Fußball

Ein zarter Hauch von Meisterrausch Dortmund glänzt und stapelt tief

Shinji Kagawa wirbelt wieder im BVB-Mittelfeld, Ivan Perisic (r.) ist neu dabei.

Shinji Kagawa wirbelt wieder im BVB-Mittelfeld, Ivan Perisic (r.) ist neu dabei.

(Foto: dapd)

Es ist nur ein Testturnier, das Borussia Dortmund in Mainz gewinnt. Die Konkurrenz lässt die bemerkenswerte Frühform des BVB durchaus beeindruckt zurück. Sie deutet zumindest an, dass der Titelverteidiger auch ein Titelkonkurrent des teuer verstärkten FC Bayern werden könnte. Nur hören will das in Dortmund natürlich niemand.

Das Finale um den "Liga total"-Cup war abgepfiffen, Borussia Dortmund feierte den Sieg über den Hamburger SV, und Jürgen Klopps Miene verfinsterte sich. Der BVB-Meistercoach stand beim Interview und hörte das Unabwendbare auf sich zukommen: Die Favoritenfrage im Bundesliga-Titelkampf. Und da war sie auch schon: Ist der aktuelle Meister in der neuen Saison nicht vielleicht doch wieder erster Anwärter auf den Titel? Klopp hörte angestrengt zu, dann antwortete er süffisant: "Ja, sehr witzig. Für heute haben wir das ordentlich hingekriegt, mehr gibt es dazu nicht zu sagen." Die Meisterfrage ruft beim Meister offizielles Stirnrunzeln hervor. Der Titel 2011/12 ist nämlich, glaubt man Klopps treuherzigen Versicherungen, schon vor dem Anpfiff der neuen Saison fest vergeben: an den FC Bayern.

Angesichts Münchner Transferinvestitionen von mehr als 40 Millionen Euro sind die Bayern nicht nur in der Selbstwahrnehmung Topfavorit auf den Titel. Angesichts der durchaus ansprechenden BVB-Leistungen beim "Liga total"-Cup, vor allem beim dominanten 1:0 gegen Mainz, drängt sich aber auch der Eindruck auf: Der im Vorjahr sensationell zum Titel gestürmte BVB könnte in der neuen Saison vielleicht doch an seine oft berauschenden Darbietungen voller Tempo, Spielwut und Leidenschaft anknüpfen - und damit die vermeintlich übermächtigen Bayern ernsthaft herausfordern.

"Ganz viel Arbeit" hat BVB-Coach Jürgen Klopp noch vor sich. Man steckt ja auch mitten in der Vorbereitung.

"Ganz viel Arbeit" hat BVB-Coach Jürgen Klopp noch vor sich. Man steckt ja auch mitten in der Vorbereitung.

(Foto: dapd)

Klopp, der in Abstimmung mit der Vereinsspitze und mit Blick auf die neue Herausforderung Champions League das moderate Saisonziel "internationaler Wettbewerb" ausgegeben hat, sieht das anders. In seiner Analyse des HSV-Spiels trat er kräftig auf die Euphoriebremse und übte sich in jener Tiefstapelei, die er in der Meistersaison zur Kunst erhoben hat. "Dass wir noch ganz viel Arbeit haben" war seine Haupterkenntnis. Dass sein Team die zweieinhalb Wochen bis zum Saisonstart "noch richtig gut gebrauchen" kann, um Mechanismen und Abläufe zu verfeinern, sein Fazit.

"Hohe Messlatte für die Buben"

"Ich habe eine relativ hohe Messlatte für die Buben. Da sind sie jetzt nicht gerade im Minutenrhythmus drübergesprungen. Nur weil wir hier vor Bayern München ins Ziel gerannt sind, leiten wir daraus nicht ab, dass wir stärker sind als die", wehrte Klopp alle Lobeshymnen ab. Ganz objektiv betrachtet war der BVB beim Mini-Turnier aber klar die beste Mannschaft. Und auch wenn die Aussagekraft von Vorbereitungsturnieren generell begrenzt ist: Die Bayern hatten schließlich den Turniersieg als Ziel ausgegeben und wurden Dritter.

