Fußball

Chelseas Final-Trainer Benitez im Schatten Mourinhos Der "fette Kellner" kämpft um seine Würde

Anerkannt, aber ungeliebt: Rafael Benitez und der FC Chelsea, das war immer eine Zweckehe.

Anerkannt, aber ungeliebt: Rafael Benitez und der FC Chelsea, das war immer eine Zweckehe.

(Foto: REUTERS)

Nach der Champions League im vergangenen Jahr kann der FC Chelsea heute im Endspiel gegen Benfica Lissabon die Europaliga gewinnen. Es wäre ein Triumph für Trainer Rafael Benitez, den sie in London nie gemocht haben, weil er immer nur Platzhalter für einen anderen ist. Die Fans empfangen ihn mit einem herzhaften "Fuck you", der Spanier kapituliert.

Ben. Lissabon - FC Chelsea, 20.45 Uhr

Benfica Lissabon: Artur - André Almeida, Luisão, Garay, Melgarejo - Matic, Enzo Pérez - Salvio, Ola John, Gaitán - Cardozo (Lima)

FC Chelsea: Cech - Azpilicueta, Ivanovic, Cahill, Cole - Mikel, David Luiz - Ramires, Lampard, Mata - Fernando Torres

Schiedsrichter: Björn Kuipers (Niederlande)

Rafael Benitez und der FC Chelsea. Das war keine Liebe auf den ersten Blick. Auch nicht auf den zweiten. Es war gar keine Liebe. Nicht einmal ein wenig Zuneigung hatten sie für ihn übrig. So wird der Mann, der die Londoner ins Finale der Fußball-Europaliga geführt hat, am Ende der Saison gehen. Und José Mourinho soll kommen. Vorher will Rafael Benitez aber noch das Endspiel gegen Benfica Lissabon gewinnen, das um 20.45 Uhr in der Amsterdamer Arena angepfiffen wird.

Dabei steht der Klub in der englischen Premier League einen Spieltag vor dem Ende der Saison auf dem dritten Tabellenplatz, darf also voraussichtlich in der kommenden Saison wieder in der Königsklasse mitspielen. Das wäre, auch wenn nicht alles rund lief in dieser Saison, keine schlechte Bilanz und ein persönlicher Triumph für den Trainer, der erst im vergangenen November für den entlassenen Roberto di Matteo beim immer noch amtierenden Titelträger der Champions League anheuerte. Und den die Fans an der Stamford Bridge als "fetten spanischen Kellner" begrüßten. Sie sangen es zur Melodie von Guantanamera, zu der deutsche Fußballfreunde einst "ein Rudi Völler" feierten. "Fat spanish waiter, you're just a fat spanish waiter!" (zum YouTube-Video)Und auf einem Plakat stand: "Du bist hier nicht willkommen, Benitez. Fuck you!" Charmant. Ein roter Teppich war das nicht.

Von Beginn an nur eine Zwischenlösung

Doch woher stammt diese Abneigung gegenüber einem, der zuvor alles andere als erfolglos war? Abgesehen davon, dass er beim FC Chelsea mit di Matteo jemanden beerbte, der nicht nur sehr beliebt war, sondern eben auch ein halbes Jahr zuvor in München den wichtigsten Klubwettbewerb Europas gewonnen hatte, ist es so: Fußballfans haben ein gutes Gedächtnis. Und Rafael Benitez hat, aus Sicht der Anhänger des FC Chelsea, alles falsch gemacht. Er hat seinen größten Erfolg als Trainer mit dem falschen Verein gefeiert. Er hat die falschen Leute kritisiert. Und er hat sich mit dem falschen Kollegen angelegt.

Beste Feinde: Rafael Benitez und Jose Mourinho, hier im Champions-League-Halbfinale 2005.

Beste Feinde: Rafael Benitez und Jose Mourinho, hier im Champions-League-Halbfinale 2005.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Mit dem FC Liverpool gewann er 2005 im legendären Endspiel zu Istanbul gegen den AC Mailand die Königsklasse. Er hat sich in seiner Liverpooler Zeit nicht nur abfällig über die oligarchenfinanzierte Konkurrenz aus London geäußert, sondern auch über die Anhänger gelästert. Chelsea sei ein seelenloser Klub. "Liverpools Fans brauchen keine Plastikfähnchen, um ihren Verein zu unterstützen. Sie zeigen wahre Leidenschaft. Chelseas Fans sind leidenschaftslos." Sein Gegenspieler war José Mourinho, der ebenfalls 2004 auf die Insel gekommen war. Und den sie bei Chelsea bis heute verehren. So sehr, dass sie ihn unbedingt wiederhaben wollen. "José's coming home" sangen sie am Abend vor dem Finale in der Amsterdamer Innenstadt. Rafael Benitez beschrieb sein Verhältnis zum Rivalen einst so: "Wir waren gute Freunde - bis Liverpool plötzlich angefangen hat zu gewinnen."

