Humorlose Dusel-Deutsche siegen in Österreich Bundestrainer Löw wütet in Wien
12.09.2012, 05:07 Uhr
Joachim Löw, Trainer einer "humorlosen deutschen Mannschaft"
(Foto: picture alliance / dpa)
Sie verstehen keinen Spaß, sie haben jede Menge Glück - und am Ende gewinnen sie auch noch. Nach dem 2:1-Sieg der deutschen Fußballer in Wien sind die österreichischen Gastgeber durchaus mit sich zufrieden. Auch wenn es so kam, wie es kommen musste. Bundestrainer Joachim Löw hingegen wirkt arg angefressen.
Irgendetwas ist immer. Erst gewinnen die deutschen Fußballer mit 3:0 gegen die Färöer und hinterher heißt es, sie vergeben zu viele Chancen. Nun, im zweiten Qualifikationsspiel zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien, siegen sie äußerst effizient in Österreich und hinterher heißt es, die Abwehr ist zu schlecht. Wie dem auch sei: Die DFB-Elf führt nach diesen zwei Partien die Gruppe C mit sechs Punkten an. Mehr geht nicht. Auch wenn an diesem schönen, lauen Spätsommerabend im Wiener Prater aus deutscher Sicht durchaus ein wenig Glück im Spiel war. Oder wie es das Boulevardblatt "Österreich" formulierte: "Super gespielt, aber blöd verloren. Bittere 1:2-Niederlage gegen Dusel-Deutsche."
Tore: 0:1 Reus (44.), 0:2 Özil (52./FE), 1:2 Junuzovic (57.)
Österreich: Almer - Garics, Pogatetz, Prödl, Fuchs - Baumgartlinger, (Janko 85.), Kavlak - Arnautovic, Junuzovic, Ivanschitz (Jantscher 75.) - Harnik (Burgstaller 55.)
Deutschland: Neuer - Lahm, Hummels, Badstuber, Schmelzer - Khedira, Kroos - Müller, Özil, Reus (Götze 46.) - Klose (Podolski 75.)
Schiedsrichter: Kuipers (Niederlande)
Zuschauer: 47.500 (ausverkauft)
Überhaupt schien es hinterher, als seien die Verlierer zufriedener als die Gewinner - außer Marko Arnautovic. Der Profi des SV Werder Bremen war zwei Minuten vor dem Ende der Partie vor den in diesem Moment zu großen Teilen entsetzten 47.500 Zuschauern im Ernst-Happel-Stadion arg knapp am Ausgleich vorbeigerutscht und litt unter seinem Fauxpas auch deshalb so sehr, weil er ihm die Tragweite einer nationalen Angelegenheit beimaß. "Ich will Entschuldigung sagen ans ganze Land. Das war mein Fehler bei dieser Chance am Schluss. Ich habe den Ball super hereinbekommen, da gibt es keine Entschuldigung." Ansonsten aber feierte das Publikum die Heimmannschaft wie nach einem Sieg. Und auch Österreichs Schweizer Trainer Marcel Koller konstatierte: "Es ist so passiert, wie es in den letzten Jahren immer passiert ist, wenn Deutschland hier gespielt hat." Ansonsten aber gilt: "Wir haben ein sehr gutes Spiel gezeigt."
Und die Dusel-Deutschen? Bemühten sich, nicht allzu grantig zu wirken. Wer aber Bundestrainer Joachim Löw gesehen hatte, wie er während des Spiels an der Seitenlinie wütete und einmal sogar mit der flachen Hand auf das Plexiglasdach der Trainerbank donnerte, der wusste: Dieser Mann ist nicht zufrieden. Vor allem nicht mit seiner Abwehr. Vor allem nicht mit dem Dortmunder Marcel Schmelzer. "Wenn wir 2:1 führen, müssen wir doch in der Lage sein, den Ball zu behaupten." Fazit: "Die letzten Jahre haben wir daran gearbeitet, nach vorne zu spielen. Jetzt ist die Defensive dran." Einen kleinen Seitenhieb gegen die Gastgeber hatte er auch noch parat: "Gegen keine Nation der Welt hat Österreich mehr zu gewinnen als gegen Deutschland." Und sonst? Sind die Deutschen nun mal eine "humorlose Mannschaft", wie "Der Standard" aus Wien bemerkte. Die Spieler der DFB-Elf in der Einzelkritik:
Manuel Neuer: Der 26 Jahre alte Schlussmann des FC Bayern war in seinem 33. Länderspiel seiner Mannschaft ein ebenso fehlerfreier wie humorloser Rückhalt, der beim Gegentreffer schlicht und ergreifend machtlos war. Leistete sich kurz vor der Pause nach einer Ecke der Österreicher eine verunglückte Abwehr mit der Faust, hatte dabei wie bei seiner anschließenden verunglückten Fußabwehr den Dusel auf seiner Seite. Und verhinderte nach 72 Minuten gegen den eingewechselten Guido Burgstaller den Ausgleich und bewahrte in der hitzigen Schlussphase den Überblick. "Wir können glücklich und zufrieden sein mit den Punkten, mit dem Spiel weiß Gott nicht."