Dortmund hingegen diktierte das Spiel beim 1:0 gegen Mainz ähnlich wie im Meisterjahr, ging allerdings auch mit seinen Torchancen ähnlich fahrlässig um. Gegen den HSV fehlte nach einigen personellen Umstellungen die große Dominanz. Überlegen, torgefährlicher und einsatzfreudiger war der BVB dennoch, was Klopp zufrieden registrierte: "Wenn es um die Wurst geht, musst du da sein. Wir sind in der Spur. Die einzelnen Spieler sind auf einem guten Weg. Die wichtigste Erkenntnis war: Wir können uns auf viele Jungs, auch wenn sie momentan noch nicht bei 100 Prozent sind, verlassen."

Biss und Willen sind noch da

Wichtiger als die nun fünf Erfolge in sieben Testspielen dürften für die Verantwortlichen aber zwei andere Erkenntnisse sein: dass das junge Team auch nach dem Titelgewinn noch nicht satt ist, sondern weiter Biss und Willen zeigt, sich in jedem Spiel richtig reinzuhängen. Und dass der Verlust von Spielmacher Nuri Sahin, im Meisterjahr der beste Bundesliga-Profi, vielleicht tatsächlich nicht so schwer wiegt, wie immer wieder beschworen.

Auch ohne seinen Herzschrittmacher pocht das spielerische Herz des BVB kräftig, Klopp haben sich in der Vorbereitung gleich mehrere Alternativen für die zentrale Mittelfeldposition aufgedrängt. Nicht nur der vom 1. FC Nürnberg verpflichtete Ilkay Gündogan, der allgemein als direkter Sahin-Ersatz betrachtet wird, sondern auch Moritz Leitner. Der 18-Jährige trat in den Testspielen als kreativer Sechser so selbstbewusst auf und glänzte mit klugen Pässen in die Spitze, dass ihn  der "Kicker" schon vor seinem starken Auftritt gegen Mainz zum Gewinner der Vorbereitung kürte.

Bisher die Entdeckung der Vorbereitungsphase: Mittelfeldtalent Moritz Leitner (l.).

Bisher die Entdeckung der Vorbereitungsphase: Mittelfeldtalent Moritz Leitner (l.).

(Foto: dapd)

Vor der Dortmunder Doppelsechs wusste sich im linken offensiven Mittelfeld erstmals 5,5-Millionen-Mann Ivan Perisic in Szene zu setzen. Nachdem er in der kraftraubenden Vorbereitung noch massive Anpassungsprobleme an das rasante Dortmunder Spieltempo gezeigt hatte, deutete er in Mainz seine Qualitäten an: Als Vollstrecker im Halbfinale, als Vorbereiter im Endspiel.

Kader ist stärker geworden

Der 22-jährige Kroate ist einer von bisher nur vier, allesamt jungen Neuzugängen beim BVB. Neben Perisic und Leitner stehen lediglich Linksverteidiger Chris Löwe (22) und Mittelfeldspieler Marvin Bakalorz (21) neu im Kader. Wieder zurück und in bemerkenswerter Frühform ist Shinji Kagawa, der in der Rückrunde verletzt ausgefallen war und nun wieder wie in besten Zeiten wirbelt. Auch mit Kapitän Sebastian Kehl, in den vergangenen Spielzeiten mehr verletzt als auf den Rasen, ist wieder zu rechnen. Spekuliert wird noch über einen weiteren Stürmer, wobei immer wieder der Name Nicklas Bendtner (FC Arsenal) fällt.

Schon jetzt ist Klopp überzeugt: "Ich glaube, dass unser Kader noch stärker geworden ist." Überschwängliches Lob überlässt er vor dem nächsten Härtetest am Samstag, dem Supercup gegen Pokalsieger FC Schalke (20.30 Uhr/ZDF), trotzdem anderen. Christian Nerlinger immerhin wirkte in Mainz reichlich nachdenklich, hat die "Süddeutsche Zeitung" beobachtet. Der Bayern-Manager sagte: "So wie Dortmund aufgetreten ist, wird die Bundesliga erneut kein Selbstläufer."

Quelle: ntv.de

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