Fußball

Manuel Pellegrini im Interview Chinas Transferwahn? "Was heißt verrückt?"

"Wenn man sich für einen neuen Arbeitsplatz entscheidet, spielt Geld natürlich auch immer eine Rolle": Manuel Pellegrini.

"Wenn man sich für einen neuen Arbeitsplatz entscheidet, spielt Geld natürlich auch immer eine Rolle": Manuel Pellegrini.

(Foto: imago/China Foto Press)

Der Chilene Manuel Pellegrini holte in der Saison 2009/2010 mit Real Madrid mehr Punkte als jeder Trainer vor ihm - und wurde dennoch entlassen. Platz zwei in der spanischen Primera Division hinter dem FC Barcelona ist halt zu wenig. Mit Manchester City wurde er 2014 als erster nichteuropäischer Trainer Meister der englischen Premier League. Seit Sommer vergangenen Jahres steht der 63-Jährige nun beim Hebei China Fortune FC unter Vertrag, einem Klub der Chinese Super League, die an diesem Wochenende in die Saison startet. Im Interview mit n-tv.de spricht Pellegrini über irrsinnige Transfersummen und erläutert im Trainingslager im andalusischen La Línea, warum er nach China gewechselt ist.

n-tv.de: Manuel Pellegrini, sie haben einige der größten Vereine des Weltfußballs trainiert. Jetzt arbeiten sie bei einem Verein, den es vor zehn Jahren noch gar nicht gab. Wann haben sie den Namen ihres neuen Klubs zum ersten Mal gehört?

Manuel Pellegrini: Das war einige Monate bevor ich den Vertrag unterschrieben habe. Ich hatte anfangs auch andere Angebote aus China vorliegen. Im Rahmen der Sondierung habe ich mich dann zum ersten Mal mit Hebei China Fortune beschäftigt.

Wieso haben sie sich für diesen Verein entschieden?

Der Präsident des Klubs hat sich sehr um meine Verpflichtung bemüht. Er ist eigens nach Chile gereist, um mich dort zu besuchen und mir seine Vision vorzustellen, die er für den Klub entwickelt hat. Der Verein soll jedes Jahr kontinuierlich wachsen, und der Präsident hat sich zum Ziel gesetzt, ihn in China an die Spitze zu führen. Dieses Engagement hat mich überzeugt. Und bislang geht das Konzept auch auf. Der Verein ist 2015 in die erste Liga aufgestiegen und hat sich in der vergangenen Saison gleich in der oberen Tabellenhälfte der Super League etabliert.

Welche Rolle hat Geld gespielt bei ihrer Entscheidung?

Mai 2014: Meister mit ManCity.

Mai 2014: Meister mit ManCity.

(Foto: REUTERS)

Wenn man sich für einen neuen Arbeitsplatz entscheidet, spielt Geld natürlich auch immer eine Rolle. Aber es ist sicher nicht das einzige Argument. Es geht um das Gesamtpaket, das einem geboten wird. Sportliche Perspektiven und gemeinsame Vorstellungen über den richtigen Weg müssen zwingend vorhanden sein, sonst ergibt es keinen Sinn.

Ihr Klub hat für acht Millionen Euro den Brasilianer Hernanes von Juventus Turin gekauft. Das klingt vergleichsweise plausibel. Aber sie haben auch über 20 Millionen Euro für einen chinesischen Nationalspieler ausgegeben, der mit einem Marktwert von einer halben Million gehandelt wurde. Sind solche Transfersummen nicht völlig verrückt?

Was heißt schon verrückt? Ein Spieler ist immer das wert, was ein Klub bereit ist, für ihn auszugeben. Wir haben uns entschieden, dass wir die besten chinesischen Spieler nach Hebei holen wollen, um unser Potenzial weiter zu erhöhen und der Konkurrenz die Stirn bieten zu können. Die Zahl der Ausländer ist begrenzt, also muss man heimische Spieler suchen, die einen weiterbringen.

Aber wird der Druck nicht viel zu groß für die Spieler, wenn plötzlich 20 Millionen für sie fließen, obwohl sie nur einen Bruchteil davon wert sind?

Druck ist wichtig für die jungen chinesischen Spieler. Wenn sich der Fußball im Land weiter entwickeln soll, dann müssen die Profis lernen, mit solchen Dingen umzugehen. Der Druck wird ja nicht weniger, je stärker eine Liga wird.