Einen weiteren Teil der Wahrheit, warum seine Mission beim FC Chelsea zum Scheitern verurteilt war, hat Rafael Benitez so formuliert: Irgendjemand der Verantwortlichen habe "einen Fehler gemacht und mich von vorneherein nur als Interimslösung bezeichnet". Irgendjemand? Es war Klubeigner Roman Abramowitsch. Und nicht wenige glauben, dass er von Anfang an nur eines im Sinn gehabt hat: seinen Lieblingstrainer Mourinho zurückzuholen. Doch der war seinerzeit, mitten in der Saison, nicht zu haben, auch nicht für einen russischen Milliardär mit Allmachtsanspruch.

"Ich denke, jeder weiß, wer es sein wird"

Mittlerweile aber spricht sehr viel dafür, dass Mourinho, mit Real Madrid im Halbfinale der Champions League an Borussia Dortmund gescheitert, im Sommer nach sechs Jahren bei Inter Mailand und in Spanien tatsächlich zurück zum FC Chelsea geht, der seit seinem Weggang 2007 sechs Trainer verschlissen hat. Zumal Mourinho notorisch gerne an seinem derzeitigen Klub herumnörgelt und stets betont, wie sehr sie ihn in England mögen. "Ich weiß, dass ich von manchen Vereinen geliebt werde, besonders von einem." Ähnlich eindeutig zweideutig äußerte sich Rafael Benetiz zu seinem Nachfolger: "Ich denke, jeder weiß, wer es sein wird."

Er selbst aber hatte nie eine Chance, als Mann ohne Macht. Was er - und dazu gehört wenig Feinsinn -schnell erkannte. Dennoch wartete er bis Ende Februar, bis er versuchte, das Heft des Handelns zumindest dem Anschein nach wieder in die Hand zu bekommen. Vor allem, um seinen Ruf zu retten. Und auch seine Würde. Er sagte, dass er geht. Also das, was eh klar war. "Ich werde den Klub am Ende der Saison verlassen." Er hat das allerdings nicht einfach so gesagt. Es war eine Abrechnung. Mit seinen Chefs. Von wegen Interimstrainer. Und mit den Fans. Über die sagte er: "Sie beschädigen das Image des Klubs. Sie sollten die Mannschaft unterstützen und nicht ihre Zeit damit verschwenden, irgendwelche Banner zu produzieren." Von wegen fuck you.

"England hat die höchste Priorität"

Doch letztlich hat Rafael Benitez, 53 Jahre alt, genau davor kapituliert. Aber er kämpft um seine Reputation, nachdem sie es zuvor bei Inter Mailand, wo er die Nachfolge von  Mourinho übernommen hatte, auch nur ein halbes Jahr mit ihm ausgehalten hatten. "Ich bin seit 26 Jahren in verantwortlicher Position im Fußball, habe die Champions League gewonnen, den Fifa-Klub-Weltmeisterschaft, den FA-Cup, zweimal die spanische Liga, insgesamt neun Trophäen." Eine zehnte könnte in Amsterdam hinzukommen. Da Rafael Benitez den Uefa-Pokal als Vorgängerwettbewerb bereits 2003/2004 mit dem FC Valencia gewonnen hat, wäre er der erst zweite Trainer nach Giovanni Trapattoni, dem das mit zwei verschiedenen Klubs gelang. Und da er ja mit Liverpool die Champions League gewann, wäre er der Erste nach Udo Lattek, der mit einem dritten Verein einen europäischen Pokal holt. Nicht schlecht für einen Kellner. Und nicht schlecht für seine Bewerbungen auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber.

Den würde er am liebsten in England finden. Auch, weil er dort als Fachmann anerkannt ist. Zwar stellten die Briten in dieser Saison erstmals seit der Spielzeit 1995/1996 keinen Viertelfinalisten in der Königsklasse, für Chelsea war gar in der Gruppenphase Schluss. Doch in den Jahren zuvor war die Premier League international höchst präsent, 2007/2008 und 2008/2009 jeweils mit drei Teams im Halbfinale. Michael Cox von der Taktikseite zonalmarking.net weiß auch, warum. "Englands Dominanz in Europa begann erst mit Rafael Benitez als Trainer von Liverpool und Jose Mourinho bei Chelsea." Beide seien ausgemachte Spezialisten im Europapokal, die in erster Linie Wert darauf legten, keinen Gegentreffer zu kassieren. Nun geben sie sich die Klinke in die Hand.

Rafael Benítez aber fühlt sich wohl auf der Insel. Trotz allem. "Die Premier League ist eine fantastische Liga. Meine Familie lebt in England und das würde alles leichter machen", sagte er der BBC. "England hat die höchste Priorität, aber wenn man keinen Klub findet, muss man vielleicht ins Ausland gehen." Sprach der Spanier. Und baute schon einmal vor: "Ich habe kein Problem mit den Ligen in Spanien, Italien und Frankreich." Liebe aber klingt anders.

Quelle: ntv.de

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