Philipp Lahm: Der Kapitän, 28 Jahre alt, lief wie schon gegen die Färöer auch gegen die Österreicher im 93. Länderspiel auf der rechten Seite der Viererabwehrkette seiner Bestform hinterher. Und er sah im zweiten WM-Qualifikationsspiel seine zweite Gelbe Karte, was bedeutet, dass er beim nächsten, am 12. Oktober in Irland, nicht dabei ist. Blieb in der Offensive blass und lief beim Gegentreffer in der 57. Minute dem Torschützen Zlatko Junuzovic nur hinterher. Und nach 72 Minuten spielte er einen so ungenauen Rückpass, dass Vereinskollege Neuer alles riskieren musste, um den Ausgleich zu verhindern. Doch Lahm blieb ganz humorloser Diplomat: "Wir haben sechs Punkte aus zwei Spielen, das ist ein sehr guter Start." Allerdings räumte er ein: "Mit dem Spiel können wir nicht zufrieden sein. Der Gegner hat früh Druck gemacht, damit sind wir überhaupt nicht klargekommen."
Mats Hummels: Dem Dortmunder Innenverteidiger, 23 Jahre alt, war nach seinem 22. Länderspiel die Erleichterung anzumerken. "Wir haben Riesenglück gehabt am Ende." Und am Anfang? "Wir hatten in der ersten Halbzeit einige Fehlpässe gehabt, die nicht passieren dürfen." Einer, ein kapitaler gar, stammte von ihm, doch Österreichs Martin Harnik vergab nach vier Minuten, auch, weil Holger Badstuber in hoher Not dazwischen grätschte. Nicht nur Dusel also. Kam aber danach besser ins Spiel und rettete nach 35 Minuten am eigenen Fünfmeterraum artistisch mit einer Art Dreiviertelfallrückzieher. Lief allerdings beim Gegentreffer nur hinterher, aber da war er ja nicht der Einzige.
Holger Badstuber: Der 23-jährige Münchner war an diesem Abend in seinem 28. Länderspiel der eindeutig bessere der beiden Innenverteidiger. War sichtlich froh, dass er nicht wieder - wie gegen die Färöer - auf der Position des linken Außenverteidigers aushelfen musste. Klärte mehrmals, allerdings nicht immer, nachdem andere gepatzt hatten, der Kollege Hummels zum Beispiel. Oder der Kollege Marcel Schmelzer. Aber Fußball ist ja schließlich auch Mannschaftssport. Dennoch war die Abwehr in Wien der schwächere Teil des deutschen Teams.
Marcel Schmelzer: Im abschließenden Training vor der Begegnung gegen die Färöer hatte sich der 24 Jahre alte Dortmunder den Fuß geprellt und konnte nicht mitspielen. In Wien kam er sehr zur Freude des Kollegen Badstuber als linker Verteidiger zu seinem achten Einsatz in der DFB-Elf. Nun ja. War kein lustiger Auftritt, zumal er einer ist, der sich bewähren soll. Das Zusammenspiel mit Marko Reus funktionierte eher weniger, obwohl der auch beim BVB spielt. Zusammen mit Mario Götze, ebenfalls Dortmunder, ließ er sich vor dem Anschluss Österreichs durch Vorbereiter Marko Arnautovic vernaschen. Auch sonst war es ein gebrauchter Abend für Schmelzer, der oft seinen Gegenspielern nur hinterherlief. Bundestrainer Joachim Löw war nicht amüsiert. Ach was: Er rastete an der Seitenlinie fast aus.
