Keine Vorentscheidung in Dortmund Die Bayern wollen es dreckig
11.04.2012, 13:38 Uhr
Dortmund führt: Und gewinnt der BVB heute, sind es sechs Punkte auf den FC Bayern. Vorentscheidung?
(Foto: dpa)
Wenn heute der deutsche Fußballmeister Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München spielt, dann ist das so etwas wie die deutsche Variante des spanischen Clasicós zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Ansonsten fällt den Beteiligten nicht mehr viel ein. Sie wollen endlich spielen.
Das Problem hat Dortmunds Trainer Jürgen Klopp treffend beschrieben: "Ich habe versucht, etwas Neues zu diesem Spiel zu sagen. Das geht nicht. Es ist bereits alles von allen gesagt worden." Wenn heute Abend vor mehr als 80.000 Zuschauern im ausverkauften Westfalenstadion der BVB auf den FC Bayern trifft, sind nicht nur die Beteiligten froh, dass sie nach wochenlangem Gerede endlich gegeneinander Fußball spielen dürfen. Und wer es noch nicht mitbekommen hat: Es spielt der Tabellenführer und Meister, also Borussia Dortmund, gegen die Mannschaft, die gerne Tabellenführer und Meister wäre und nach eigenem Verständnis ein quasi natürliches Anrecht auf den Platz an der Sonne hat, aber nur Tabellenzweiter ist, also den FC Bayern München. Oder wie Jürgen Klopp sagt: "Das ist mia san mia gegen wir sind Fußball."
Die Tabellenspitze
| 1. | Dortmund | 31 | 69:23 | 72 | |
| 2. | FC Bayern | 31 | 69:20 | 64 |
Das Restprogramm ![]()
| Runde | Wann? | Gegen wen? |
| 32. | 21. April | |
| 33. | 28. April | |
| 34. | 5. Mai |
Das Restprogramm ![]()
| Runde | Wann? | Gegen wen? |
| 32. | 21. April | |
| 33. | 28. April | |
| 34. | 5. Mai |
Aber da Jürgen Klopp selbstverständlich parteiisch ist, kommt auch Bayerns Sportdirektor Christian Nerlinger vor diesem jüngsten deutschen Clasicó zu Wort: "Es treffen die beiden überragenden Mannschaften der Saison aufeinander." Wie gesagt: Es ist alles gesagt. Es gibt sogar Menschen, Experten gar, die sagen, heute gehe es um eine Vorentscheidung im Kampf um die Deutsche Meisterschaft. Wer es doch noch nicht mitbekommen hat: Dortmund hat vor diesem 30. Spieltag drei Punkte mehr auf dem Konto als die Bayern, aber die um sechs Treffer schlechtere Tordifferenz. Vorentscheidung - das hört sich gut an, zählt aber nicht. Gewinnt der BVB, sind es sechs Punkte Vorsprung - bei noch vier ausstehenden Partien. Das hat in der Geschichte der Bundesliga noch nie ein Team verspielt. Gewinnen die Bayern, sind sie da, wo sie hinwollen. Aber auch sie müssen dann noch vier Spiele spielen. Nun kann es aber auch sein, dass das Spiel ohne Entscheidung ausgeht, 4:4 vielleicht. Dann bleibt alles, wie es ist, die Dortmunder spielen am Samstag auf Schalke, die Münchner gegen Mainz.
"Egal wie. Ob dreckig oder hochverdient"
Und sonst? Ist es spannend. Erstmals seit Einführung der Drei-Punkte-Regel haben nach dem 29. Spieltag zwei Teams 63 Punkte und mehr auf dem Konto. Die Dortmunder sind in der Bundesliga seit 23 Spielen ungeschlagen, den Münchnern mit ihrem Trainer Jupp Heynckes gelangen wettbewerbsübergreifend neun Erfolge in Serie. Apropos Statistik: Die jüngsten drei Ligaduelle gewann der BVB, das bisher letzte am 19. November mit 1:0 in München. Das Tor schoss der 19 Jahre alte Jungstar Mario Götze, der nach seiner Verletzung heute noch nicht fit genug ist, um mitzuspielen. In der vergangen, der Meistersaison, gewannen die Dortmunder auswärts mit 3:1 und daheim mit 1:0. Und so sagte Bayerns Bastian Schweinsteiger im "Kicker": "Ich will das Spiel einfach nur gewinnen - egal wie. Ob dreckig oder hochverdient."
