Kapitän Lahm feiert sein 100. Länderspiel Der Mann, den Gerland anbot wie sauer Bier
06.09.2013, 16:00 Uhr
In sein 100. Länderspiel geht Philipp Lahm als unumstrittener Kapitän.
(Foto: dpa)
Bevor Philipp Lahm heute gegen Österreich sein 100. Spiel für die Fußballnationalelf bestreitet, überschütten sie ihn mit Lob. Weil es auf seiner Position in Deutschland seit zehn Jahren keinen Besseren gibt. Sein Entdecker allerdings weiß, dass der Weg zur Führungsfigur kein leichter war.
Die Philipp-Lahm-Meldung der Woche kam von seiner Mutter Daniela. Die sagte der Münchner "Abendzeitung" über ihren Philipp: "Total souverän macht er das, alles bestens - auch beim Windeln wechseln." Philipp Lahm, so die Botschaft, ist mit seinen 29 Jahren ein prima Papa. Philipp Lahm vom FC Bayern München ist aber auch, und das dürfte für die Öffentlichkeit interessanter sein, ein äußerst prima Fußballer. Wenn heute Abend in München die deutsche Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation gegen Österreich spielt, ist er wieder ihr Kapitän - in seinem 100. Länderspiel. Sohn Julian, gerade ein Jahr alt, wird nicht zuschauen. 20.45 Uhr, das sei dann doch etwas zu spät, sagte Philipp Lahm.
Der Jubilar nimmt die Sache gelassen, und zeigte sich vor der Partie ungewohnt locker. Er, der als Musterschüler und Diplomat im Trainingsanzug gilt, der nach dem Spiel die Dinge geschliffen analysiert, ohne jemals anzuecken. "Es ist etwas Schönes, wenn man sein 100. Länderspiel vor der Haustür machen kann. Das Wichtigste ist natürlich, dass man gewinnt. Mein 100. Länderspiel ist eine schöne Nebensache."
Das Loben übernehmen die anderen
Das Loben übernehmen bei solchen Anlässen andere. Bundestrainer Joachim Löw zum Beispiel: "Er ist ein absolutes Vorbild an Seriosität und Einsatz. Er ist ein Weltklassespieler, eine Persönlichkeit. Auf ihn kann sich ein Trainer immer verlassen." Sein Vereinstrainer Josep Guardiola sage jüngst, Philipp Lahm sei "der intelligenteste Spieler, den ich trainiert habe". Und Jupp Heynckes bezeichnete ihn "als den besten Außenverteidiger überhaupt in der Historie der Bundesliga".
Die schönste Geschichte über Philipp Lahm aber erzählte sein Entdecker und Förderer Hermann Gerland, Co-Trainer beim FC Bayern, jüngst im Sportstudio des ZDF: "Er war schon mit 17 perfekt. Nur: Den wollte keiner haben. Den habe ich angeboten wie sauer Bier. Ein Manager der Bundesliga wollte sogar Fahrtgeld vom mir zurückhaben, weil ich ihm den Spieler empfohlen habe." Das waren Zeiten.
Der FC Bayern verlieh Philipp Lahm schließlich an den VfB Stuttgart. Unter Felix Magath entwickelte er sich zu einem der besten Außenverteidiger der Liga. Teamchef Rudi Völler holte ihn in die Nationalmannschaft, Philipp Lahm debütierte am 18. Februar 2004 beim 2:1-Sieg in Split gegen Kroatien - und das gleich in der Startelf. Dort stand Philipp Lahm fortan immer. Ein Jahr darauf kehrte er zurück zu seinen Münchenern, mit denen er seither viermal die deutsche Meisterschaft gewann und in der vergangenen Saison die Champions League.
Zur richtigen Zeit die richtigen Akzente
Seit zehn Jahren gibt es auf seiner Position in Deutschland keinen besseren als Philipp Lahm. Und das liegt nicht daran, dass die anderen so schlecht sind. Sondern daran, dass er die Rolle des Außenverteidigers nahezu perfekt interpretiert. Er ist der idealtypische Anti-Rumpelfußballer, technisch brillant, ballsicher, klug – und Flanken kann er auch. Selbst wenn er einen schlechten Tag erwischt, ist er immer noch gut. Und wie oft mag sich Bundestrainer Joachim Löw gewünscht haben, er könne diesen Philipp Lahm einfach klonen, um ihn als rechtes und linkes Ende der Viererabwehrkette gleichzeitig einsetzen zu können.
Bis zur allseits anerkannten Führungsfigur, auch beim FC Bayern trägt er die Kapitänsbinde, war es allerdings ein langer Weg. Er wurde lange Zeit nicht richtig ernst genommen, nicht wenige führen das auf seine eher geringe Körpergröße von 170 Zentimetern zurück. Doch Philipp Lahm setzte, was nicht zuletzt für seinen Berater Roman Grill spricht, zur richtigen Zeit die richtigen Akzente. 2009 beim FC Bayern unter Louis van Gaal, als er der "Süddeutschen Zeitung" ein mit seinem Verein nicht abgesprochenes Interview gab, in dem er die turbulente Lage schonungslos analysierte. Das brachte ihm eine Geldstrafe ein. Aber zudem jede Menge Respekt.
Auch in der Nationalmannschaft untermauerte er seinen Machtanspruch. Den machte er bei der Weltmeisterschaft 2010 in Abwesenheit des verletzten Kapitäns Michael Ballack öffentlich. Er gedenke nicht, die Binde nur übergangsweise tragen zu wollen. Entrüstung ja, aber er bekam, was er wollte. Ballack, der heute Abend übrigens in der Münchner Arena offiziell verabschiedet wird, spielte nie wieder für Deutschland. Auch die Kritik an seinem Buch, das 2011 erschien, prallte an ihm ab. Weil es keinen besseren gibt als ihn.
Quelle: ntv.de