Sie haben im September vergangenen Jahres ihren Dienst angetreten. Waren sie vorher überhaupt schon mal in China?

Ich war schon einmal in Shanghai und in Hongkong. Insofern war China kein völliges Neuland für mich. Aber natürlich ist es ein Unterschied, eine Stadt nur für einige Tage zu besuchen oder seinen Lebensmittelpunkt dorthin zu verlegen.

Jetzt leben sie in Qinhuangdao. Gefällt es ihnen?

Die Stadt ist wunderschön. Sie liegt direkt am Meer. Vielleicht ein bisschen weit weg von den großen Metropolen, aber um hier zu arbeiten, ist es völlig okay. Bislang habe ich mich aber weitgehend mit meiner Arbeit beschäftigt und wenig Zeit gehabt, die Stadt zu genießen. Ich habe die Mannschaft erst gegen Ende der vergangenen Saison mitten im Spielbetrieb übernommen und bin nach Saisonende erst einmal wieder weg aus China. Da blieb mir nicht viel Zeit, um das Umfeld genauer kennen zu lernen. In den letzten Wochen der Saison habe ich versucht, so viele Spiele unserer Konkurrenten wie möglich anzuschauen, um einen Eindruck zu gewinnen, von dem, was mich in Zukunft erwartet.

Ist der chinesische Fußball besser als sein Ruf?

Pellegrini 2009 mit Ronaldo bei Real.

Pellegrini 2009 mit Ronaldo bei Real.

(Foto: imago sportfotodienst)

Das glaube ich schon. Natürlich sind wir hier nicht in England oder Deutschland. Mit den europäischen Spitzenligen kann China noch nicht mithalten. Aber die Fußballbegeisterung im Land ist so groß, und es gibt ausreichend finanzielle Möglichkeiten. Viele ausländische Spitzenspieler finden inzwischen den Weg in das Land und heben das Niveau. Die Basis für eine positive Entwicklung ist also gegeben.

Wie integrieren sich die ausländischen Spieler in die Mannschaft? Viele scheitern daran, weil sie sprachlich komplett isoliert sind.

Auch das ist natürlich eine Herausforderung für die Spieler, die hier einen Vertrag unterschreiben. Aber mein Eindruck ist, dass das bislang gut funktioniert. Die ausländischen Spieler vermitteln, dass sie sich integrieren wollen.

Schaden die zum Teil gewaltigen Gehaltsunterschiede zwischen ausländischen Stars und chinesischen Spielern die Harmonie?

Gehaltsunterschiede gibt es überall im Fußball. Ich denke, die chinesischen Spieler akzeptieren das. Solange alle das gleiche Ziel erreichen wollen, gibt es keine Probleme.

Wie kommunizieren sie mit ihrer Mannschaft?

Ich benötige einen Dolmetscher, um mit den chinesischen Spielern zu sprechen. Englisch funktioniert da leider nicht. Das geht nur mit den Ausländern. Mit Ezequiel Lavezzi kann ich aber beispielsweise auch Spanisch sprechen, weil er Argentinier ist.

Kostet sie der Umweg über den Dolmetscher viel Energie?

Ja, das ist schon anstrengender, als wenn man sich direkt mit den Spielern austauschen kann. Es macht die Sache komplizierter. Die Herausforderung dabei ist es, dass auch meine Emotionen und Leidenschaft transportiert werden müssen, denn die sind natürlich unmittelbarer Bestandteil meiner Art und Weise, eine Mannschaft zu trainieren. Der Dolmetscher hat deswegen eine sehr wichtige Rolle.

Sind sie zufrieden mit ihrem?

Ja, das läuft bislang gut. Außerdem habe ich begonnen, ein wenig Chinesisch zu lernen.

Was können sie denn schon sagen?

Noch nicht so viel. Ni hao vielleicht, also hallo.

Die vergangene Saison schloss ihre Mannschaft als Aufsteiger auf dem siebten Platz ab. Was erhoffen sie sich für die neue Spielzeit?

Ich denke, wir sind bereit, die großen Teams wie Guangzhou Evergrande oder Shanghai SIPG im Titelkampf herauszufordern. Wir haben uns gut verstärkt und im Trainingslager gut gearbeitet. Ich bin optimistisch, dass wir eine gute Saison spielen können.

Mit Manuel Pellegrini sprach Marcel Grzanna

Quelle: ntv.de

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