Kaum Chancen in Premier League Bundesliga bietet Ausweg für Englands Talente
25.12.2018, 16:09 Uhr
Jadon Sancho hat mit seinem Wechsel nach Deutschland offenbar alles richtig gemacht.
(Foto: imago/Nordphoto)
Der englische Fußball produziert Talente in Serie. Das ist mehr als nur Glück. Allerdings haben Jungprofis wie Phil Foden von Manchester City ein Problem in der Premier League. Borussia Dortmunds Shootingstar Jadon Sancho könnte zum Vorbild werden.
Josep Guardiola kam ins Schwärmen nach Manchester Citys 2:1-Erfolg in der Champions League gegen die TSG Hoffenheim vor zwei Wochen. Adressat seiner Huldigungen war allerdings nicht Doppeltorschütze Leroy Sané, sondern der 18 Jahre junge Mittelfeldmann Phil Foden, der zu einem seltenen Einsatz über 90 Minuten gekommen war. "Er ist ein unglaublicher Spieler. England hat einen Diamanten", sagte der katalanische Trainer.

Phil Foden beeindruckt seinen Trainer Josep Guardiola. Viele Einsatzchancen bekommt er dennoch nicht.
(Foto: AP)
Foden gilt als größtes Talent im englischen Fußball, aber er ist nicht das einzige. In der Bundesliga erregen der von Manchester City zu Borussia Dortmund gewechselte Jadon Sancho oder Arsenal-Leihgabe Reiss Nelson bei Hoffenheim Aufsehen. Englands U17 ist im vergangenen Jahr mit Foden und Sancho Weltmeister geworden. Es war der dritte Triumph in kurzer Zeit für den Nachwuchs des Landes nach dem WM-Titel für die U20 und den EM-Titel für die U19. Die U21 war bei der EM erst im Halbfinale am späteren Sieger Deutschland gescheitert.
Hohe Investitionen in Talente-Flut
Dazu kommen in der A-Nationalmannschaft, die im Sommer bei der WM in Russland Vierter wurde, junge Profis wie Torwart Jordan Pickford, Liverpools Außenverteidiger Trent Alexander-Arnold oder Marcus Rashford von Manchester United. Der englische Fußball verfügt über einen stolzen Vorrat an Diamanten. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist natürlich Glück. So starke Jahrgänge wie im Moment gibt es selten. Neue Strukturen, hohe Investitionen und eine vereinheitlichte Herangehensweise bei der Nachwuchsförderung sind allerdings ebenso für die aktuelle Talente-Flut verantwortlich.
2012 hat die Premier League die Ausbildung junger Fußballer reformiert, inspiriert unter anderem durch die Neuausrichtung der deutschen Nachwuchsarbeit um die Jahrtausendwende. Die Reform in England nennt sich "Elite Player Performance Plan". Zentrale Bestandteile sind besser geschulte Trainer, detaillierte Aufzeichnungen und Auswertungen von Leistungen im Training oder in Spielen und eine U23-Liga für die besten Nachwuchsteams des Landes.
Durch die Reform ist es den Vereinen erlaubt, Talente aus dem ganzen Land zu rekrutieren. Bis dahin durften nur Spieler aufgenommen werden, die aus einem Umkreis von 90 Minuten Fahrzeit kamen. Außerdem schreibt die Reform feste Transfersummen für junge Spieler fest, die sich nach ihrem Alter und der Zeit richten, die sie in der Nachwuchsabteilung eines Klubs verbracht haben.
Die Reform wurde zunächst skeptisch gesehen, vor allem von kleineren Vereinen, die Sorge hatten, dass ihnen die Giganten aus der Premier League für vergleichsweise wenig Geld die Talente wegschnappen würden. Doch die aktuelle Schwemme an hochbegabten Nachwuchsspielern in England spricht für den Erfolg der Neuordnung.
Nachwuchs und Profis unter einem Dach
Wie in Deutschland findet in England die Ausbildung in den Nachwuchszentren der Vereine statt. Die Klubs haben viel investiert in der jüngeren Vergangenheit, allen voran Manchester City. Der amtierende Meister hat sich die im Dezember 2014 eröffnete City Football Academy angeblich rund 250 Millionen Euro kosten lassen. Die Anlage verfügt über 16 Rasenplätze und ein Stadion für die Jugendmannschaften und das Frauenteam. Nachwuchs und Profis trainieren unter einem Dach.
Auf Nationalmannschaftsebene hat sich der englische Verband 2014 eine neue Philosophie verschrieben, die er "England DNA" nennt. Sie soll sicherstellen, dass in den Auswahl-Teams von der U15 bis zu den Senioren der gleiche spielerische Ansatz gepflegt wird, nämlich Dominanz im Ballbesitz, schnelle Balleroberungen und schlaues Umschaltspiel. Auch die Prinzipien im Training sind in allen Altersgruppen ähnlich. Das einzige, was sich bei den verschiedenen Teams unterschieden soll, sind laut dem ehemaligen Nachwuchsdirektor des Verbands Dan Ashworth "die Größe der Trikots".
Profitiert die Bundesliga von den Talenten?
Der aktuelle Überfluss an begabtem Nachwuchs muss aber nicht heißen, dass Englands A-Nationalmannschaft eine goldene Ära bevorsteht, wie sie zum Beispiel die Spanier zwischen 2008 und 2012 dank der Generation um Xavi und Andrés Iniesta erlebt hat. Denn um den Übergang vom Talent zum gestandenen Profi zu schaffen, brauchen die Spieler Einsatzzeit in der Liga. Damit ist es in der Premier League kompliziert. Gerade die Spitzenvereine rekrutieren neues Personal lieber für viel Geld auf dem Transfermarkt, statt der eigenen Jugend zu vertrauen. Bei Manchester City zum Beispiel ist nicht abzusehen, wann - und ob überhaupt - Diamant Foden den dauerhaften Sprung in die erste Elf schafft. Die Konkurrenz im Mittelfeld ist zu groß mit Spielern wie Kevin de Bruyne, Ilkay Gündogan und Bernardo sowie David Silva.
Nationaltrainer Gareth Southgate schlägt deshalb Alarm. Er fürchtet, dass der Bestand der Profis in der Premier League, aus dem er wählen kann, immer kleiner wird. "Wenn ein Spieler gut genug ist, heißt das nicht, dass er auch den Durchbruch schafft. Das kann mir niemand erzählen. Es gibt genug Spieler, die gut genug sind", sagt er. Und die trotzdem nicht in der Premier League zum Zug kommen.
Die Zahlen illustrieren seine Bedenken. Laut des "Mirror" wären in der Saison 1992/1993 noch 71,7 Prozent aller Spieler in der Liga berechtigt gewesen, für England aufzulaufen. In der aktuellen Spielzeit sind es nur noch 29,9 Prozent. Es könnte deshalb gut sein, dass der Dortmunder Sancho und der Hoffenheimer Nelson zu Vorbildern werden. Es könnte gut sein, dass künftig weitere Talente aus England in die Bundesliga wechseln - aus Mangel an Chancen in der heimischen Spielklasse.
Quelle: ntv.de