Fußball

Guardiola verdonnert Streber Bayern zelebriert sich zur Meisterschaft

Kurz gejubelt und schon wollten die Bayern-Profis wieder zur Normalität übergehen.

Kurz gejubelt und schon wollten die Bayern-Profis wieder zur Normalität übergehen.

(Foto: imago/Michael Schulz)

Sie kommen, spielen und siegen. Die Bayern sind wieder deutscher Fußballmeister - hochbegabte Musterschüler, nicht bereit, sich den Spaß verderben zu lassen. Hinterher muss Josep Guardiola sie fast zwingen, die Sau rauszulassen.

Wer wissen wollte, wie ernst sie es beim FC Bayern mit dem Fußballspielen nehmen, der musste nur zuhören, was Trainer Josep Guardiola nach dem Titelgewinn sagte. Seine Mannschaft hatte soeben die Hertha im mit 76.197 Zuschauern ausverkauften Berliner Olympiastadion mit 3:1 (2:0) besiegt und sich damit an diesem 27. Spieltag zum Deutschen Meister gekrönt, früher als je zuvor ein Verein in 50 Jahren Bundesliga. Und Guardiola, der Campéon, befand: "Wir haben den wichtigsten Titel in dieser Saison gewonnen. Nun müssen wir auch in der Lage sein, zu feiern." Als wollte er seine Musterschüler zur Party verdonnern. Direkt nach der Partie jedenfalls jubelten sie noch eher bescheiden. Kurz tanzten sie auf dem Rasen im Kreis, kollektives Abklatschen vor der Bank, schnell in die Kurve zu den Fans - das war's. Wild sieht anders aus.

Hochbegabt sind sie alle in diesem Leistungskurs Fußball, aber Guardiola hat sie, seit er im Juni vergangenen Jahres sein Amt antrat, zu Strebern gedrillt, die fingerschnipsend in der ersten Reihe sitzen, dem Meister in jeder Minute gefallen wollen, die ihr Können zelebrieren, sich bisweilen an sich selbst berauschen - und dabei vor allem keinen Spaß verstehen. Auch an diesem frostigen Dienstagabend nicht, als sie binnen acht Minuten das Spiel entschieden, obwohl die Berliner bisweilen, Torhüter Thomas Kraft eingerechnet, mit einen innovativen 1-9-1-System versuchten, den Zauber der Münchner zu zerstören.

Toni Kroos nach sechs und Mario Götze nach vierzehn Minuten aber ließen sich nicht beirren, Frank Ribéry legte elf Minuten vor dem Ende der Partie noch einen drauf, aus die Maus. Dass Herthas Adrian Ramos zwischendurch per Elfmeter traf - geschenkt. Berlins Trainer Jos Luhukay, der seinem Münchner Kollegen mit ungeheuchelter Begeisterung zum Titelgewinn gratulierte, sagte hinterher: "Ich dachte in der ersten halben Stunde nur: Hoffentlich kein Schützenfest." Es war die Chronik eines angekündigten Sieges, wie so oft in dieser Saison. Seit 52 Partien sind die Münchner nun ungeschlagen, haben die jüngsten 19 Ligaspiele gewonnen. Aber das alleine ist es nicht.

Verdammt nah' am Exzess

Es ist diese Lust am Spiel in einem System, das an Flexibilität und Ballbesitzdominanz seines Gleichen sucht, in dem, nur ein Beispiel, mal Thomas Müller, mal Mario Götze und mal Arjen Robben auf der Position des Mittelstürmers spielt - und dann mit Mario Mandzukic doch einer eingewechselt wird, der das Toreschießen gelernt hat. Es ist die Bereitschaft in jedem Spiel, nie aufzuhören, nie nachzulassen. Auch, weil alle wissen: Der nächste Hochbegabte wartet nur auf der Bank auf seine Chance. Es ist der schöne Fußball, den sie spielen, Spieltag für Spieltag, und dem in dieser Saison niemand etwas entgegenzusetzen hatte. Das ist es auch, was den Trainer bewog, vom wichtigsten Titel zu sprechen. "Da hast du alles: Spiele mit Wind, mit Regen, guten Rasen, schlechten Rasen, Verletzungen. Das ist Bundesliga, das ist es, was zählt. Das ganze Jahr." In Pokal oder in der Champions League hingegen reiche bisweilen ein schlechter Tag, um auszuscheiden.

Diese Bayern, bei denen in Berlin mit Manuel Neuer, Jeróme Boateng, Mario Götze, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos und Müller sieben deutsche Nationalspieler in der Startelf standen, sind schwer in Zahlen zu fassen. Zumindest wird ihnen das allein nicht gerecht, obwohl die Statistiken beeindruckend sind. Kapitän Philipp Lahm zum Beispiel brachte, so hat es der Sportdatenanbieter Opta gezählt, als Sechser im defensiven Mittelfeld 100 Prozent seiner Pässe an die Kollegen. Und das waren nicht weniger als 134. Insgesamt kam der FC Bayern auf 83 Prozent Ballbesitz. Ganz nebenbei stellte die Meistermannschaft im Olympiastadion mit 1078 Pässen einen Bundesligarekord auf. Zum Vergleich: Die Hertha kam auf auf ein gutes Fünftel. Oder wie Jos Luhukay sagte: "Dat war schon beeindrückend."

Sein Kollege Guardiola übrigens mac hte zwar eine deutliche Ansage an seine Spieler, er selbst sieht sich aber - anders als sein Vor-Vorgänger Louis van Gaal - nicht gerade als Feierbiest. Schon vor dem Spiel hatte er deutlich gemacht, was er von den in München so beliebten Weißbierduschen hält - nämlich nichts. Nach dem Abpfiff weigerte er sich erfolgreich, das "Deutscher-Meister-2014"-T-Shirt übers Jacket zu streifen. Und als ihm ein rotes Basecap gereicht wurde, winkte er nur kurz ab. Einzig die Krawatte unter seinem dunkelroten Pullunder saß am späten Abend etwas schief. Bei einem wie Guardiola, der sich selbst so beherrscht wie seine Mannschaft und sich in Berlin mehrmals dafür bedankte, "diese überragenden Spieler trainieren zu dürfen", geht das glatt als Exzess durch.

Quelle: ntv.de

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