fraglicher, ob Louis van Gaal fähig und willens ist, die eklatanten Abwehrschwächen mit dem vorhandenen Personal abzustellen.
  • Viertens wurde im Pokal-Halbfinale mit den Schmähungen gegen Schalkes Manuel Neuer ein neuer Tiefpunkt im Verhältnis zwischen Vereinsspitze und Fans erreicht, was van Gaal mit zu verantworten hat.
  • Und fünftens vermieden die Bayern-Verantwortlichen trotz aller Solidaritätsadressen ein klares Bekenntnis zu ihrem schwierigen Trainer, der längst nicht nur bei Präsident Uli Hoeneß nicht mehr unumstritten ist.

Wie lange die Bayern-Bosse angesichts der verkorksten Situation und erster Vorbehalte aus der Mannschaft gegen den Coach noch die Ruhe bewahren können und wollen, bleibt abzuwarten. Zumal ihnen nicht entgangen sein dürfte, dass dem Starensemble die Stabilität in der Defensive fehlt. Die Abwehrkette ist eine Fehlerkette, weshalb Sportdirektor Nerlinger dringend Verbesserungen anmahnt: "Wir sind in der Defensive teilweise naiv, laden die Gegner zu Toren ein. Jede Spitzenmannschaft muss defensiv stabil sein."

"Haben überhaupt keine Lösung gefunden"

Hinzu kommt, dass der Offensivstil von van Gaal immer häufiger zu brotlosem Ballbesitz verkommt. Gerade gegen geschickt verteidigende Teams finden die Bayern selbst in Bestbesetzung kaum Mittel. Dortmund und Schalke demonstrierten eindrucksvoll, wie man die Bayern stoppen kann. Beide Teams doppelten die Superstars Arjen Robben und Franck Ribéry - und schon war's um die Herrlichkeit geschehen. "Wir haben überhaupt keine Lösung gefunden", klagte Kapitän Philipp Lahm. Und meinte damit auch den Trainer.

Mal vor der Abwehr, mal weiter vorne: Bastian Schweinsteiger.

Mal vor der Abwehr, mal weiter vorne: Bastian Schweinsteiger.

(Foto: dapd)

Der konnte seinem Team auch in der Halbzeitpause nicht helfen. Hinzu kommt, dass van Gaal in dieser Saison mehrfach mit ungewöhnlichen Aufstellungen überrascht hat. Fatalerweise blieb der Erfolg oft ebenso aus wie eine Erklärung des Trainers. Der empfindet Nachfragen, warum Bastian Schweinsteiger als Zehner statt als Sechser spielen muss und Mittelfeldspieler Luiz Gustavo als Linksverteidiger, schlicht als Anmaßung - und schmettert sie brüsk ab. Damit lässt er nicht nur Journalisten, sondern auch Fans und Vereinsführung ratlos zurück.

"Ich werde weiter meine Arbeit machen"

Van Gaal selbst gibt sich jedoch gelassen. "Das weiß ich auch, dass dann Fragen gestellt werden, wenn man zweimal hintereinander so wichtige Spiele verliert. Das ist doch immer so", sagte der Niederländer in seiner selbstbewussten Art, die vielerorts als Arroganz und Besserwisserei aufgefasst wird. Eingeständnisse eigener Fehler waren von van Gaal bisher nicht zu vernehmen. "Ich werde weiter meine Arbeit machen, und die mache ich gut. Letztendlich entscheidet der Vorstand."

Der dürfte in seine Entscheidungsfindung neben den wiederholten, unnötigen Störungen des Betriebsklimas auch einfließen lassen, dass van Gaal die Fans mit seiner eigenmächtigen Beförderung von Thomas Kraft zur Nr. 1 in der Winterpause - wohl kalkuliert oder unabsichtlich - gegen den Vorstand aufgebracht hat. Hoeneß & Co. möchten Schalkes Manuel Neuer verpflichten, der sich im April 2009 mit einem hämischen Eckfahnenjubel bei den Fans unbeliebt gemacht hat. Da mit Kraft nun ein Münchner Eigengewächs im Bayern-Tor steht und passabel hält, ist eine millionenteure Verpflichtung Neuers dem eigenen Anhang schwer zu vermitteln. Das ist deshalb umso ärgerlicher, da die Degradierung von Jörg Butt in der Winterpause sportlich nicht zwingend war. Der 36-jährige Butt war in der Hinrunde ein Rückhalt für die oft unsichere Abwehr, hielt stets grundsolide, wenn auch selten überragend.

"Das ist nicht das Verhalten eines großen Vereins"

Der Wechsel zu Kraft geschah - trotz der drastischen Hoeneß-Kritik an van Gaal im Herbst - ohne Wissen der Bayern-Führung und ohne Not. Am Mittwochabend führte er nun zu den massiven Schmähungen gegen Neuer, wofür sich die Bosse nach dem Spiel öffentlich und beim Torwart selbst entschuldigten. "Das ist nicht das Verhalten eines großen Vereins. Und das hat mir unheimlich weh getan", kommentierte Hoeneß das Verhalten vieler Fans in der "tz": "Das war zum ersten Mal seit langen, langen Jahren, dass ein Gast hier so katastrophal behandelt wurde. Das ist nicht Bayern München, das ist nicht mein Bayern München."

Was das aus Sicht eines Mannes bedeutet, der den Rekordmeister als sein Lebenswerk betrachtet und auf seiner Visitenkarte nur "Uli Hoeneß, FC Bayern" zu stehen hat, wird die Zukunft zeigen. Louis van Gaal könnte dann schon bald zur Bayern-Vergangenheit gehören.

Quelle: ntv.de

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