Fußball

Fiasko in Freiburg Fürths dramatisch hoffnungsloser Abstiegskampf

Nach der neunten Saisonniederlage verlor Leitl kurz die Geduld.

Nach der neunten Saisonniederlage verlor Leitl kurz die Geduld.

(Foto: imago images/Jan Huebner)

Noch nie in der Geschichte der Bundesliga ist eine Mannschaft schlechter gestartet: Aufsteiger Greuther Fürth verliert auch in Freiburg, kassiert die neunte Pleite im zehnten Spiel und langsam stellt sich die Frage, gegen wen das Kleeblatt überhaupt gewinnen will.

Irgendwann fingen die Kameras Stefan Leitl ein. Er saß zusammengekauert auf der Bank der Fürther. Für einen Moment wirkte es, als rutsche er immer tiefer und immer tiefer in die Abgründe, die sich wieder einmal auf dem Platz ausbreiteten. Die SpVgg Greuther Fürth ist nach zehn Spieltagen auf dem besten Weg, den legendären Negativ-Rekord von Tasmania Berlin zu pulverisieren. Die beendeten die Spielzeit 1995/1966 mit zwei Siegen, vier Unentschieden und 28 Niederlagen. Aufsteiger Fürth hat erst einen Punkt - gegen die noch sieglosen Bielefelder - eingesammelt. Der Abstieg scheint bereits ausgemachte Sache. Es kann, so scheint es, nur noch darum gehen, Einträge in die Rekordbücher zu verhindern.

Bei der Niederlage in Freiburg, die so erwartet wie verdient war, kam wieder einmal alles zusammen: fehlende Klasse, kuriose Eigentore, Abwehrpatzer und ein durch gleich fünf Coronavirus-Infektionen ohnehin arg dezimierter Kader. Nach der neunten Saisonpleite verliert der Trainer langsam die Geduld. Nur wenige Minuten vor der Pause entzog er dem Routinier Sebastian Griesbeck das Vertrauen. Er machte ihn für das siebte Standard-Gegentor der Saison verantwortlich und sagte später: "Es ist mir in der Summe einfach zu viel, was wir da zulassen. Und das werde ich auch nicht mehr tolerieren." Griesbeck, der von Union Berlin nach Fürth gewechselt war, droht nun die Ersatzbank.

Aber retten werden Leitl diese Auswechslungen nicht. Noch nie hat es in der Liga-Geschichte eine Mannschaft gegeben, die schlechter in eine Saison gestartet ist. Allein der 1. FC Saarbrücken war im allerersten Bundesliga-Jahr auf eine ähnlich desaströse Ausbeute gekommen. Ihr Torverhältnis von minus 21 war sogar marginal schlechter als das der Fürther. Die Saarländer organisierten damals in den nächsten 20 Spielen, es gab nur 16 Klubs im Oberhaus und nur 30 Spieltage, noch sechs Siege und vier Unentschieden. Der erste Erfolg gelang am 13. Spieltag bei Werder Bremen, aber der Klassenerhalt blieb in weiter Ferne. So wird es auch bei Fürth kommen. Vielleicht aber wollen sie überhaupt nicht gerettet werden.

Drei katastrophale Gegentreffer

Unter der Woche hatten die Fürther versucht, aus der Corona-Infektion von gleich fünf Spielern noch einen Vorteil zu ziehen. Sie konnten die Nachricht bis zur obligatorischen Pressekonferenz geheim halten und wollten so die Freiburger überraschen. Aber wen soll der Ausfall von fünf Spielern aus der Fassung bringen? Freiburg, das ungeschlagene Überraschungsteam der Saison, gewiss nicht. Für 20 Minuten ließen sie Fürth an der Partie teilhaben. Sie warteten. Und warteten.

Bis der 20-jährige Simon Asta bei seinem Liga-Debüt für das Kleeblatt den Ball aus kurzer Distanz und vollkommen unbedrängt mit einem wunderschönen Kopfball ins eigene Tor befördert. Als dann Griesbeck vor der Pause nicht zum Kopfball gegen Freiburgs Nicolas Höfler hochstieg, hatte Leitl genug gesehen und Fürth verloren. Die Hoffnung nach Jamie Lewelings Anschlusstreffer starb fünf Minuten später. Ein Patzer, ein Foul. Elfmeter. "In der zweiten Liga wird das nicht so bestraft wie hier", sagte Leweling nach dem Spiel. Jeder Treffer war eine Kurzgeschichte über die fehlende Wettbewerbsfähigkeit der Fürther.

Das alles hat seine Gründe. Fürth ist schlichtweg nicht konkurrenzfähig und hat zudem noch wichtige Stütze verloren. Trotz des Aufstiegs zerfiel die Mannschaft im Sommer. Die Stützen der Elf verteilten sich auf die Bundesliga-Mittelklasse. Verteidiger Paul Jaeckel zog es ablösefrei zu Union Berlin, für David Raum gab es ebenfalls kein Geld, er stieg bei TSG Hoffenheim zum Nationalspieler auf und Anton Stach bevorzugte Mainz 05. Dort kämpft der 22-jährige Mittelfeldspieler noch um einen Platz im Team.

Der gesamte Marktwert des aktuellen Kaders beläuft sich laut der Webseite transfermarkt.de auf gerade einmal 37,08 Millionen Euro, noch hinter dem VfL Bochum mit 38,10 Millionen Euro. Doch anders als die Elf von der Castroper, die bislang auf einer Welle der Leidenschaft surfend an alte Bundesliga-Tage anknüpfen kann, schlittern die Fürther, die immer ein Zweitliga-Team waren, ohne Halt in Richtung Abstieg.

Kein Heimsieg in 21 Anläufen

Am nächsten Wochenende erwartet Fürth den Europa-League-Teilnehmer Eintracht Frankfurt im heimischen Sportpark Ronhof, in dem den Kleeblättern in 21 Bundesliga-Spielen noch kein einziger Sieg gelingen wollte und überhaupt erst fünf Punkteteilungen. Sie sind eine der schlechtesten Mannschaften der Liga-Geschichte und doch ist dem Rekord-Zweitligisten bereits nach dem Abstieg 2013 Bemerkenswertes gelungen. Sie reihten sich einfach wieder in ihre Liga ein, kämpften einige Zeit um den Klassenerhalt und nahmen unter Leitl dann wieder Anlauf. Weil Hamburg nicht wollte, weil Holstein Kiel die Nerven versagten, gelang ihnen plötzlich der Direktaufstieg. Es wirkte beinahe wie ein Unfall. Die Euphorie war trotzdem groß.

"Eine Stadt, die fußballerische Erfolge hat, strahlt ein Sieger-Image aus", sagte Fürths Oberbürgermeister Markus Braun nach dem Aufstieg. "Die ganze Stadt steigt mit auf." Er hoffte, dass der Klassenverbleib "energisch" verfolgt werde und sprach von einem Tourismus-Boom. Vielleicht war er auf der richtigen Spur. Fürth könnte sich in diesem Jahr in die Geschichtsbücher der Bundesliga spielen. Nur nicht so, wie sich Markus Braun das erhofft hatte. Abgründe tun sich auf. Stefan Leitl hat sie gesehen.

Quelle: ntv.de, sue

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