Sami Khedira: Gegen die Färöer noch allein auf der Position des Sechsers vor der Abwehrkette, stellte ihm der Bundestrainer nun in Wien den Kollegen Toni Kroos zur Seite. Was den 25 Jährigen in seinem 35. Länderspiel nicht davon abhielt, die Rolle des Chefs als bester Mann in einer anfälligen Defensive für sich zu beanspruchen. Hatte damit aber so viel zu tun, dass es nur selten für Ausflüge in die Hälfte des Gegners reichte. "Ich denke, dass wir mit drei Punkten sehr zufrieden sein können, aber nicht mit der Art und Weise, wie wir sie geholt haben. Wir waren 2:0 vorne und dann haben wir Österreich mit taktischen Fehlern wieder ins Spiel gebracht. Das darf nicht passieren." Glück gehabt.
Toni Kroos: Der 22 Jahre alte Münchner rückte für den offensiveren Mario Götze wieder ins Team und kam so zu seinem 32. Länderspiel. Fiel zu Beginn der Partie vor allem dadurch auf, dass er herzhaft foulte, viermal gleich in der ersten halben Stunde. Versuchte es mehrmals mit Fernschüssen, bei denen der Ball aber sein Ziel nicht fand. Beschränkte sich mit zunehmender Spieldauer darauf, dem Kollegen Khedira bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Nicht die schlechteste Idee.
Thomas Müller: Hatte nach zehn Minuten eine sehr große Chance, die DFB-Elf in Führung zu bringen, scheiterte aber am Düsseldorfer Ersatztorhüter Robert Almer. Immerhin holte der 22 Jahre alte Münchner, der übrigens am Donnerstag Geburtstag feiert, in seinem 35. Länderspiel den Elfmeter heraus, als er sich sieben Minuten nach der Pause von Veli Kavlak umrennen ließ. Wobei sich der Österreicher allerdings auch anstellte wie ein Depp. Und sonst so? Aufsteigende Form, viel unterwegs auf der rechten Seite, aber gerne auch mal links, engagiert wie stets, obwohl nicht alles gelang. "Es war das erwartet schwere Spiel. Ich gewinne lieber mit viel Arbeit 2:1, als dass ich mit zehn Übersteigern verliere. Wir haben kein perfektes Spiel abgeliefert und zu viele individuelle Fehler gemacht."
Mesut Özil: Das mit dem Elfmeter hat er gut gemacht, ein Schritt Anlauf, Schuss - und schon war der Ball unten rechts im österreichischen Tor. Der zwölfte Treffer des 23-jährigen zentralen Mittelfeldspielers von Real Madrid in seinem 41. Länderspiel. Ansonsten zeigte er, wie überhaupt die ganze deutsche Mannschaft, eine starke kämpferische Leistung. Fühlte sich aber von den Österreichern arg unter Druck gesetzt, die ihm oft zu zweit zusetzten. Was ihn in seiner Kreativität hemmte und auch daran, seine Kollegen gewinnbringend anzuspielen. Zeigte nicht das, was er kann, was allerdings auch viel ist.
Marco Reus: Der 23 Jahre alte Dortmunder hatte im elften Länderspiel seine beste Szene, als er sich kurz vor der Pause und nach einem Pass von Miroslav Klose durch die Abwehr der Österreicher schlängelte und außerordentlich humorlos das Führungstor für die Auswahl des DFB erzielte. Ein bisschen Glück war auch dabei, hat er aber schön gemacht. Und ließ damit vergessen, dass ihm die 44 Minuten zuvor auf der rechten Seite nur allzu wenig gelungen war, obwohl er bisweilen mit Thomas Müller die Seiten tauschte. Prellte sich bei seinem dritten Tor für Deutschland allerdings den Fuß, so dass in der zweiten Halbzeit sein drei Jahre jüngerer Vereinskollege Mario Götze zu seinem 18. Länderspiel kam.
Miroslav Klose: Der Respekt vor Gerd Müller scheint sehr ausgeprägt zu sein, jedenfalls schoss der 34 Jahre alte Angreifer von Lazio Rom in seinem 124. Länderspiel wieder kein Tor. Es bleibt also bei 64 Toren, 4 weniger als der "Bomber der Nation". Hatte in der ersten Halbzeit keine Torchance, dafür stets zwei oder drei Gegenspieler am Bein, allen Österreichern voran Sebastian Prödl und Emanuel Pogatetz. Darf sich aber immerhin die Vorlage zum 0:1 anrechnen lassen.
Nach der Pause tauchte er völlig ab, für ihn kam eine Viertelstunde vor Schluss Lukas Podolski von Arsenal London zu seiner 103. Partie für Deutschland - und offenbar weniger Respekt vor Legenden. Denn nun hat er, was die Zahl der Länderspiele betrifft, Franz Beckenbauer eingeholt. Der wiederum feierte gestern seinen 67. Geburtstag. Lustig, gell?
Quelle: ntv.de