Das hat er Manuel Neuer voraus: Dortmunds Roman Weidenfeller feiert mit der Meisterschale. Aber Manuel Neuer spielte ja auch bis zum Sommer für Schalke 04.
(Foto: picture alliance / dpa)
Da aber weder Bastian Schweinsteiger noch wir wissen, wie es ausgeht, vergleichen wir, und zwar die Spieler beider Mannschaften. Auch auf die Gefahr hin, dass wir damit einer validen Vorhersage auch nicht näher kommt. Was zählt ist schließlich - Achtung Floskel! - auf'm Platz. Oder wie es Dortmunds Kevin Großkreutz zu Beginn der Rückrunde im Bezahlfernsehen sagte: "Bayern hat doch gesagt, dass sie mehr Qualität haben. Dann sollen sie's zeigen!"
Die Männer im Tor
Roman Weidenfeller. Der Dortmunder hält, wie schon im Meisterjahr, was zu halten ist und trotzt damit mit seinen 31 Jahren dem Jugendwahn. Stark auf der Linie, beim Herauslaufen bisweilen unsicher - heißt es. Kann aber auch ein tradiertes Vorurteil sein. Hat nämlich, zweitbester Wert der Liga, auch nur drei Treffer mehr kassiert als Münchens Manuel Neuer. Der ist immerhin Torhüter der deutschen Nationalmannschaft. Und in seiner ersten Saison beim FC Bayern mit dem einen oder anderen Patzer. Für ihn wird's heute Abend aber aus einem anderen Grund eher ungemütlich. So als Ex-Schalker in Dortmund.
Die Viererkettenspezialisten
Dortmunds Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek mauserte sich zu einem der Leistungsträger. Der polnische Nationalspieler macht seine Seite dicht und hat durchaus die Kraft, die Lust und das Spielvermögen, sich auch um die Offensive zu kümmern. Das kann Münchens Philipp Lahm aber auch. Schließlich ist der Kapitän der DFB-Elf Deutschlands bester Außenverteidiger und spielt neuerdings wieder auf der rechten Seite spielt. Seitdem läuft's bei den Bayern. Nicht wenige Menschen, Experten gar, bedauern es, dass er nicht auf beiden Seiten gleichzeitig verteidigen kann.
Innenverteidiger Neven Subotic ist schlicht und ergreifend einer der Garanten für Dortmunds Abwehrstärke, wenn auch einen Tick weniger zuverlässig als im Meisterjahr. Sein Kollege Mats Hummels, deutscher Nationalspieler mit berechtigten Hoffnungen auf einen Platz im Kader für die Europameisterschaft im Sommer, gilt als Leitwolf der Borussia. Stärken in der Defensive, Qualitäten im Aufbauspiel. Glaubt übrigens, ein Sieg des BVB und sechs Punkte Vorsprung seien durchaus so etwas wie eine Vorentscheidung. Jerome Boateng, Kollege aus München und ebenfalls bei der EM für Deutschland am Ball, ist, so munkelt man, trotz aller Defensivqualität nicht vor Unkonzentriertheiten gefeit, wie zum Beispiel im Hinspiel oder jüngst beim Sieg gegen den FC Augsburg. Holger Badstuber, bei der EM gesetzt, zeigt sich konstant und abgeklärt im Zweikampfverhalten. Sehr stark im Aufbauspiel, immer für einen öffnenden Diagonalpass gut.
