Auch für Podolski wird es eng Die Generation Ballack dankt ab
11.08.2011, 15:05 Uhr
Joachim Löw mit Bastian Schweinsteiger, einem der neuen Chefs im DFB-Team.
(Foto: dpa)
Bundestrainer Joachim Löw hat ein Ziel: Ein Titel soll her, am besten schon bei der EM 2012. Deshalb baut er sein Team um, mit Stürmer Miroslav Klose war beim wunderbaren Sieg gegen Brasilien nur noch ein Spieler der Generation Ballack dabei. Bleibt das Problem mit den Spaniern.
Es wäre eine Chance gewesen. Nicht, dass dann alles wieder gut gewesen wäre. Aber es wäre ein ordentlicher Abschied gewesen. Sie hätten sich ein letztes Mal getroffen, geredet, trainiert und Fußball gespielt. Irgendwann, so Mitte der zweiten Halbzeit, hätte Michael Ballack seine Kapitänsbinde an Philipp Lahm weitergegeben, wäre vom Rasen gegangen, Ehrenrunde, Applaus und tschüss. Vielleicht hätte er sich verstohlen mit dem Handrücken eine Träne aus dem Augenwinkel gewischt. War ja doch eine schöne Zeit.
Aber Michael Ballack, der am 26. September 35 Jahre alt wird, wollte diese Chance nicht und pfiff auf das Abschiedsspiel, das der Verband und Joachim Löw ihm angeboten hatten. Er fühlt sich ungerecht behandelt, vom Bundestrainer auf unfaire Art und Weise ausgebootet. Was ihm bleibt, sind 98 Länderspiele und ein fader Nachgeschmack. So trainierte der Ex-Leitwolf in dieser Woche in Leverkusen, wo er auch nur noch eine Nebenrolle spielt, mit Ersatzspielern und aufstrebenden Talenten, während sein ehemaliges Rudel sich am Mittwochabend in Stuttgart beim 3:2-Sieg in gegen den Rekordweltmeister aus Brasilien vergnügte und den 54.767 Zuschauern allerfeinste Unterhaltung bot.
Jung statt alt, schnell statt langsam
Und auch wenn es der Bundestrainer vehement ablehnte, von einer Zäsur zu sprechen, nur weil der ehemalige Kapitän Ballack erstmals seit 1999 offiziell nicht mehr zur Nationalmannschaft gehörte: Dieser Sieg steht doch exemplarisch für den Umbruch im Team, der tatsächlich eher ein Prozess als eine Kehrtwende ist. Jung statt alt, schnell statt langsam, Schritt für Schritt, streng nach Leistung. Das ist im Kern keine revolutionäre Idee. Nur ist Löw der erste Chef seit langer Zeit, der dabei über das adäquate Personal verfügt. Nun macht, nur ein Beispiel, der 19 Jahre alte Mario Götze auf der Position des Kreativen im Mittelfeld dem 22 Jahre alten Mesut Özil Konkurrenz. Für den Bundestrainer kein Problem. "Das sind Variationsmöglichkeiten und das ist gut. Ich bin froh, dass ich 20 Top-Leute habe."
Von den älteren Spielern gelten nur Kapitän Philipp Lahm und sein Münchner Vereinskollege Bastian Schweinsteiger als unumstritten. Und die sind auch erst 27 Jahre alt. Etwas aus der Art fällt Miroslav Klose, der neuerdings für Lazio Rom in Italien stürmt und mit seinen 33 Jahren am Mittwoch der letzte Spieler im Kader war, der noch unter Trainer Rudi Völler bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea gespielt hat. Der letzte Verbliebene der Generation Ballack kam gegen die Brasilianer nach der Pause für Mario Gomez ins Spiel - und machte seine Sache wesentlich besser als sein Konkurrent, der in der ersten Hälfte als zentraler Stürmer im Strafraum den Ball meist nur von Weitem sah. Klose hingegen holte sich den Ball im Mittelfeld, war bissig in den Zweikämpfen, technisch nahezu perfekt und auch läuferisch voll auf der Höhe.
"Alle müssen sich beweisen"
Für Lukas Podolski allerdings könnte es langsam eng werden - auch wenn man das bei der Nibelungentreue des Bundestrainers zum Vorzeige-Kölner der Nation nie wissen kann. Wobei dessen Problem gar nicht ist, dass er unbedingt schlechter spielt als früher. Die anderen um ihn herum sind nur einfach besser geworden. Podolski ist zwar ein Jahr jünger als die Kollegen Schweinsteiger und Lahm, entwickelt sich aber, wenn überhaupt, langsamer weiter. André Schürrle jedenfalls, der im zweiten Abschnitt den Job im linken offensiven Mittelfeld übernahm, sorgte für wesentlich mehr Wirbel. Er wechselte munter mit Thomas Müller die Seiten, strebte mehrmals zielstrebig in den brasilianischen Strafraum, spielte einen Traumpass auf Mario Götze und erzielte zehn Minuten vor dem Ende der Partie ein wunderschönes Tor.
Zu einer dezidierten Einzelkritik wollte sich Joachim Löw auch dieses Mal nicht hinreißen lassen, sagte aber: "Natürlich müssen sich alle immer wieder beweisen, auch der Lukas." Denn wohin der Weg der Nationalmannschaft führen soll, ist klar. Der erste Titel seit dem Gewinn der Europameisterschaft 1996 soll’s sein, am besten schon im kommenden Jahr beim Kontinentalturnier in Polen und der Ukraine.
Wenn da nur nicht die Spanier wären. So war der Trainer zwar nach dem bemerkenswerten Erfolg gegen die Seleção sehr zufrieden, sagte aber auch: "Das heißt noch lange nicht, dass wir uns mit dem Weltmeister messen können." Und der heißt nun einmal Spanien. Der Europameister auch.
Quelle: ntv.de