Borussias Linksverteidiger Marcel Schmelzer hat zuletzt m Kampf um einen EM-Platz Fortschritte gemacht. Vor allen Dingen kann er hoffen, dass Bundestrainer Joachim Löw vielleicht den nicht zu klonenden Philipp Lahm demnächst auch im Nationalteam auf der rechten Seite einsetzt. Im Spiel nach vorne kann sich Marcel Schmelzer allerdings noch verbessern. Münchens David Alaba ist beim FC Bayern so etwas wie die Entdeckung der Saison. Seit der 19 Jahre alte Österreicher auf der linken Seite spielen darf, weil Philipp Lahm ja nach rechts gerückt ist, stimmt die Balance in der Viererkette der Münchner.
Die in der Mitte des Feldes
Der Dortmunder Ilkay Gündogan, vor der Saison aus Nürnberg gekommen, hat sich vom Reservisten zum Leistungsträger im defensiven Mittelfeld entwickelt. Ob Joachim Löw ihn mit nach Polen und die Ukraine nimmt, ist dennoch fraglich. Hohe Präzison im Passspiel, große Präsenz im Mittelfeld - und zuletzt immer wieder für ein Tor gut. Sebastian Kehl ist, wenn nicht gerade verletzt, der Dauerbrenner der Borussia. Liegt dank seiner Routine im Moment einen Tick vor seinem jungen Kontrahenten Sven Bender. Der Brasilianer Luiz Gustavo ist anstelle des lange verletzten Bastian Schweinsteigers auch für heute Abend die Defensivvariante der Münchner, der ehemalige Hoffenheimer präsentiert sich vor allem im Zweikampf enorm stark. Toni Kroos, einer der Lieblingsspieler Joachim Löws, hat Auge und Qualität für den entscheidenden Pass. Körperlich und im Zweikampf ist er stärker geworden.
Jakub Blaszczykowsk, technisch beschlagene Offensivkraft des BVB, ist die Wiederentdeckung der Rückrunde. Der polnische Nationalspieler glänzt nach dem Ausfall Mario Götzes vor allem als Vorbereiter auf dem Weg zum Torerfolg. Der Japaner Shinji Kagawa bestätigt seine Klasse aus dem Vorjahr, begeistert als kreativster BVB-Profi – und ist immer für ein Tor gut. Kevin Großkreutz, der Fan im schwarz-gelben Trikot, sagt oft, was er denkt. Zuletzt allerdings auf dem Fußballplatz mit zu wenig Durchschlagskraft, die EM findet wohl ohne ihn statt. Sein Trainer Jürgen Klopp schätzt aber seine Laufbereitschaft und Disziplin in der Defensive. Arjen Robben, in jüngster Zweit ausnahmsweise von Verletzungen verschont, findet langsam, aber sicher zu alter Form. Besonders gefährlich für den Gegner ist der niederländische Nationalspieler, wenn er mit dem Ball am Fuß nach innen zieht und dann auch noch aufs Tor schießt. Der deutsche Nationalspieler Thomas Müller ist am stärksten, wenn er Lücken in die Defensive reißt. Der Münchner gilt als unberechenbar und hat ein ungeheures kreatives Potenzial. Sein Kollege Franck Ribéry hat wieder Spaß und zeigt sich spielfreudig wie zu besten Zeiten. Und der französische Nationalspieler ist mannschaftsdienlich wie selten zuvor: Mit 17 Torvorlagen ist er der beste Vorbereiter der Liga.
Die Männer vor dem Tor
Robert Lewandowski, Polens EM-Hoffnung, macht beim Deutschen Meister seinen Vorgänger Lukas Barrios mehr und mehr vergessen. 19 Tore in der Bundesliga sprechen für sich und für ihn. Hinzu kommen acht Vorlagen. Sein einziges Manko ist bisweilen die Chancenverwertung. Das lässt sich über Bayerns Mario Gomez nicht sagen. Egal von wo und wie, der Torschützenkönig trifft, 25 Mal in dieser Spielzeit. Beweist Instinkt und Effizienz und ist dabei körperlich enorm stark.
Quelle: ntv.de, mit dpa